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BVB-Legende Murdo MacLeod: „Davor muss ich Dortmund warnen“
Interview
BVB und Celtic heißen die Herzensklubs von Murdo MacLeod (63). Vor dem Duell der Borussia gegen die Glasgow Rangers warnt der Schotte vor seinen Landsleuten – und schwelgt in Erinnerungen.
Wie haben Sie reagiert, als das Los fiel: Rangers gegen den BVB?
Ich war und bin total begeistert und freue mich auf diese Spiele. Das ist eine tolle Paarung, und dass der BVB mal wieder in Schottland spielt, finde ich großartig. Wobei ich nicht genau weiß, wie gut und stark die Rangers gerade wirklich sind und ob sie es mit dem BVB aufnehmen können. Sie hatten ihre Schwierigkeiten in den vergangenen Wochen. Grundsätzlich dürften sie stark genug sein, um den BVB zumindest etwas herauszufordern. Aber ich habe keine Zweifel, dass der BVB in die nächste Runde einziehen wird.
Welche Bedeutung hat dieses Duell für die Rangers?
Die Rangers haben international in den letzten Jahren sehr ordentlich gespielt. Das ist gar nicht so einfach.
Warum?
In der Liga ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Celtic um die Meisterschaft. Die meisten anderen Gegner hier in Schottland haben nicht alle höchstes Niveau, um es mal freundlich auszudrücken. Ich glaube, dass der fehlende Wettbewerb hierzulande sie auch darin bremst, international noch stärker aufzutreten. Trotzdem werden die Spieler hoch motiviert sein. Auch für sie ist ein Duell mit Borussia Dortmund ein besonderes Spiel.
Wie stark muss man die Rangers einschätzen? Als Namen bekannt sind nur Trainer Giovanni van Bronckhorst und vielleicht noch der Waliser Aaron Ramsey, der im Januar von Juventus Turin ausgeliehen wurde.
Sie haben gute Jungs in ihren Reihen und werden alle brennen. Joe Aribo oder Glen Kamara im Mittelfeld sind sehr stark, dazu Ryan Kent und Aaron Ramsey etwas offensiver - die werden sich voll reinknien. Und die wollen auch Gegner und Herausforderungen in dieser Kategorie. Und alle Verteidiger in Europa wollen gegen einen der besten Torjäger der Welt spielen, Erling Haaland. Er ist großartig. Weil er so viele Tore schießt und so ein Kämpfertyp ist. Er ist beeindruckend.

Helden von Berlin: Murdo MacLeod 1989 mit der Trophäe in der Hand, dazu (v.l.) Günter Kutowski, Andreas Möller und Torwart Wolfgang de Beer. © Imago
Wo wären die Rangers vielleicht in der Bundesliga anzusiedeln?
Das ist immer schwierig zu schätzen. Ich denke schon, dass sie in der Bundesliga auch unter den ersten sechs Teams landen könnten, wenn es gut läuft. Aber der Vergleich ist schwierig. Der Fußball in Schottland ist nicht so finanzstark wie die Bundesliga, hier gibt es nicht so viele Spieler mit Top-Qualität. Aber Celtic und die Rangers haben sich international eigentlich immer ganz ordentlich angestellt. Und das relativ konstant.
In Dortmund dürfen nur 10.000 Fans zuschauen, das Ibrox Stadium wird im Rückspiel mit mehr als 50.000 Fans ausverkauft sein. Ein Vorteil für die Rangers?
Ja, definitiv ein großer Vorteil für die Rangers. Wenn das Stadion voll ist und die Atmosphäre entsprechend, hilft das der Mannschaft. Die Rangers-Fans freuen sich, wenn so eine Spitzenmannschaft zu uns nach Schottland kommt.
Borussia Dortmund hat ein paar technisch starke Spieler, die eine physisch harte, körperlich robuste Spielweise nicht unbedingt schätzen...
Wir spielen in Schottland robust und manchmal härter als anderswo. Aber übertrieben physisch wird es nicht werden, das kann ich mir nicht vorstellen. Da muss ich die Dortmunder warnen: Die Topteams, Rangers und Celtic, wollen immer zuerst Fußball spielen. Hier geht es nicht mehr nur um Kick and Rush.
Mit welchen Borussen stehen Sie noch in Kontakt?
Mit Michael Zorc, mit Teddy de Beer oder Nobby Dickel. Teddy war mal mit dem Motorrad hier, Nobby zum Golfen. Ich war zuletzt 2019 in Dortmund, da gab es 30 Jahre nach unserem DFB-Pokalsieg ein wunderschönes Wiedersehen. Es war toll, die alten Kollegen wiederzusehen.
Wie intensiv verfolgen Sie Borussia Dortmund?
