Befasst man sich mit Felix Nmecha und seinen sportlichen Fähigkeiten, stößt man bei der Recherche fast automatisch auf eine Geschichte, die mit Rührei zu tun hat – und die viel darüber aussagt, welches Potenzial die Fußball-Fachleute im Profi-Business in diesem 22-jährigen Spieler sehen, der mit seinen Leistungen im Trikot des VfL Wolfsburg in der vergangenen Saison nun Borussia Dortmund auf sich aufmerksam gemacht hat. Der BVB lässt sich die Verpflichtung des Nationalspielers rund 30 Millionen Euro kosten.
BVB-Neuzugang Nmecha bietet großes Potenzial
Seine fußballerische Qualität ist unumstritten, sein Entwicklungs-Potenzial gewaltig. Doch das ist nur die eine Seite des Fußballers Felix Nmecha. Es gibt auch noch die andere. Die eines Fußballers, der seine Popularität nutzt, um in den sozialen Netzwerken seine streng katholische Glaubenseinstellung nach außen zu tragen – war per se nicht schlimm wäre. Der sich aber mit dem Teilen extremer und inakzeptabler Postings dem Vorwurf ausgesetzt hat, homophob und transfeindlich zu sein. Dazu später mehr.
Als der damalige U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz der Familie Nmecha die Aufwartung machte, um für einen endgültigen Wechsel des jüngeren der zwei Nmecha-Brüder (neben Felix gibt es noch Lukas, 24) zur deutschen Nationalmannschaft zu werben, kredenzte Felix Nmechas Vater zum Treffen im Wohnhaus der Familie ein selbst zubereitetes Rührei. Kuntz schwärmte später vom „besten, das ich jemals gegessen habe“ und konnte auch sonst auf einen erfolgreichen Hausbesuch zurückblicken.
Kuntz überzeugt Nmecha vom DFB
Felix Nmecha, in Hamburg geboren als Sohn eines nigerianischen Vaters, in England aufgewachsen und ausgebildet in der Nachwuchs-Akademie von Manchester City, durfte dem FIFA-Reglement entsprechend für drei Nationen spielen. Deutschland, Nigeria, die Heimat seines Vaters, und England. Nachdem er international in der U16 der „Three Lions“ debütierte, dann zur deutschen U18 wechselte und später nach England zurückkehrte (U18, U19), überzeugte Kuntz das Talent am Ende dann doch vom „deutschen Weg“. Nmechas U21-Debüt am 25. März 2022 beendete die Suche nach dem richtigen Ort für eine Karriere in der Nationalmannschaft, die lange einem Irrweg glich. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das 21. Lebensjahr vollendet. Laut FIFA-Regularien die späteste Möglichkeit, um noch einmal den Verband zu wechseln.
Der offensive Mittelfeldspieler, vom heutigen U21-Trainer Antonio di Salvo als „idealer Verbindungsspieler“ gelobt, der sowohl den Ball aus der Tiefe nach vorne tragen wie vorne mit dem vorletzten oder letzten Pass Torchancen kreieren kann, ist seinen Weg seither weitergegangen. In Manchester, da lag die Messlatte für ihn noch zu hoch. Felix Nmecha schnupperte mehrfach im Training und in wenigen Pflichtspielen von niederem Stellenwert in den Kader von Pep Guardiola hinein. Festbeißen konnte er sich nicht. 2021 entschied er sich mangels Perspektive zu einem Wechsel zum VfL Wolfsburg. Dort brachte die vergangene Saison den endgültigen Durchbruch.
Für BVB-Neuling Nmecha geht es nur bergauf
Fachleute bei den Niedersachsen schwärmen vom Potenzial des 22-Jährigen. Dessen Bewegungen wirken wegen seiner 1,90 Meter Körperlänge manchmal ein wenig hölzern. Doch mit dem Ball am Fuß entwickelt Felix Nmecha eine erstaunliche Geschmeidigkeit. Der Mittelfeldspieler ist dazu ein Modell-Athlet. Durchsetzungsstark, aggressiv und mit einem guten Kopfball ausgestattet, was er vor allem beim 4:0 der Wolfsburger gegen den VfL Bochum mit zwei Kopfballtoren bewies. Wohl sein bestes Spiel in der abgelaufenen Saison.

