Die Ahauser Regisseurin Eline Gehring (links) mit "Nico"-Hauptdarstellerin Sara Fazilat und Kamerafrau Francy Fabritz. Das Drehbuch schrieben alle drei gemeinsam.

Die Ahauser Regisseurin Eline Gehring (links) mit „Nico“-Hauptdarstellerin Sara Fazilat und Kamerafrau Francy Fabritz. Das Drehbuch schrieben alle drei gemeinsam. © UCM.ONE

Regisseurin Eline Gehring kommt mit ihrem Film „Nico“ zurück nach Ahaus

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Acht Jahre lang hat Eline Gehring an ihrem Film „Nico“ gearbeitet. Die Ahauser Regisseurin setzte bei dem Film besonders auf Diversität. Am Freitag (5. August) wird er im Cinema Ahaus gezeigt.

Ahaus

, 04.08.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eline Gehring sitzt im Freiluftkino in Berlin Kreuzberg. Sie ist „inkognito“. Niemand weiß, dass der Film, der gerade läuft, von ihr ist. Die Ahauserin ist Regisseurin und ihr Film „Nico“ räumte zahlreiche Filmpreise ab: Für ihre Rolle als namensgebende Deutsch-Perserin Nico, die von einem rassistischen Überfall plötzlich aus ihrem Alltag gerissen wird, wurde Hauptdarstellerin Sara Fazilat sogar für den deutschen Filmpreis nominiert. „Als ich merkte, wie die Leute lachten oder traurig wurden, hatte ich 90 Minuten Gänsehaut“, sagt die Regisseurin Eline Gehring über ihren heimlichen Kinobesuch.

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Am Freitagabend (5. August) bringt Eline Gehring „Nico“ dahin zurück, wo für sie vieles begann, nach Ahaus. Um 19 Uhr läuft ihr Film im Cinema Ahaus. „Ich komme in das Kino zurück, in das ich als Schülerin immer ging“, sagt sie. Als Kind der 90er-Jahre wuchs sie mit Hollywood-Streifen wie Bodyguard, Dirty Dancing oder Pretty Woman auf.

„Ich hatte eine ganz alte Kamera von meinem Vater. Damals gab es dafür noch kleine VHS-Kassetten“, erinnert sie sich. Referate in der Schule filmte sie damit lieber vorher aufwendig, als sich mit seinem Plakat vor die Klasse zu stellen. Für Filme interessierte sie sich schon damals, für die Schule eher weniger. Dementsprechend schlecht seien auch ihre Noten gewesen, erzählt sie.

8 Jahre und 6000 Euro Budget

Das Abitur am Alexander-Hegius-Gymnasium in Ahaus schafft sie trotzdem. Anschließend packt sie ihre Sachen und zieht direkt nach Berlin, um Film zu studieren. Dort angekommen, machte sie aber erstmal eine Ausbildung zur Mediengestalterin. Auch als sie später an der Deutschen Filmakademie studiert, verdient sie Geld weiter mit Videoschnitt. „Ich musste erstmal ein paar Lebenserfahrungen machen“, sagt sie heute.

Sara Fazilat spielt Nico, eine deutsch-persische Altenpflegerin, die plötzlich durch einen rassistischen Überfall aus ihrem Alltag gerissen wird.

Sara Fazilat spielt Nico, eine deutsch-persische Altenpflegerin, die plötzlich durch einen rassistischen Überfall aus ihrem Alltag gerissen wird. © UCM.ONE

Mit „Nico“ schafft die 38-Jährige den Sprung in die professionelle Filmbranche. Acht Jahre hat sie daran gearbeitet. Von der Idee bis zum finalen Schnitt. Dabei wurde der Film nur mit einem Budget von 6000 Euro gemacht. Diese Limitierung begriff sie als Chance, sich auf die Geschichte und Emotionen zu konzentrieren, weniger auf ein perfektes Bild. Viele Darsteller sind Laien, viele Gespräche improvisiert. „Vergesst die Technik und guckt, was euch selbst interessiert“, rät sie jungen Filmemacherinnen und Filmemachern.

So divers wie das Publikum

Das Drehbuch zu „Nico“ schrieb sie gemeinsam mit der Kamerafrau Francy Fabritz und Sara Fazilat, Hauptdarstellerin und gleichzeitig Produzentin von „Nico“. Zu dritt zu schreiben sei überhaupt nicht einfach gewesen, aber auch total schön. Mit ein paar Gläsern Gin Tonic saßen sie in der Küche von Francy Fabritz, dachten über Szenen nach und machten Kompromisse. „In der Zeit habe ich gelernt, loszulassen“, sagt Eline Gehring. „Am Ende muss ich als Regisseurin aber auch immer hinter dem Film stehen.“

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„Wir haben uns vorher gefragt, was wir im deutschen Film vermissen“, erklärt sie. Dabei kamen sie schnell auf die Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus und Sexismus, auf neue Perspektiven und auf Diversität. Bei „Nico“ ist das anders. „Wir wollen so divers wie die Menschen sein, die unseren Film sehen“, sagt die Regisseurin.

Eline Gehring bringt ihren Film "Nico" ins das Ahauser Kino, in welches sie selbst als Schülerin ging.

Eline Gehring bringt ihren Film „Nico“ in das Ahauser Kino, in das sie selbst als Schülerin ging. © UCM.ONE

Bei der Arbeit am Film musste Eline Gehring ganz ehrlich zu sich selbst sein. Das war auch schmerzhaft. Sie habe auch den Sexismus und Rassismus hinterfragen müssen, den sie selbst erlernt hat. „Themen wie Diversität und Rassismus werden auch weiterhin bei mir auftauchen“, sagt sie mit Blick auf zukünftige Produktionen.

Die Berufskrankheit, Filme nicht mehr genießen zu können, sondern immer analysieren zu müssen, habe sie nicht: „Als Dune ins Kino kam, habe ich die Tage gezählt und mit einer riesigen Tüte Popcorn und einer Cola im Kino gesessen“.

Blockbuster sei für die kein Schimpfwort. Im Gegenteil. „Ich will da auch hin und große Produktionen machen, im Idealfall ein guter Mix aus Art House und Unterhaltung“.

Frauen im Film gefragt wie nie

„Gerade sind Frauen gefragt wie nie“, sagt sie. Viele Produktionsfirmen haben inzwischen Richtlinien für mehr Diversität. Auch im klassisch-deutschen Tatort führen regelmäßig Frauen Regie. Das war lange anders. Trotzdem sei die Branche noch lange nicht da, wo sie sein könnte.

Bis zu einem Verhältnis von rund 50/50, bei dem niemand mehr wegen seines Geschlechts schlechtere Chancen habe, könne es noch ein oder zwei Dekaden dauern, ist ihre Einschätzung. Mitleid mit den vielen Männern, die gerade Angst bekommen, habe sie nicht: Die hätten Jahre lang von einem unfairen System profitiert.

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Wie oft sie „Nico“ schon gesehen hat, weiß Eline Gehring gar nicht. „Wie fast alle Regisseurinnen und Regisseure finde ich es schwierig, das eigene Werk zu schauen“, sagt sie. „Meist gehe ich nach der Hälfte raus und komme erst am Ende wieder.“

Wenn „Nico“ am Freitag im Cinema Ahaus läuft, würde sie sich natürlich freuen, ein paar Gesichter von früher wiederzusehen. „Ich hoffe, dass ein paar Leute kommen“, sagt sie. Auch über zehn Besucherinnen und Besucher wäre sie schon glücklich.

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