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BVB-Hoffnung Bellingham: Sein erster Trainer schwärmt - und überrascht
Borussia Dortmund
In Birmingham reift Jude Bellingham zum Teenie-Profi, sein erster Trainer dort kennt ihn bestens. Im Interview spricht Coach Mike Dodds über seine „unglaubliche Reise“ mit dem BVB-Star.
Coach Mike Dodds hat in Birmingham Jude Bellingham ab dem 7. Lebensjahr trainiert. Im Interview mit den Ruhr Nachrichten spricht er über seine „unglaubliche Reise“ mit dem BVB-Star, erklärt die Stärken seines einstigen Schützlings und verrät, warum Jude Bellingham und Borussia Dortmund wie füreinander gemacht sind.
Jude Bellingham hat neue Rekorde gebrochen als jüngster U21-Spieler und Torschütze für England. Sind Sie überrascht?
Nein, nichts davon hat mich überrascht. Im Moment bricht er einfach einen Rekord nach dem anderen. Jude ist und bleibt ein absolut erstaunlicher Junge, in allem. Wir freuen uns für ihn, weil wir auch um die harte Arbeit wissen, die er geleistet hat. Er hat eine fantastische Entwicklung genommen und ist sicher noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. Was mir besonders imponiert und worauf wir stolz sind: Er ist immer der gleiche höfliche, freundliche Junge
geblieben. Er hat sich als Persönlichkeit nicht verändert.
Sie kennen ihn seit zehn Jahren, damals war er sieben. Wie haben Sie ihn kennengelernt?
Er kam durch einen unserer Scouts, Simon Jones, in unsere Vor-Akademie. Damals war er wie jeder andere Siebenjährige, er ist quer über den Platz gerannt, hatte großen Spaß am Fußball und niemand kam auf die Idee, dass aus ihm später mal ein Profi und Nationalspieler werden könnte. Ich habe ihn ab sieben Jahren trainiert und fast durchgängig, bis er vor einem Jahr bei den Senioren angekommen ist. Ich habe seine erste Trainingseinheit bei Birmingham City geleitet, und stand als Coach beim letzten Spiel an der Seite, habe ihn quasi vom Anfang bis zum Ende begleitet. Ich will nicht zu pathetisch werden, aber es war und ist eine unbeschreibliche Reise gewesen.
Jude hat mehrere Jahrgänge übersprungen. War er damals schon zu gut?
Als er elf wurde, haben wir entschieden, dass er mit älteren Jungs spielen sollte, weil er alle neuen Informationen und Herausforderungen so unglaublich schnell umsetzen und bewältigen konnte. Als er 14 wurde, spielte er in der U16, mit 15 ging es in die U18, mit 16 in die U23 und dann hat er gleich den Durchbruch in die erste Mannschaft in der zweiten englischen Liga geschafft. Ich würde rückblickend sagen, ab seinem 14. Lebensjahr hat seine Entwicklung atemberaubend schnell Fahrt aufgenommen.
War er auch körperlich frühreif?
Nein, gar nicht. Bis er 14, 15 Jahre alt war, war er ein ganz normaler, durchschnittlicher Junge. Keine Ahnung, was dann in dem Sommer damals passiert ist, bildlich gesprochen wurde er über Nacht zum Mann, zu diesem „beast of a man“, das er jetzt ist.
Hat sein Wachstum ihn nicht beeinträchtigt in seinen Bewegungen?
Nicht wirklich. Es gab eine Zeit, in der er ein wenig an Geschwindigkeit verloren hat, davor hatte er auch ein wenig Sorge. Es gibt diesen Zeitraum im Wachstum, wo alles etwas ungelenk wirkt, da ist auch Jude ein wenig unkontrolliert herumgesprungen wie Bambi. Aber das kannten wir ja von allen anderen Jugendlichen, und das Problem erledigte sich rasch. Aber ein Frühreifer war er nie.
Mussten Sie seinen Fortschritt nie bremsen?
