Heute sei an die „Westarbeiterinnen“, meist aus Flandern/Belgien, erinnert, die von 1941 bis 1945 im Canisiusstift in Ahaus untergebracht waren – einem von vier Lagern der „Westfälischen Jute-Spinnerei und -weberei van Delden“, die als „kriegswichtiger Betrieb“ im Zweiten Weltkrieg weit über 1000 Arbeiter beschäftigte.
Da die flämischen, wie auch niederländischen, Zwangsarbeiter nach der NS-Rassenideologie als „germanisches Brudervolk“ galten, waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen für sie etwas erträglicher als bei polnischen und sowjetrussischen so genannten „Fremdvölkischen“ in der Jutefabrik: Sie mussten keine diskriminierenden Abzeichen tragen und waren nicht hinter Stacheldraht eingesperrt. Auch durften sie Kontakt zu Einheimischen aufnehmen, wurden besser verpflegt und bekamen einen, wenn auch geringen, Lohn für ihre Arbeit in der Spulerei.
Beginn mit Kaffee und Kuchen
Familienheimfahrten waren ihnen zwar nicht gestattet, aber Briefe durften sie schreiben und empfangen. In Ahaus konnten sie sich in ihrer Freizeit frei bewegen. Meist waren sie daher im Schlosspark zu finden. Über die Stadtgrenzen hinaus durften sie allerdings nicht reisen.
Ab Mai 1941 hatte der Betriebsleiter der Jute, Willy van Delden, die Räume über der Turnhalle des Canisiusstifts zur Einquartierung der 59 Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren – davon 44 Fläminnen – gemietet. Die ersten am Ahauser Bahnhof ankommenden Frauen aus Flandern soll Willy van Delden sogar persönlich empfangen und mit Kaffee, Bienenstich und Rosinenbrot bewirtet haben.
Liebe in Kriegszeiten
Schwester Maria Josepha wurde zur Betreuung und Beköstigung der Frauen eingesetzt. Daraus entstand eine enge Beziehung zu einzelnen Arbeiterinnen, wie Elisabeth de Moor, die nbis weit nach dem Krieg bestand.
Auf Vermittlung der Nonnen verbrachten einige Fläminnen ihren arbeitsfreien Sonntag sogar in Ahauser Familien. Auf diese Weise lernte Martha de Schepper den Ahauser Hans Grimm kennen und gründete mit ihm 1945 eine Familie in Ahaus, wo sie im Alter von 82 Jahren im Jahr 2002 auch verstarb.
1944 wurde Martha de Schepper sogar einmal von der Gestapo verhaftet, weil sie den Brief einer Insassin aus einem anderen Lager verbotenerweise zu deren Eltern geschmuggelt hatte. Bevor sie in ein Konzentrationslager überstellt werden konnte, sorgte Willy van Delden für ihre Freilassung.
Folgenreicher Bombenangriff
Auch die „Westarbeiterin“ Helene Boulanger wurde 1943 eine Zeit lang inhaftiert, weil sie für ihren Mann, den sie in einem anderen Lager, wo er interniert war, besuchen durfte, drei Messer, eine Gabel, zwei Tassen und eine Wolldecke hatte mitgehen lassen. Bei einem Bombenangriff am 26. November 1944 auf das Canisiusstift wurden vier Zwangsarbeiterinnen aus Belgien getötet und mehrere schwer verletzt.
Da ihre Unterkunft nicht mehr bewohnbar war, flüchteten viele der Frauen zu Ahauser Familien oder kampierten in den Wäldern außerhalb der Stadt. Nach dem Krieg diente den in Ahaus verbliebenen Westarbeiterinnen zuerst die Viehhalle (heute „Bünings Schoppe“) kurzfristig als Unterkunft. Von dort ging es weiter in Lager bei Wesel oder Haltern – von den Briten wurden sie dann in ihre Heimat zurückbefördert.
In Zusammenarbeit mit dem Ahauser Stadtarchivar Max Pfeiffer und mit Hermann Löhring vom VHS-Arbeitskreis „Ahauser Geschichte 1933-1945“ erinnerte die Münsterland Zeitung ab Januar 2022 bis Februar 2023 monatlich jeweils an eine jüdische Familie aus Ahaus.
In den folgenden Monaten wird nun der verschiedenen Zwangsarbeitergruppen in der Jutefabrik van Delden im Zweiten Weltkrieg gedacht, zu denen die gebürtige Ahauserin Elke Große Vorholt schon vor über 20 Jahren geforscht hat. Ihr 2001 erschienenes Buch „Wir waren nicht freiwillig hier...“ ist inzwischen vergriffen. Hermann Löhring führt in jedem Semester einen Zwangsarbeiter-Rundgang für die VHS Ahaus durch.
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