BVB-Fans vor Rückkehr ins Stadion: Ist es noch Echte Liebe?

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BVB-Fans vor Rückkehr ins Stadion: Ist es noch Echte Liebe?

rnBorussia Dortmund

25.000 BVB-Fans dürfen zur neuen Saison wieder zu Heimspielen in den SignaI Iduna Park. Aber kommen die auch? Oder hat die Pandemie die Liebe zum BVB nachhaltig beeinflusst?

Dortmund

, 19.07.2021, 06:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Seit mehr als neun Monaten hat Borussia Dortmund im Signal Iduna Park nicht mehr vor Fans Fußball gespielt. Am 24. Oktober vergangenen Jahres war Publikum letztmals zugelassen. Mickrige 300 Zuschauer bejubelten seinerzeit den 3:0-Sieg im Derby gegen Schalke 04. Nun könnten zum Bundesliga-Auftakt am 14. August gegen Eintracht Frankfurt immerhin bis zu 25.000 Anhänger erlaubt sein. Die Frage ist, ob es unabhängig von der deutlich geringeren Gesamtzahl dieselben Fans sind, die sich ins Stadion aufmachen.

BVB-Fanvertreter äußern Kritik am Verhalten der Klubs

Daran gibt es zumindest Zweifel. Denn schon vor einem halben Jahr äußerten diverse Fanvertreter Kritik am Verhalten der Klubs und des Profi-Fußballs im Allgemeinen. Und wenige Wochen vor Saisonbeginn haben die Anhänger nach wie vor gemischte Gefühle beim Gedanken an eine Rückkehr ins Stadion und volle Ränge. „Von der zu Beginn der Pandemie seitens der Vereine geäußerten Demut ist nicht viel übrig geblieben“, findet Thilo Danielsmeyer vom Fanprojekt Dortmund.

Damals hätten die Klubs versprochen, die Anliegen der Fans ernster zu nehmen, ihnen bei bestimmten Entscheidungsprozessen Mitbestimmungsrechte einzuräumen und die Kommerzialisierungsschraube nicht zu überdrehen. Von all dem ist aus Sicht von Danielsmeyer noch nicht sonderlich viel zu sehen. „Ich bin gespannt, was aus diesen Plänen langfristig wird“, so Danielsmeyer. Er sagt aber auch: „Je länger die Pandemie dauert, desto größer wird die Sehnsucht nach Normalität und der Wunsch, wieder zur Borussia zu gehen. Die meisten Fans wollen wieder ins Stadion.“

„Das BVB-Gefühl verschwindet nicht einfach“

Einer von ihnen ist Dirk Kolwe, zweiter Vorsitzender des BVB-Fanclubs „SüdkreisborussEN“. Bei 736 Spielen von Borussia Dortmund war er schon dabei. Dann kam Corona. Eine lange Durststrecke ohne Stadionbesuche, ohne das BVB-Gefühl. Trotzdem sagt er: „Keiner hat sich das ausgesucht. Wenn man von Kindesbeinen an BVB-Fan ist, verschwindet das Gefühl nicht einfach.“ Zumindest nicht wegen einer herrschenden Pandemie. Da gebe es ganz andere Dinge, die dafür sorgen würden, dass sich Fans vom Fußball und ihren Vereinen abwenden.

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Die aktive Fanszene betrachtet nämlich viel mehr das Verhalten der Vereine und der Verbände als kritisch. Das bestätigt auch Tobias Westerfellhaus, Vorstand der BVB-Fanabteilung. Er sprach schon im Januar von einer Entfremdung der Fans vom Fußball. „Ich bin mir nicht sicher, ob wirklich alle wieder zurückkommen. Denn viele haben festgestellt, dass es auch andere schöne Dinge im Leben gibt.“ Darüber hinaus hätten die Reformen der Champions League, die Durchführung der EM und die Pläne der UEFA zu einer möglichen Super League für zusätzlichen Verdruss gesorgt.

EM, CL-Reformen und Super League sorgen für Frust bei BVB-Fans

„Das alles hat dem Fußball noch mehr den Stempel aufgedrückt, dass es nur um Kohle geht und den Bogen weit überspannt.“ Dass beispielsweise das EM-Finale in London trotz eines extrem hohen Inzidenzwertes von über 300 dennoch mit 60.000 Zuschauern im Wembley-Stadion stattfinden konnte, macht Westerfellhaus fassungslos. „Diese Art von Sonderbehandlung durchzusetzen, bringt nur noch Kopfschütteln mit sich“, betont Westerfellhaus.

Die BVB-Fans kritisieren die Pläne von DFB und UEFA.

