Herbst, heftige Niederlagen, Haareraufen: Borussia Dortmund steht wieder an jenem Punkt, an den man nicht mehr zurückkehren wollte. Das Vorhaben, in der Bundesliga nicht der Musik hinterher zu hecheln, hat die Mannschaft in Stuttgart endgültig über den Haufen geworfen. Nach einem Drittel der Saison läuft es wie so oft: Anstatt die Gegner vor Probleme zu stellen, stellt sich der BVB selbst ein Bein. Alljährlich dasselbe Spiel.
BVB mit bodenloser Leistung in Stuttgart
Manchmal verrät der Subtext mehr, als er soll. Edin Terzic sprach am Samstagabend davon, dass er seine Spieler für ihre unterirdische Vorstellung nicht „schreddern“ wolle. Eine schonungslose Abrechnung wäre nicht klug gewesen, aber allemal verständlich. Sie hätte jedoch auch zur Frage der Verantwortung geführt und wäre damit zum Bumerang für den Trainer geworden.
Niclas Füllkrug räumte schonungslos ein, dass der BVB jetzt zweimal von Mannschaften aus den oberen Tabellenregionen klar die Grenzen aufgezeigt bekommen hat. Vorher, bei einer Serie guter Ergebnisse, die dank des Spielplans vor allem gegen die schwächeren Teams der Liga eingefahren wurden, hat vielleicht auch die Verantwortlichen das nackte Resultat über die tatsächlichen Leistungen hinweggetäuscht.
Beim BVB gibt es grundsätzliche Probleme
Im Fußball werden ja allzu schnell – auch an dieser Stelle – Resultate interpretiert. Das wahre (Un-)Vermögen zeigt sich erst, wenn die großen Gegner kommen. Als Dortmund „weniger sexy“ spielte, wie Terzic es formuliert hat, ließ sich das mit Siegen weglächeln. Das ist seit diesem Samstag nicht mehr möglich. Die Borussia spielte bodenlos schlecht und offenbarte grundsätzliche Probleme.
Nach solchen Leistungen, meinte Sportdirektor Sebastian Kehl, müsse man über Ziele nicht mehr reden. Schaler Fußball führt nicht zur Meisterschale! Noch vor zehn Tagen erwähnte Terzic, dass am Borsigplatz auch genügend Platz wäre, um zwei Titel zu feiern. Ein Wunsch fernab der Realität! Platz eins kann Dortmund abschreiben, muss sich eher um Rang vier sorgen. An ein Comeback wie im Vorjahr glaubt derzeit niemand mehr. Dafür ist die Konkurrenz zu stark. Und der BVB ist konstant inkonstant.
Klares Defizit bei der BVB-Qualität
Unfassbar ärgerlich, wie sich das Team Terzic immer wieder Rückschläge einhandelt. Der Coach steht wie seine Vorgänger auf dem Trainerstuhl vor einem schier unlösbaren Rätsel. Auch sein Ansatz, die totale Hingabe an den Klub vorzuleben, verliert an Zauber. Viele Spieler blieben beim VfB nicht nur vom Gegner, sondern auch von den eigenen Möglichkeiten meilenweit entfernt. Und nicht zum ersten Mal hatte in Stuttgart der Gegner das bessere taktische Rezept. Sei es die Vorgabe aus der Kabine oder die Umsetzung auf dem Platz: Entweder bekommt der BVB seine Power nicht zuverlässig genug auf den Rasen. Oder er überschätzt die Fähigkeiten der Mannschaft ganz grundsätzlich. Wenn man immer wieder vor allem an sich selbst scheitert, ist das ein klares Indiz für ein Defizit bei der Qualität.
Hier sind im Sommer Fehler gemacht worden. Der Entschluss, mehr Widerstandsfähigkeit und Robustheit im Kader einzubauen, war ja richtig. Allerdings ist dabei die spielerische Klasse völlig auf der Strecke geblieben bei den Wunschtransfers des Trainers. Jude Bellingham und Raphael Guerreiro waren für mehr als 40 Scorerpunkte gut in der Vorsaison, noch viel mehr Tore leiteten sie ein. Ramy Bensebaini (1), Felix Nmecha (3) und Marcel Sabitzer (4) kommen nach 17 Pflichtspielen wettbewerbsübergreifend zusammen auf acht Torbeteiligungen.
Das ist ein fataler BVB-Trugschluss
Borussia ballert nicht mehr. Es fehlt an Kreativität, an guten Ideen, an klaren Mustern. Und plötzlich läuft es auch hinten nicht mehr: Wie der BVB in den ersten acht Bundesligaspielen mit acht Gegentreffern auskam, nun aber in drei Partien neun Einschläge hinnehmen musste, ist ein unerklärlicher Abfall. Zumal es in den Cup-Wettbewerben viel besser läuft.
Gerne bemühen sie in Dortmund das Bild von den zwei Gesichtern, um die Ausschläge in die negative Richtung zu umschreiben. Oft das strahlende Antlitz, manchmal diese fiese Fratze. Als ob es zwei unterschiedliche Mannschaften wären. Das ist ein fataler Trugschluss. Das sind nicht zwei Gesichter des BVB – das ist Borussia Dortmund! Es ist an der Zeit zu akzeptieren: Dieser finanziell potente und sportlich ambitionierte Klub reißt verlässlich mit dem Hintern ein, was er mit den Händen aufgebaut hat. Kaum sagt oder schreibt man, die Rückschläge seien weniger geworden, kommen sie geballt zurück. Der hohe Druck hinterlässt seine Spuren. Die Furcht vor dem nächsten Scheitern steckt seit Jahren tief in den Köpfen. Bis die selbsterfüllende Prophezeiung wieder eintritt. Ein schwarzgelber Teufelskreis.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 12. November 2023.
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