In Ahaus soll 2019 ein Taxifahrer von zwei jungen Männern angegriffen worden sein. Die beiden stehen jetzt vor dem Landgericht in Münster.

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Taxifahrer wird geschlagen und dann fast mit dem eigenen Fahrzeug überfahren

rnGefährliche Körperverletzung

Es sind schockierende Bilder, die am Donnerstag vor dem Landgericht Münster gezeigt werden. Ein Taxifahrer wird in seinem Fahrzeug geschlagen. Doch das war wohl nur der Anfang.

Ahaus

, 29.04.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Was genau geschah in der Nacht vom 18. Februar 2019? Über drei Jahre ist ein Vorfall nun schon her, der sich in dieser Nacht in Ahaus abgespielt haben soll. Vier (oder fünf) junge Menschen, die seit 15 Uhr in Gescher Karneval gefeiert hatten, steigen gegen 0.30 Uhr in ein Taxi, um nach Hause zu fahren. Zwei (oder drei?) von ihnen steigen in Stadtlohn aus.

Ein heute 21-Jähriger und ein 29-Jähriger – beide aus Ahaus – fahren weiter bis nach Sabstätte. Dem Älteren wird schlecht, die Männer bitten den Taxifahrer, anzuhalten, der 29-Jährige steigt aus dem Auto und übergibt sich.

Hinweise auf versuchtes Tötungsdelikt

So weit ähneln sich die Aussagen der beiden Angeklagten (einmal abgesehen von der Anzahl der Fahrgäste), die am Donnerstag vor dem Landgericht Münster standen. Ab da widersprechen sich beide deutlich.

Der Fall der beiden Ahauser wurde zunächst vor dem Amtsgericht in Ahaus verhandelt. Es ging vor allem um schwere Körperverletzung. Doch das Amtsgericht in Ahaus verwies den Fall an das Landgericht, denn im Laufe der Verhandlung mehrten sich die Hinweise auf ein versuchtes Tötungsdelikt.

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Laut Anklage hatten die beiden Ahauser den Taxifahrer zunächst im Auto geschlagen. Nachdem dieser aus dem Auto geflüchtet war, griffen ihn die beiden weiter an, der Taxifahrer stürzte zu Boden. Es seien Sätze gefallen wie „Den machen wir tot“.

Dann stieg der 21-Jährige laut Anklage ins Taxi und fuhr auf den am Boden liegenden Fahrer zu. Der Fahrer konnte in den Straßengraben flüchten. Er erlitt Verletzungen an Nase und Kiefer und war eine Woche krankgeschrieben.

Angeklagte widersprechen sich

Mit den Vorwürfen konfrontiert, erläuterten die beiden Angeklagten jeweils ihre Sicht der Dinge. Der 21-Jährige ließ von seinem Anwalt erklären, dass er zunächst im Taxi gewartet habe, während sich der 29-Jährige übergab. Dann sei er zu ihm gegangen und habe sich erkundigt, ob alles in Ordnung ist.

Als der 29-Jährige dann zum Taxi zurückkehrte, habe er „aus heiterem Himmel“ zugeschlagen. Nachdem der Taxifahrer ausgestiegen sei, habe der Ahauser weiter auf ihn eingeschlagen und auch getreten. Der 21-Jährige sei nicht an den Schlägen beteiligt gewesen.

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In einer Art Kurzschlussreaktion sei der junge Mann dann in das Taxi gestiegen und losgefahren. Er habe mit aufheulendem Motor auf sich aufmerksam machen wollen, um die beiden anderen voneinander zu trennen. Er sei an den beiden vorbeigefahren und gegen einen Zaun geprallt. Dann habe er zurückgesetzt, den Wagen stehenlassen, der im Leerlauf weiter zurückrollte.

Der Richter ließ sich an dieser Stelle sogar vom Angeklagten aufzeichnen, wo er mit dem Auto war und wo der Taxifahrer lag. Davon abgesehen, dass der 21-Jährige zum Tatzeitpunkt betrunken war (wie er selbst angab auf einer Skala von 1 bis 10 bei einer acht), besaß er auch nur einen Führerschein für landwirtschaftliche Fahrzeuge.

„Wenn ich geschlagen habe, würde ich das zugeben“

Und der 29-Jährige? Auch er will nicht geschlagen haben. Er habe den 21-Jährigen gebeten, das Taxi zu bezahlen, das Geld würde er wiederbekommen. Dieser sei zum Taxifahrer gegangen, habe ihm das Portemonnaie hingestreckt. Als der Taxifahrer danach greifen wollte, habe der Ahauser ihm unvermittelt ins Gesicht geschlagen. Der Fahrer habe die Hände vor das Gesicht geschlagen und gesagt, er habe Familie. Dann habe der 21-Jährige ihm auch ins Gesicht getreten.

Warum er nicht eingeschritten sei, wollte der Richter von dem 29-Jährigen wissen. „Wenn bei ihm eine Sicherung durchbrennt, gehe ich nicht dazwischen.“

Der Taxifahrer sei aufgestanden und weggerannt. Der 21-Jährige habe ihn mit dem Auto verfolgt, der Fahrer sei im letzten Moment zur Seite gesprungen. „Wenn ich geschlagen habe, würde ich das zugeben“, beteuerte der 29-Jährige mehrfach.

Beide Ahauser gaben einen Schlag zu

Dass die Richter beiden Aussagen skeptisch gegenüberstanden, war deutlich zu merken. Denn im ersten Verfahren in Ahaus hatte der Taxifahrer deutlich unterschieden zwischen dem, der auf ihn einschlug, und dem, der das Auto fuhr. Außerdem lag den Richtern das Video der Innenraumüberwachung vor, inklusive Tonspur. Sie legten beiden Angeklagten nahe, ihr Aussagen zu überdenken.

Noch bevor der 29-Jährige angehört wurde, gab der 21-Jährige immerhin einen Faustschlag zu.

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Auch der 29-Jährige erläuterte später, er habe einmal zugeschlagen, aber nicht getreten. „Beide geben einen Schlag zu, das ist doch albern“, brachte es einer der Richter auf den Punkt. Nach einem eindringlichen Appell der Richterin gab der 29-Jährige zu, den Fahrer auch außerhalb des Taxis geschlagen zu haben. Die beiden Angeklagten erklärten sich zudem bereit, entstandene Kosten zu tragen.

Wohl viel Alkohol im Spiel

Deutlich zerknirscht wirkten sie dann, als das Video abgespielt wurde. Darauf ist zu sehen, wie dem Taxifahrer ins Gesicht geschlagen wird, zu hören sind Schreie, Diskussionen um den Fahrpreis, der Taxifahrer wird angezählt zu verschwinden, die Richter identifizierten die Stimme des 29-Jährigen.

Die Angeklagten hatten den Preis schon runtergehandelt, trotzdem schlugen sie auf den Fahrer ein. Der Richter fragte nach, warum er so behandelt wurde, obwohl er schon nachgiebig gewesen sei. Schulterzucken. Warum der 29-Jährige so gehandelt habe? „Ich denke zu viel Alkohol“, war die Antwort des Ahausers.

Auch ist in dem Video zu sehen, wie der 21-Jährige in das Auto steigt und lächelt. Von Panik keine Spur. Dass er jemanden voneinander trennen wolle, sehe man hier nicht, so eine Richterin.

Und der Staatsanwalt setzte am Ende sogar noch einen möglichen weiteren Anklagepunkt auf die Liste: räuberische Erpressung. Ob dieser aufgenommen wird, bleibt abzuwarten. Der Prozess wird fortgesetzt.