Ich sehe von jedem Spiel die Highlights oder zumindest die Ergebnisse. In der Champions League noch mehr. Es macht immer Spaß, Borussia Dortmund Fußball spielen zu sehen. Es ist großartig, wie sie in den vergangenen 15, 20 Jahren immer stärker geworden sind und immer ganz oben in der Tabelle stehen. Es ist halt nur schwierig, dass die Bayern auch noch da sind. Ich wünsche mir, wie so viele BVB-Fans, dass sie noch diesen einen Push kriegen und mal an den Münchnern vorbeiziehen.
Erkennen Sie den Klub heute noch wieder gegenüber dem vor 30 Jahren?
In diesen drei Jahrzehnten hat sich nicht nur die Art und Weise, wie Fußball gespielt wird, komplett verändert. Das gilt auch für die Vereine. Wenn man sieht, wie viel Umsatz Borussia Dortmund macht, welche Topspieler zum Klub kommen, das ist herausragend. Michael Zorc hat einen fantastischen Job gemacht. Welche Spitzenspieler der BVB immer wieder herausbringt, das wird auch international sehr beachtet.
Was Borussia Dortmund kennzeichnet: Die Kämpfertypen sind immer besonders gefeiert worden. Leute wie Sie oder später Paul Lambert, dann Steffen Freund, Sebastian Kehl oder Sven Bender. Was sagt das über den Fußball und über den BVB aus?
Es ist die Mentalität dieser Spieler, immer alles zu geben. Alle Herausforderungen anzunehmen und wirklich immer alles rauszuhauen für den Verein und für die Mannschaft. Wenn das zentrale Spieler vormachen, dann zieht der Rest auch mit. Die Fans lieben es, wenn gekämpft wird und mit Kampf auch Siege errungen werden. Die Zuschauer in Dortmund hatten immer ein feines Gespür dafür, was die Mannschaft leistet und ob sie wirklich alles aus sich herausholt.
War das ähnlich beim Pokalsieg 1989?
Auch da hatten wir ein paar herausragend gute Spieler dabei, wie Andi Möller, Michael Zorc oder Thomas Helmer. Aber wir hatten auch viele Leute im Maschinenraum.
Welchen Stellenwert hat dieser Triumph für Sie persönlich?
Dieser Sieg war ein herausragendes Erlebnis für uns in einer Zeit, als das beim BVB niemand erwarten konnte. Welche Bedeutung der Pokalsieg von damals hat zeigt sich ja auch darin, dass die Leute bis heute darüber reden. Für den BVB war das damals der erste Titel nach einer langen Durststrecke. Ich bin stolz, dass ich einen Teil dazu beitragen konnte. Als Schotte in den 80-ern nach Deutschland zu kommen, in Dortmund zu spielen und das mitzuerleben, war eine große Freude.
War das einer ihrer größten Erfolge?
Definitiv! Ich habe mit Celtic auch Titel gewonnen, als Spieler und als Co-Trainer. Das lässt sich aufgrund der Vormachtstellung fast nicht verhindern. Aber in Dortmund Teil des Ganzen zu sein, das war speziell für mich.

Wiedersehen in Dortmund 2019: Murdo MacLeod (l.) neben Vereinspräsident Reinhard Rauball und Frank Mill. © imago
Für den BVB war das damals der erste Schritt in die Zukunft. Denn alles, was sich danach ab den 90-ern entwickelt hat, hatte seinen Ursprung in diesem Triumph in Berlin.
Ich habe mich immer als stolzer Teil dieses Klubs und dieser Mannschaft gefühlt. Vielleicht haben wir 1989 den Grundstein gelegt für die späteren Erfolge bis hin zum Triumph in der Champions League. Und ich habe natürlich besonders geschaut, wie Paul Lambert gespielt hat. Den hatte ich damals dem Co-Trainer Michael Henke empfohlen, einen unbekannten Spieler vom mittelklassigen FC Motherwell. Er hat seine Sache sehr ordentlich gemacht.
Es gibt eine Verknüpfung zwischen einigen BVB- und Celtic-Fans, aber was weiß man in Schottland über Borussia Dortmund?
Als ich in den 80-ern nach Dortmund ging, haben wir versucht, einen Schal oder ein Trikot zu besorgen, für meine Familie und Freunde. Aber das gab es nicht, das war schlicht unmöglich. Es gab einfach keine Shops, um Fanartikel vom BVB zu kaufen. Als ich danach gefragt habe, wusste keiner, was ich wollte. Heute ist Borussia Dortmund sehr bekannt und auch beliebt hier. Jeder, der sich für Fußball interessiert, kennt den BVB. Nicht nur als irgendeine Mannschaft aus Deutschland, sondern schon auch als eine Topmannschaft in Deutschland und in ganz Europa.
Dürfen Sie als stolzer Schotte denn jubeln, wenn der BVB die Rangers schlagen sollte?
Mein Herz schlägt in diesem Duell auch für meinen Ex-Klub, das kann ich offen sagen.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
