BVB-Finanzen Diese zwei großen Ziele sind im laufenden Geschäftsjahr realistisch

BVB-Finanzen: Diese zwei großen Ziele sind im laufenden Geschäftsjahr realistisch
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Er habe als Geschäftsführer von Borussia Dortmund zum zweiten Mal „in den Abgrund geblickt“, sagte Hans-Joachim Watzke bei der Hauptversammlung vor den Aktionären. Erstmals sei es ihm bei der Beinahe-Insolvenz des Klubs vor 18 Jahren so ergangen. Und dann erneut, als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie das Land und damit auch den Fußball lahmlegte. Das Geschäftsmodell des BVB funktionierte nicht mehr. Unvorstellbare 151 Millionen Euro Verlust hat der börsennotierte Klub in der Folge verdauen müssen. Unter anderem dank einer Kapitalerhöhung im Herbst 2021, die 82,5 Millionen Euro einbrachte, konnte Watzke dennoch einen schuldenfreien Verein präsentieren. Mit 457 Millionen Euro Gesamtumsatz lag der BVB 2021/22 „ziemlich nahe an dem letzten Geschäftsjahr, das coronafrei war, nämlich 2018/19“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung. Weil die Covid-Einschränkungen in der aktuellen Spielzeit in den meisten Bereichen kaum noch spürbar sind, ist der Blick nach vorne erlaubt.

BVB will an magischer Grenze kratzen

Zwei große Ziele könnten die Dortmunder bereits im Geschäftsjahr 2022/23 wieder erreichen. Man werde „zu einer Umsatzstärke wie vor vier, fünf Jahren zurückkehren“, kündigte BVB-Boss Watzke an und führte konkret aus: „Wenn wir den Umsatz plus die Brutto-Transfererlöse als gesamtwirtschaftliches Ergebnis berechnen, werden wir wieder an der 500-Millionen-Euro-Grenze kratzen.“ Zuletzt und bisher einmalig sprangen die Schwarzgelben das im Jahr 2017/18 (540 Mio, u.a. Dembélé-Transfer). Einige Faktoren sprechen dafür, diese Marke zu erreichen, einige dagegen. Und bei normalem Verlauf der Saison soll nach drei Jahren mit Minusgeschäften „mindestens eine schwarze Null“ (Watzke) unter dem Strich stehen. Das wäre die zweite Beruhigungspille.

Mit Mehrreinnahmen darf Borussia Dortmund in der Champions League kalkulieren. Anders als im Vorjahr hat sich die Mannschaft für das Achtelfinale der Königsklasse qualifiziert. Neben der Uefa-Prämie von knapp zehn Millionen Euro kommen Gelder von Sponsoren, die Einnahmen aus dem Heimspiel, ein größerer Anteil aus dem Vermarktungstopf und weitere Variablen hinzu. Setzt sich der BVB gegen den FC Chelsea durch (Watzke: „Die Chancen stehen 50:50“), winken noch einmal Erlöse im achtstelligen Bereich. Im Vorjahr, als der BVB aus der Champions League „abstieg“ und in den Play-offs der Europa League ausschied, ernteten die Borussen „nur“ 62,7 Millionen Euro aus den internationalen Wettbewerben, 16 Millionen weniger als in der Spielzeit davor.

Werbung als BVB-Wachstumstreiber

Als großes Wachstumsfeld hat der BVB den Bereich Werbung erkannt und bearbeitet. Der Hemmschuh der Covid-Restriktionen ist abgestreift. Nach 106 Millionen Euro (2020/21) und 126 Millionen Euro (2021/22) will der Klub im laufenden Geschäftsjahr sogar die Marke von 150 Millionen Euro übertreffen. „Wir sind ein richtig guter und cooler Verein“, begründete Geschäftsführer Carsten Cramer im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten diesen finanziellen Schub bei der Verkaufe. „Der Schlüssel zum Erfolg ist, dass wir einfach wir selbst sind. Und dann macht es den Partnern auch Spaß, mit Borussia Dortmund zu arbeiten, unabhängig davon, ob wir Sechster oder Zweiter sind.“ Anders als zu Pandemie-Zeiten konnte und kann der Klub den Bereich VIP/Hospitality komplett auslasten und sämtliche Verpflichtungen gegenüber den Sponsoren erfüllen. Unter anderem die digitale Bandenwerbung, die Vermarktung in Eigenregie oder gleich zwei Trikotsponsoren füllen die Kasse zusätzlich.

