Lange Stuhlreihen, ein ausgeleuchtetes Podium für den Aufsichtsrat, das große schwarzgelbe Wappen, mittags ein Imbiss: Borussia Dortmunds Aktionäre erwartet ein gewohntes Szenario in der Westfalenhalle, wenn am Montag nach der pandemiebedingten Pause die Geschäftsführung der KGaA wieder in Präsenz auf der Hauptversammlung über die wirtschaftliche Entwicklung berichtet. Weiter ungewohnt kommen die Zahlen daher: Für das vergangene Geschäftsjahr musste BVB-Boss Hans-Joachim Watzke zum dritten Mal hintereinander rote Zahlen vermelden, fast 150 Millionen Euro haben die Covid-Jahre verschluckt. Das soll sich 2022/23 ändern, hofft man im Klub. Auch die Analysten sehen nach den dunklen Covid-Jahren wieder Licht und schwarze Zahlen kommen. Die Aktionäre dürfen auf einen steigenden Kurs spekulieren.
BVB-Aktie ohne faire Bewertung?
Die Privatbank „Hauck Aufhäuser Lampe“ stuft die BVB-Aktie in ihrer aktuellen Bewertung mit einer „Kaufen“-Empfehlung und einem geänderten Kursziel von 5,20 Euro ein. Zuvor lag das Kursziel bei 5,60 Euro. Derzeit kostet das Stück lediglich 3,60 Euro. „Dieser Kurs entspricht nicht dem, was wir erwartet haben und auch nicht dem, was möglich sein müsste mit einer fairen Bewertung“, erklärt Analyst Philipp Sennewald.
Bei Borussia Dortmund nimmt man seit Jahren die Diskrepanz zwischen Marktkapitalisierung (derzeit rund 400 Millionen Euro) und dem realistischen Unternehmenswert von mehr als einer Milliarde Euro schulterzuckend hin. Setzt man die Marktkapitalisierung (plus ggf. Nettoverschuldung) ins Verhältnis zum Umsatz (Enterprise Value/Sales), kommt Borussia Dortmund auf einen Wert von 0,7. Die wirtschaftlich problembehafteten Konkurrenten Juventus Turin (1.5x) und Manchester United (4.1x) liegen deutlich darüber. Fußballaktien funktionieren halt anders. Oder andersherum formuliert: BVB-Aktien sind eigentlich ein Schnäppchen.
Üppiger BVB-Zuwachs im Bereich Werbung
Für das laufende Geschäftsjahr prognostiziert Sennewald „konservativ geschätzt“ ein Umsatzplus von 17 Prozent und den Sprung auf rund 412 Millionen Euro im Gesamtergebnis (ohne Transfers). Den vorläufigen Berechnungen zufolge sollte die BVB KGaA erstmals seit 2018/19 auch wieder einen kleinen Gewinn von 8,2 Millionen Euro vor Steuern (Ebit) erwirtschaften. Positiv auswirken werden sich der Wegfall der Corona-Einschränkungen im Ticketing und Catering, der Einzug ins Achtelfinale der Champions League bei den Prämien und ein üppiger Einnahme-Zuwachs im Bereich Werbung auf bis zu 145 Millionen Euro (2021/22: 126). In der Königsklasse muss das Achtelfinale gegen den FC Chelsea nicht einmal Endstation sein. Bei einem erwartbaren Verlauf der Bundesliga-Saison sollte auch die erneute Qualifikation für die Champions League sichergestellt werden, trotz des enttäuschenden sechsten Platzes zur Winterpause.
Den erfreulichen Posten gegenüber stehen unter anderem gestiegene Energiekosten, die sich auf bis zu fünf Millionen Euro belaufen könnten. Längst hat der BVB angekündigt, mindestens 15 Prozent an Energie einsparen zu wollen. Schwer abzuschätzen bleibt die allgemeine Inflation, die zu höheren Einkaufspreisen und geringerem Absatz etwa bei Catering oder Merchandising führen könnte. Von seinem vergleichsweise hohen Gehaltsgefüge für die Profifußballer kommt der BVB nur langsam herunter. Hier soll ein leistungsorientierteres Modell implementiert werden.
BVB-Aktionäre müssen auf Dividende verzichten
Auch anders als bei der bis dato letzten Hauptversammlung in der Westfalenhalle vor drei Jahren: Die Anteilseigner – 67 Prozent der Aktien befinden sich im Streubesitz – müssen erneut auf eine Dividende verzichten. „Aus Aktionärssicht wäre das sicher wünschenswert, aber da der Klub seit Jahren keinen Gewinn erwirtschaftet hat, sehe ich dafür keine Basis“, erklärt Sennewald.
Auch Aktionärsschützer Dietmar Erlebach von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) äußerte auf Anfrage Verständnis dafür, dass in diesem Jahr keine Dividende ausgeschüttet wird. Warum es trotz der erhofften „schwarzen Null“ im vergangenen Geschäftsjahr ein Minus von 35 Millionen Euro gegeben hat, möchte er allerdings gerne von der Geschäftsführung erklärt bekommen. Zwei singuläre Ereignisse mögen dazu beigetragen haben: Durch das Verpassen der K.o.-Runde in der Königsklasse entgingen dem BVB rund 15 Millionen Euro, die fest eingeplant waren. Und die Auflösung des Vertrags von Ex-Trainer Marco Rose kostete mehr als fünf Millionen Euro. Sportlicher Misserfolg schlägt bei dieser KGaAmdoppelt zu Buche.
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