Es gab mal Momente, wo wir ihn schützen mussten im Training oder in Spielen, weil er müde war. Er ging zur Schule, spielte schon für Englands U-Nationalmannschaften und für unsere Nachwuchsteams bei Birmingham City. Wir haben ihm Vertrauen geschenkt und eine ehrliche Beziehung aufgebaut. Wenn er gesagt hat, er sei fit, durfte er spielen. Aber wir haben auch mal Pausen eingelegt, um ihn nicht zu verheizen.

Zwei englische Juwelen: BVB-Profi Jadon Sancho (l.) und Jude Bellingham. © Inderlied/Kirchner-Media
Wann war Ihnen klar, dass Jude ein Profifußballer werden würde?
Diese Frage wurde mir zuletzt oft gestellt und die ehrliche Antwort ist: Als er sein erstes Profispiel gemacht hat, vor zwölf Monaten.
Nicht früher?
Es ist tatsächlich so, dass wir hier grundsätzlich die Füße am Boden behalten und nicht träumen. Hier gibt es viele talentierte Jungs, wir haben Jude wie jeden anderen Spieler auch behandelt. Ob eines von den vielen Talenten dann Profi wird, weiß man immer erst, wenn sie die Chance bekommen, sich zu beweisen. Voraussagen sind sehr vage und in dem Prozess auch nicht hilfreich. Wir haben Schritt für Schritt gemacht, Spiel für Spiel, eine Stufe nach der anderen. Diese Antwort ist vielleicht nicht spektakulär, aber es ist die Wahrheit. Wir üben keinen Druck aus auf junge Spieler und haben auch keine hochtrabenden Erwartungen. Wir versuchen, sie bestmöglich zu fördern und sehen dann, was dabei herausspringt.
Wird sich das jetzt ändern, wenn er als Profi in der Bundesliga auch Druck verspüren wird?
Ich vermute, dass er keinen großen externen Druck verspüren wird. Er wird sich nicht von außen beeinflussen lassen, auch nicht von der Öffentlichkeit. So ist er nicht gestrickt. Er spornt sich selber ununterbrochen an, sein Bestes zu geben. So war er schon immer.
Nach unseren ersten Eindrücken zeichnet ihn eine unglaublich große Spielfreude aus.
Er ist ein freundlicher Kerl, aber seine Haltung zum Sport, zum Spiel, ist gekennzeichnet von einem unablässigen Streben nach Verbesserung. Seiner Familie hat er diese bemerkenswerte Mischung zu verdanken aus einem höflichen und bescheidenen Menschen, der gleichzeitig immer mit vollem Eifer nach dem Maximum strebt. Es gab vermutlich den Zeitpunkt, da hätte er sich nahezu jeden Klub in Europa aussuchen können. Und dann hat er sich für Borussia Dortmund entschieden.
Warum?
Weil das der beste Klub für seine Entwicklungsschritte in den nächsten zwei, drei Jahren ist. Dortmund und Jude Bellingham sind wie gemacht füreinander zu diesem Zeitpunkt, denke ich: Dortmund will ihn weiter ausbilden, und er wird nicht aufhören zu arbeiten, ein immer besserer Fußballer zu werden.
Welche Stärken und Schwächen hat er als Fußballer?
Er kann alles – und das meine ich nicht so arrogant, wie es vielleicht klingt. Er kann Zweikämpfe führen und Angriffe abwehren, wie man es von einem defensiven Mittelfeldspieler verlangen darf. Und er kann das Spiel aufbauen, den Ball behaupten, dribbeln, in die Tiefe gehen, Tore auflegen und selber erzielen. In meinen Augen ist er ein kompletter Mittelfeldspieler.
Was wäre seine Idealposition? Sechser oder Achter?
Als Box-to-Box-Spieler kommt er am besten zur Geltung. Da kommt es dann auf die Aufgabenverteilung innerhalb des Teams an.
Wären Sie überrascht, wenn Jude Bellingham in der Bundesliga gleich durchstartet?
Erneut Nein! Man muss ja fast schon damit rechnen, auch wenn ich die Erwartungen nicht in die Höhe treiben will. Was mir wichtig ist: Ich bin, wie Sie gemerkt haben, schwer von ihm beeindruckt, und zwar noch mehr von seiner Mentalität und Persönlichkeit als von seinen taktischen und technischen Fähigkeiten. Ihr könnt euch freuen in Dortmund!
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
