Die Überraschung hatte sich Andreas Dönnebrink (71), langjähriger SPD-Fraktionsvorsitzender, für das Ende seiner Haushaltsrede aufgehoben: Es sei seine letzte im Ahauser Rat gewesen, sagte er am Mittwochabend. Damit sorgte er nicht nur bei Bürgermeisterin Karola Voß für ein erstauntes Gesicht. „Alles ist einmal zu Ende“, antwortete er auf ihre Nachfrage knapp.
Er werde ins zweite Glied zurücktreten, erklärte er unserer Redaktion am Donnerstag. Da er schon zu Beginn der Ratsperiode erklärt hatte, dass dies seine letzte Amtszeit im Rat werden solle, sei das für ihn der logische Schritt. „Und der saubere Schnitt“, machte er deutlich. Sowohl seinen Sitz im Rat als auch seine Funktionen in den Ausschüssen wolle er allerdings behalten.
Ihre Haushaltsreden hielten die Fraktionsvorsitzenden rund 80 Minuten lang praktisch für sich selbst: Auf die Zuschauertribüne im Ratssaal hatten sich zu Beginn des Tagesordnungspunktes neben Marco Schröder, Fachbereichsleiter Finanzen der Stadt Ahaus, lediglich zwei weitere Zuhörer verirrt. Online verfolgten zwischen 40 und 60 Zuschauer den Livestream der Ratssitzung.
Alle sechs Fraktionen und Reinhard Horst (WLA) waren sich über weite Strecken einig: Sie betonten die enorme Belastung, die einer Stadt wie Ahaus durch äußere Einflüsse aufgebürdet wird. Sei es durch die zurückliegenden Corona-Jahre oder die bis zum 24. Februar 2022 unvorstellbaren Auswirkungen durch einen Krieg mitten in Europa. Auch die Einführung von Bürger- und Wohngeld habe in der Verwaltung für enormen Mehraufwand gesorgt.
Ahauser Rat verliert Vorbildfunktion
Reinhard Horst (WLA) warf als alleiniger Vertreter seiner Wählergruppe im Rat am Ende ein Licht auf das Miteinander der Politiker: Die Streitkultur habe gelitten. Gerade beim Zwist um den ehemaligen Ersten Beigeordneten Hans-Georg Althoff seien manche Äußerungen sehr persönlich, zum Teil sogar beleidigend gewesen. „In der Vergangenheit wurde der Ahauser Rat von Räten der umliegenden Kommunen oft als Vorbild gesehen“, machte er deutlich. Das sei vorbei. „Es täte dem Rat sehr gut, wenn wir zu einer sachlichen Streitkultur zurückfinden würden“, betonte er.
Die übrigen Reden waren zuvor schon ohne diesen Appell betont sachlich: Dr. Michael Räckers (CDU) kritisierte, dass die Verwaltung mit der Abarbeitung der Projekte nicht hinterher komme. Mit den großen Projekten Wallstraße und Schlossgarten, dem Wohnungsbau in Alstätte und Wüllen und der Sanierung der Grundschulen in der Stadt müsse es endlich voran gehen.
Auch darauf werde seine Fraktion im Detail schauen. Mit einem „geht nicht“ aus dem Rathaus werde man sich nicht zufrieden geben. Es sei die Natur von Politik, durch Anträge gestalten zu wollen. Zu oft werde aber von der Verwaltung der Eindruck erweckt, der Rat sei eher lästig.
Wird Ahaus zum Ewig-Lager?
Für die UWG und ihren Fraktionsvorsitzenden Hubert Kersting wird die Befürchtung der Anfangsjahre des Brennelementezwischenlagers real: „Ahaus wird zum Ewig-Lager.“ Die Stadt müsse alle juristischen Wege weiter verfolgen.
Unabhängig vom Atommüll gehe es überall in der Stadt um die Umsetzung von mehr Klimaschutz. „Da muss auch mehr kommen als Palaver“, machte er deutlich. Sowohl was die Bereiche Offener Ganztag als auch die Sanierung der Schulen angeht. Gleichzeitig reiche das Personal im Rathaus einfach nicht aus, um die vielen Projekte umzusetzen.
Dietmar Eisele (Grüne) lobte die Verwaltung ausdrücklich, fand aber auch kritische Punkte: Trotz konstant hoher Steuereinnahmen und der guten Wirtschafts- wie Arbeitsmarktlage sei in Ahaus „mitnichten alles gut“. Ahaus halte auch unter schwierigen Bedingungen am Klimaschutzkonzept fest.
Andererseits ziehe sich wie ein roter Faden durch die vergangenen Haushalte, dass geplante Investitionen nicht ausgezahlt würden. „Sie alle haben einen ausgezeichneten Job gemacht.“ Zusammen mit dem Rat habe die Verwaltung in den Krisen gezeigt, wozu sie in der Lage sei. Dennoch müsse Ahaus neue Wege beschreiten und die Fahrtrichtung auf „Zukunft“ stellen.
Die SPD um Andreas Dönnebrink konnte sich mit dem Zahlenwerk nicht anfreunden. Sei es die Erhöhung von Steuern und Gebühren („Eine nicht tragbare Belastung für die Bürger“), die Ausweitung des städtischen Stellenplans an den falschen Stellen („Wir schieben zu viele Projekte vor uns her“) oder eine ganze Reihe von Anträgen seiner Fraktion, die im Vorfeld abgelehnt wurden: Die SPD lehne den Haushalt ab, werde aber mit eigenen Ideen weiter zur Zukunft von Ahaus beitragen.
Norbert Frankemölle (WGW) fokussierte sich gewohnt auf Wüllen: Teilweise seit 14 Jahren würden Bauwillige dort auf ein Grundstück warten. „In der Zeit haben sich die Baukosten verdoppelt“, klagte er. Das habe wenig mit Familienfreundlichkeit zu tun. Ebenso würden in Wüllen mehr Mehrfamilienhäuser als in jedem anderen Ortsteil genehmigt. „Der dörfliche Charakter wird immer mehr vernachlässigt“, erklärte er.
Christiane Gottheil (FDP) forderte, dass sich die Stadt in den aktuell unsicheren Zeiten auf das Notwendigste beschränken müsse. Bewusst hätten die Liberalen deswegen keine Anträge eingebracht. „Dass wir die Ausgleichsrücklage in Anspruch nehmen, muss eine absolute Ausnahme bleiben“, forderte sie.
8,9 Millionen Euro Defizit
Am Ende stimmte der Rat gegen vier Stimmen der SPD für die Haushaltssatzung: Die Stadt gibt demnach im laufenden Jahr 134,2 Millionen Euro aus, bei 125,4 Millionen Euro Erträgen.
Die Differenz von rund 8,9 Millionen Euro wird aus der Ausgleichsrücklage gedeckt. Dabei sind 33,5 Millionen Euro Investitionen vorgesehen: vor allem an den städtischen Schulen sowie Straßen und Kanälen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau von Radwegen nach dem Radverkehrskonzept.
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