Das BVB-Logo mit einem Euro-Zeichen.
Der dauerhaft ausverkaufte Signal Iduna Park spült Geld in die BVB-Kasse. © imago images/Ralph Peters

Anders als im Vorjahr, als nur rund 40 Prozent der Tickets an die Fans verkauft werden konnten, steht einem dauerhaft ausverkauften Signal Iduna Park in der Spielzeit 2022/23 kein externes Hindernis im Weg. „Wenn wir die Erlöse im Spielbetrieb von 22,6 Millionen Euro vergleichen mit den Jahren vor der Coronakrise, finden Sie dort ein Umsatzniveau von 44 bis 45 Millionen Euro. Wir sind also auf der Hälfte des Weges, den wir zurücklegen müssen“, bilanzierte Finanz-Geschäftsführer Thomas Treß auf der Hauptversammlung und formulierte die Erwartung: „Dieser Bereich wird sich hoffentlich bald wieder vollständig erholen.“

BVB mit weniger TV-Erlösen

Der vermehrte Ticketabsatz wird sich in den Kennzahlen ebenso niederschlagen wie steigende Einnahmen im Bereich Conference & Catering, der zuletzt mit 26 Millionen Euro abgebildet wurde und damit um zehn bis zwölf Millionen Euro niedriger als zu Zeiten vor Covid. Auch hier zeichnet sich eine Normalisierung ab.

In der Öffentlichkeit weniger bemerkt, in den Geschäftszahlen hingegen deutlich ablesbar, sind zwischenzeitlich die TV-Gelder massiv ausgeblieben, in 21/22 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um satte 40 Millionen Euro. „Gerade im internationalen Bereich haben viele Partner ihre Zahlungen reduziert oder gar nicht gezahlt, das tut uns insgesamt auch weh“, erläuterte Watzke. Auch bedingt durch den neuen TV-Vertrag der DFL, der in der Saison 2021/22 erstmals Geltung erfuhr, ist das Ausschüttungsvolumen laut Treß um 16,5 Prozent zurückgegangen. Der BVB kassiert hier national im Schnitt rund 13 Millionen Euro weniger als vorher.

Thomas Treß blickt nach vorne.
BVB-Finanz-Geschäftsführer Thomas Treß hat sich zu den TV-Erlösen geäußert. © IMAGO/RHR-Foto

Die insgesamt positive Entwicklung bremsen könnten die Inflation und die Energiekrise sowie eine allgemeine Kaufzurückhaltung in der Bevölkerung. Selbst wenn der BVB wie von Watzke avisiert 15 bis 20 Prozent Energie einsparen kann, werden die Teuerungen noch einen mittleren einstelligen Millionenbetrag ausmachen. Und im Inland, auch das hat der Klub erkannt, stößt das Wachstum an gewisse natürliche Grenzen. Die Zeit des großen Fußball-Booms scheint abzulaufen.

BVB winkt mehr Königsklassen-Geld

Auch der Transfermarkt, auf dem der BVB qua Geschäftsmodell wesentliche Überschüsse erzielen will, „ist nicht mehr der, der er vor Corona war. Im oberen Mittelsegment ist es ziemlich still geworden“, hat Watzke festgestellt. Einige wenige fremdfinanzierte Großklubs kennen kein Limit nach oben. Die große Mehrheit der Klubs jedoch, auch in der Bundesliga, kämpft ums schiere Überleben und ist dabei auf Gewinne auf der Spielerbörse angewiesen. Die Lage signifikant verändern würde bei Borussia Dortmund ein Großtransfer mit einer Bruttoeinnahme weit jenseits von 100 Millionen Euro, die ein Wechsel von Jude Bellingham im Sommer 2023 einspielen könnte. Perspektivisch wird auch die reformierte Champions League ab der Saison 2024/25 mehr Geld abwerfen, Watzke spricht hier von 30 bis 40 Millionen Euro zusätzlich. Eine intensivierte Auslandsvermarktung, die fortschreitende Digitalisierung, ein strategischer Partner für die DFL oder im Jahr 2025 eine ausgeweitete Klub-Weltmeisterschaft mit möglicher BVB-Beteiligung versprechen weitere Umsatz- und Erlössteigerungen.

BVB-Boss Watzke: „Geben das Ziel nicht auf“

Im abgelaufenen Geschäftsjahr sprang das Gesamtergebnis der Schwarzgelben um 98 Millionen auf 457 Millionen Euro. Perspektivisch strebt der BVB einen Umsatz von 500 Millionen Euro ohne Transfererlöse an. Den Analysten von Hauck Aufhäuser Lampe folgend, könnte Borussia Dortmund in dieser Spielzeit transferbereinigt 412,5 Millionen Euro und damit rund 60 Millionen mehr als im letzten Ergebnis erwarten. Der Sprung zur halben Milliarde per anno wäre damit nicht mehr fern. „Wir geben dieses Ziel nicht auf“, betonte Watzke.

Schreitet Borussia Dortmund in diesem Tempo auf diesem Weg voran, dürfen sich auch die Aktionäre bald wieder über einen steigenden Kurs an der Börse und eine Dividende freuen.

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