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Torflaute mit Folgen: So abhängig ist der BVB von Erling Haaland
Borussia Dortmund
Trifft er, gewinnt Borussia Dortmund meistens. Geht er leer aus, gilt das häufig auch für sein Team. Wie gut Erling Haaland drauf ist, beeinflusst den BVB. Mehr als ihm lieb ist. Und jetzt?
Sucht man im Duden nach einem Synonym für Ehrgeizling könnte man dort locker den Namen „Erling Haaland“ finden. Borussia Dortmunds Stürmer ist immer ambitioniert und hätte auch unter dem Begriff „Gier“ einen Eintrag verdient. Problematisch wird es, wenn es mal nicht so läuft für den Norweger. Dann heißt es schnell „Ach, du grüne(r) Neune(r)“ beim BVB.
BVB-Stürmer Haaland hält seinen Frust nicht verborgen
Denn dann ist das dem 21-Jährigen erstens leicht anzusehen. Haaland hält mit seinem Frust selten hinterm Berg, was sowohl ein Signal ans eigene Team ist als auch an den Gegner. Und zweitens tut sich dann sein BVB deutlich schwerer damit, als Sieger den Platz zu verlassen. Beim furiosen 5:2-Triumph gegen Eintracht Frankfurt war Haaland an allen fünf Treffern beteiligt. Zwei erzielte er selbst, drei bereitete er vor. Es gab einmal mehr berechtigte Lobeshymnen für den Angreifer.
Beim 1:3 im Supercup gegen die Bayern und beim 1:2 gegen den SC Freiburg ging Haaland dagegen leer aus. Als im Supercup Robert Lewandowski, sein Dauer-Rivale um die Bundesliga-Torjägerkanone, zum 0:1 traf, stapfte Haaland wütend zurück, schlug zweimal einen imaginären Ball in der Luft weg. Später breitete er resignierend die Arme aus, schüttelte mehrfach mit dem Kopf und blickte flehend gen Himmel. Und auch im Breisgau war dem Mittelstürmer der Ärger über die eigene Wirkungslosigkeit sichtbar anzumerken. Etwa bei einem überharten Körpereinsatz gegen Freiburgs Nico Schlotterbeck.
BVB-Trainer Rose lobt Haalands Physis und Ausstrahlung
„Er hat durch seine Physis und seine Ausstrahlung eine besondere Wirkung“, sagte Marco Rose schon vor der Partie in Freiburg auf der Pressekonferenz. „An der Wirkung wollen wir auch noch arbeiten, weil es wichtig ist, dass alle ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz zeigen, auch wenn es mal nicht in unsere Richtung läuft. Wir müssen gucken, dass wir die Reaktionen in eine Richtung lenken, wo es uns hilft und wir Energie daraus ziehen. In den meisten Fällen passiert das bei Erling“, ergänzte der BVB-Trainer.
Klar ist: Die Schwarzgelben sind durchaus abhängig von Haaland. Hat er einen schlechten Tag oder findet er wie in Freiburg nicht die Räume vor, schmälert das die Chancen auf Zählbares erheblich. 2,1 Punkte holte der BVB in den 14 Bundesliga-Spielen der vergangenen Saison, wenn der Stürmer traf. Lediglich 1,8 Punkte waren es, wenn Haaland leer ausging.
BVB-Punkteschnitt sinkt, wenn Haaland ausfällt
Noch deutlicher fällt der Unterschied in der Champions League aus. Dort traf der blonde Hüne in der vergangenen Saison in sechs von zehn möglichen Spielen. Vier der sechs davon gewann der BVB. Im Viertelfinale gegen Manchester City gelang ihm bei den beiden 1:2-Niederlagen jeweils kein Treffer und die Borussia schied aus.
Sein Fehlen fällt ebenfalls klar ins Gewicht. Als Haaland wegen eines Muskelfaserrisses im Dezember 2020 kein einziges Pflichtspiel absolvieren konnte, gewann der BVB wettbewerbsübergreifend nur drei seiner sieben Begegnungen. In der Bundesliga holte der BVB damals nur vier von zwölf möglichen Punkten und verlor den Anschluss an die Konkurrenz.
BVB-Gegner Hoffenheim schaut auf Freiburg
Am Freitag (20.30 Uhr) im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim ruhen die Hoffnungen der Borussia deshalb wieder auf Haaland. Die Kraichgauer werden allerdings zuletzt genau hingeschaut haben und dürften gut beraten sein, die Kreise des Norwegers ähnlich konsequent einzuengen wie die Freiburger. Deren Innenverteidiger Nico Schlotterbeck und Philipp Lienhart hatten BVB-Stürmer Haaland im Griff.

In Freiburg erwischt Erling Haaland einen gebrauchten Tag und muss mit ansehen, wie die Breisgauer ihre Treffer bejubeln. © picture alliance/dpa
Trotz sechs Torschüssen blieb er ohne Erfolg. Nur ein einziges Mal kam er in einem Bundesliga-Match noch häufiger zum Abschluss, ohne zu treffen – beim 2:0 gegen Union Berlin im April. Damals glückte ihm aber immerhin ein Assist. Das blieb ihm im Breisgau verwehrt.
BVB-Offensive kommt in Freiburg nicht auf Touren
Im Kollektiv gelang es dem Team von Christian Streich, das explosive Umschaltspiel der Dortmunder in die Tiefe weitgehend zu verhindern. Anders als noch gegen Frankfurt ging es nach Ballgewinnen nicht rasend schnell, weil der Sportclub selbst blitzschnell immer wieder die Räume zustellte und den BVB damit seiner Stärke beraubte.
Weil auch Donyell Malen, Giovanni Reyna und BVB-Kapitän Marco Reus daran nichts ändern konnten, keine Lücken im Zentrum aufrissen oder die Verteidigungslinie über die Außen aushebelten, war die Offensivpower der Borussia nur in Spurenelementen erkennbar.
BVB-Trainer Rose will Niederlage analysieren
All das ist weder den Spielern noch Trainer Marco Rose oder den BVB-Bossen entgangen. Deshalb werden sie in dieser Woche an Lösungen arbeiten. „Freiburg hat sehr leidenschaftlich verteidigt. Aber in bestimmten Spielphasen war unser Pass-Tempo nicht hoch genug, um Freiburg noch mehr zu beschäftigen“, hielt Rose fest.
„Für uns geht es darum, die Niederlage zu analysieren, wegzustecken, noch besser aufzutreten und natürlich auch Ergebnisse zu holen, das ist klar“, ergänzte der BVB-Trainer. Inwieweit das klappt, hängt auch mit Erling Haaland zusammen. Vielleicht findet sich sein Name im Duden auch noch ein drittes Mal – unter dem Stichpunkt „Abhängigkeit“.
Cedric Gebhardt, Jahrgang 1985, hat Germanistik und Politikwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum studiert. Lebt aber lieber nach dem Motto: „Probieren geht über Studieren.“ Interessiert sich für Sport – und insbesondere die Menschen, die ihn betreiben. Liebt Wortspiele über alles und kann mit Worten definitiv besser jonglieren als mit dem Ball. Schickt deshalb gerne humorige Steilpässe in die Spitze.