Die BVB-Fans kritisieren die Pläne von DFB und UEFA. © imago images/Sven Simon

Auch die Statements der Klubbosse zu einer Super League und der reformierten Königsklasse stoßen sauer auf. „Das hat mit der versprochenen Demut nicht viel zu tun. Das ist eher ein Zurückfallen in alte Muster. Beides sorgt nicht unbedingt dafür, dass die Fans wieder Lust auf diesen Zirkus haben.“ Selbstverständlich habe er auch Verständnis dafür, dass die Vereine angesichts fehlender Einnahmen ein berechtigtes Interesse an der Rückkehr der Zuschauer ins Stadion hätten. „Klar ist, dass den Vereinen riesige Summen entgehen. Dennoch finde ich, dass es in erster Linie um die Solidarität, den Schutz und die Gesundheit aller Menschen geht – und das sollte immer vor finanziellen Interessen stehen“, sagt Westerfellhaus.

Kinder dürfen in der Debatte nicht vergessen werden

Derselben Meinung ist auch Ramona Steding. Sie engagiert sich unter anderem bei „schwatzgelb.de“ und dem Netzwerk „F_in – Frauen im Fußball“. Und sie ist Leiterin eines Kindergartens. Als Erzieherin hat sie auch die Bedürfnisse der Kinder im Blick. Unter Zwölfjährige jedoch können gegenwärtig noch nicht geimpft werden. Was aber passiert, wenn Kinder mit ihren geimpften Eltern ins Stadion gehen und sich dort mit Corona infizieren?

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„Es heißt zwar immer, dass Kinder kaum schwere Krankheitsverläufe haben, aber niemand weiß, was die Langzeitfolgen einer Erkrankung mit ihnen macht“, gibt Steding zu bedenken. Sie selbst ist Mutter eines achtjährigen Sohnes. „Ich selbst würde noch nicht wieder ins Stadion gehen. Das Risiko mit so vielen Leuten auf engem Raum ist mir zu groß“, sagt Ramona Steding. Sie vermisst grundsätzlich einen sensibleren Umgang mit dem Thema, zumal sie als Erzieherin auch eine besondere Verantwortung habe - für die zu betreuenden Kinder, sich selbst und ihre Familie und nicht zuletzt ihre Mitarbeiter.

BVB-Fans sind mehr als ein zahlendes Klatschpublikum

„Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das Stadionerlebnis und der Fußball fehlen auch mir. Ein Spiel am Fernseher zu verfolgen, hat mich einfach nicht gepackt. Dennoch denke ich, dass es einfach noch nicht angebracht ist, mit vielen Menschen gleichzeitig ein Spiel live zu gucken“, sagt Steding. Thilo Danielsmeyer vom Fanprojekt Dortmund glaubt ohnehin, dass viele Anhänger gar nicht einzeln und auf ihnen zugewiesene Sitzplätze ins Stadion gehen möchten.

Stadionbesuch mit Abstand: für viele BVB-Fans keine Alternative.

Stadionbesuch mit Abstand: für viele BVB-Fans keine Alternative. © picture alliance/dpa

„Vielen geht es um die Gruppenzugehörigkeit. Die ist genauso wichtig wie das Spiel an sich. Ich glaube, erst wenn wieder 65.000 oder mehr Zuschauer möglich sind, werden viele Fans zurückkehren. Bis dahin werden sie sich Nischen suchen und eher bei der U23 oder den Frauen vorbeischauen.“ Die Erwartungen des Dortmunder Publikums an ein Stadionerlebnis jedenfalls seien hoch. „Die Fans wollen nicht nur zahlendes Klatschpublikum sein“, unterstreicht Danielsmeyer.

Emotionale Bindung zum BVB: Kommt sie wieder?

Das bestätigt auch Alexey Novikov. Seit 2006 ist er im Besitz einer Dauerkarte für die Südtribüne, auch eine Auswärtsdauerkarte hat er seit der Saison 19/20. Es sei gar nicht unbedingt der Fußball, der ihm die letzten Monate gefehlt habe, sondern das Drumherum. „Sich mit Freunden treffen, in der Kneipe ein Bier trinken, der Weg zum Stadion, die Stimmung - das vermisst man einfach noch mehr.“ Und wird es wohl noch länger. Denn selbst, wenn nun 25.000 Fans zugelassen sind, werde es nicht das gleiche Stadionerlebnis sein.

Ob er selbst wieder sofort ins Stadion gehen wird, wisse er noch nicht. Was er aber weiß: „Diese Pause hat einen großen Schaden zugefügt. Die emotionale Bindung ist verloren gegangen“, gibt er offen zu. Aber er sagt auch: „Wenn alles wieder voll ist, hoffe ich, dass ich wieder zu 100 Prozent dabei bin.“ Alte Liebe rostet bekanntlich nicht. Und erst recht nicht Echte Liebe.

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