Noch, so ist aus dem Wolfsburger Umfeld zu hören, muss sich Nmecha weiterentwickeln. In vielerlei Hinsicht sei er von dem Niveau eines Jude Bellingham noch ein gutes Stück entfernt. Als ausgemachte Schwäche gilt das Kombinationsspiel, was vordergründig nicht gerade zum Ballbesitz- und Kombinationsfußball des BVB zu passen scheint. Doch wen man auch fragt, es gibt eine einhellige Meinung: Nmechas Potenzial sei riesig, so ist zu hören. Und die Frage sei nicht, ob er es irgendwann ausschöpfen kann. Die Frage ist nur, wann es soweit sein wird.
Nmecha-Transfer bringt für den BVB Probleme mit sich
Und doch stößt Borussia Dortmund die glänzende Perspektive von Felix Nmecha in einen riesigen Zwiespalt. Denn der talentierte Fußballer hat in den vergangenen Monaten auch Schlagzeilen geschrieben, die nichts mit seinen Ballfertigkeiten zu tun hatten. Im Juni, dem sogenannten Pride-Monat, in dem die LGBTQ+-Community auf ihre Situation aufmerksam macht und für ihre Rechte wirbt, teilte Nmecha ein Video des Accounts „reformedbychrist“, das den Begriff „Pride“ dem Teufel zuordnete. Im Februar teilte er ein Video von Matt Walsh, in dem sich der umstrittene rechtspopulistische US-Blogger über einen Vater lustig gemacht hatte, der die Geschichte seines Trans-Kindes erzählt hatte. Nmecha schrieb dazu: „Wenn wir nicht sehen, was daran falsch ist.“

Beide Posts löschte Felix Nmecha anschließend, doch der Vorwurf, dass dieser strenggläubige Spieler auch homophobes und transfeindliches Gedankengut in sich trägt, steht seither im Raum. Als die Spekulationen um ein BVB-Interesse Fahrt aufnahmen, beeilte sich Nmecha in einem weiteren, recht oberflächlichen Post zu versichern, dass es ihm wichtig sei zu sagen, „dass ich alle Menschen liebe und niemanden diskriminiere“. Die Zweifel über seine Gesinnung konnte das unter den Anhängern kaum zerstreuen. Der queere BVB-Fanklub „Rainbow Borussen“ forderte Borussia Dortmund gar in einer E-Mail auf, sich deutlich von einer Nmecha-Verpflichtung zu distanzieren, weil dieser nicht zu den Grundwerten des Vereins passen würde.
BVB-Verantwortliche treffen Nmecha
Auch die Tatsache, dass der BVB ein persönliches Treffen mit Nmecha anberaumte, an dem neben Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auch Dr. Reinhold Lunow, Präsident des eingetragenen Vereins, teilnahm, zeugt von der brisanten Gemengelage. Mehrere Stunden saßen die Parteien beieinander und diskutierten über die Werte, für die Borussia Dortmund steht. Am Ende soll Nmecha der BVB-Delegation überzeugt haben, auch Lunow, der dem Transfer dem Vernehmen nach zuvor sehr kritisch gegenüber gestanden haben soll.
Als „Heimat für Borussen unabhängig ihres Alters, ihres Aussehens, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und Orientierung, ihrer Kultur, ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität oder ihrer sozialen Herkunft“ hatte sich Borussia Dortmund im November in dem von der Mitgliederversammlung beschlossenen Grundwertekodex klassifiziert. Dort ist verankert, dass sich der Klub „stets für ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung“ einsetzen werde, die Abstimmung für diesen Kodex war fast einstimmig.
Der BVB steckt in einem Dilemma
Schon die Zweifel, dass ein Spieler, der das BVB-Trikot trägt, diesen Grundsätzen folgt, stürzt Borussia Dortmund in ein Dilemma. Selten zuvor wurde in Fan-Kreisen ein möglicher Transfer so kontrovers diskutiert. Mit dem jetzigen Vollzug des Transfers wird die Diskussion an Schärfe zunehmen, daran dürfte auch das positive Treffen der Klubverantwortlichen mit Nmecha zunächst nichts ändern. Dass Felix Nmecha vielleicht in der Lage sein kann, die große Lücke nach dem Madrid-Wechsel von Jude Bellingham zu schließen, war in den vergangenen Wochen kaum der Rede wert.
Felix Nmecha hat seinen BVB-Vertrag unterschrieben: Exklusive Bilder aus Brackel
BVB-Profi Julian Brandt stellt Ernährung um: „Es gab Zeiten, da war ich vier Tage im Arsch“
Neue BVB-Hierarchie ist unumgänglich: Terzic wird drei Spielern mehr Verantwortung zuweisen