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Rat entscheidet sich für mehr Grundstücke und gegen die Weiden
Baugebiet Wüllen-Nord 2
Die Weiden im Norden von Wüllen sollen zugunsten von Baugrundstücken im Gebiet Wüllen-Nord 2 fallen. Nach zweistündiger Diskussion gab es im Rat für diesen Plan eine vorhersehbare Mehrheit.
Gut zwei Stunden hat der Rat der Stadt Ahaus am Donnerstag über den zweiten Abschnitt des Baugebiets Wüllen-Nord debattiert. Angenähert haben sich die unterschiedlichen Lager dabei nicht. Teils wurde die Diskussion auch giftig.
Am Ende stimmte die Mehrheit aus CDU, FDP und WGW für die maximal mögliche Zahl der Grundstücke – und damit gegen den Erhalt der viel diskutierten Kopfweiden. UWG, SPD, Grüne und Reinhard Horst hatten versucht, Kompromisse zwischen Wohnbebauung und Erhalt der Weiden zu erzielen. Dabei wurden sie jeweils von CDU, FDP und WGW überstimmt.
Alternative Varianten finden keine Mehrheit
SPD und Grüne hatten eigene Entwürfe für das Baugebiet im Wüllener Norden vorgelegt und dabei den Erhalt der Weiden eingeplant. Diese Vorschläge hätte die Verwaltung aber erst noch im Detail ausarbeiten müssen. Auch eine neue Diskussion im Bauausschuss wäre nötig geworden. Das alles hätte viel Zeit gekostet. Abgelehnt.
Auf breiter Linie verteidigte die CDU ihren Standpunkt gegen den Erhalt der Weiden. „Es geht darum, das Dorf zu entwickeln und damit zukunftsfähig zu machen“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Michael Räckers. Dafür brauche es Grundstücke. Auch bleibe in der geplanten Variante ja ein Grünanteil von 40 Prozent. „In der Argumentation scheinen auch die alten Bäume auf der Hofstelle keine Rolle zu spielen. Die würden in allen anderen Varianten gefällt“, sagte er. Über die Form des Wohnens in der Zukunft müsse man an anderer Stelle diskutieren.

Bürgermeisterin Karola Voß vor der Ratssitzung im Gespräch mit Demonstranten, die sich für den Erhalt der Weiden eingesetzt haben. Ihr war daran gelegen, eine möglichst sachliche Diskussion zum Baugebiet Wüllen Nord 2 zu führen. Das gelang nicht immer. © Stephan Rape
Für Johannes Terhaar (CDU) spielte vor allem der zeitliche Aspekt eine große Rolle: „Die Planung im ersten Abschnitt von Wüllen-Nord hat Jahrzehnte gedauert“, sagte er. Auch der zweite Abschnitt ziehe sich schon ewig. Es müsse endlich vorangehen. Eine erneute Prüfung im Ausschuss verzögere alles nur weiter. Und am Ende stehe man wieder am Anfang: „Wir kommen um die Variante A nicht herum“, sagte er.
Christiane Gottheil (FDP) ergänzte, dass Ahaus sich immer familienfreundlich darstelle. „Wie passt das damit zusammen, wenn wir keine Grundstücke zur Verfügung stellen?“, fragte sie.
Wie soll zukünftiges Wohnen aussehen?
Spannender als die eigentlichen Entwürfe für das Gebiet Wüllen-Nord waren aber die Argumente für zukünftiges Bauen und Wohnen in Ahaus.
Andreas Dönnebrink (SPD) warb beispielsweise dafür, strikte Vorschriften für Wohngebiete zu lockern, etwa für die Dachneigung. Dadurch wäre auf weniger Grund- mehr Wohnfläche möglich. „Diese Vorschriften sind einfach nicht mehr angebracht“, erklärte er.
Um die Größe der geplanten Grundstücke ging es Klaus Löhring (Grüne): „Einige Münsterländer können anscheinend weder in Doppelhaushälften noch auf Grundstücken, die kleiner als 500 Quadratmeter sind leben“, erklärte er. Die Zeiten, in denen Grundstücke 600 Quadratmeter oder größer sein müssten, seien einfach vorbei. Ein Bauherr müsse nicht auf mehr als 120 Quadratmeter Wohnfläche leben.
Hubert Kersting (UWG) wollte für neue Grundstücke nicht auf Naturschutz verzichten. Die wegfallenden Grundstücke ließen sich durch weitere Baugebiete kompensieren. Etwa am Ammelner Weg.

Die Diskussion um das Baugebiet hat viele Zuschauer in die Ratssitzung gelockt. Nach der knapp zweistündigen Debatte, verließ ein Großteil von ihnen die Stadthalle. © Stephan Rape
Das brachte wiederum Hermann-Josef Haveloh (WGW) auf den Plan: Schon vor 40 Jahren seien Wüllenern Grundstücke am Ammelner Weg versprochen worden. „Die sind heute Oma und Opa“, sagte er. Auch sei es besser, neue Bäume zu pflanzen, als Weiden zu erhalten, die in fünf oder acht Jahren ohnehin gefällt werden müssten. Ein Baumsachverständiger habe ihm gesagt, dass die Bäume so oder so bald absterben würden. Thomas Hammwöhner, Technischer Beigeordnete der Stadt Ahaus, widersprach ihm: „Unser Gutachter sagt, dass die Weiden vital sind“, machte er deutlich.
Eingriff in persönliche Entwicklung
Und es wurde auch persönlich: Als Klaus Löhring etwa sagte, dass er mit seiner Familie in einer 110-Quadratmeter-Doppelhaushälfte genug Platz habe. Davon fühlte sich Christian Rudde (CDU) als Vater von vier Kindern angegriffen: „Ich brauche eben ein größeres Haus“, sagte er. Die Größe eines Hauses vorzuschreiben, greife ihm doch deutlich zu stark in die persönliche Entwicklung der Familien ein.
Franz Benölken (CDU) setzte noch einen drauf: Ihm komme es vor, als würde immer noch Wahlkampf herrschen. „Ich dachte, wir wollten hier produktiver arbeiten“, sagte er. Es gehe darum, den Plan auszulegen, um voranzukommen. Erst der Antrag auf Ende der Debatte von Dr. Michael Räckers setzte dem langen Hin und Her ein Ende.
Thomas Hammwöhner betonte in der Diskussion mehrfach, dass es sich bei den vorgestellten Planungen zunächst nur um städtebauliche Entwürfe handele. Detailplanungen – etwa die Größe und der Zuschnitt der Grundstücke – würden erst in einem nächsten Planungsschritt erstellt. Natürlich könne die Stadt auf ihren Flächen kleinere Grundstücke ausweisen. Auf die Grundstücke, die nicht von öffentlicher Hand vergeben werden, habe die Stadt allerdings keinen Einfluss.
Christiane Betting, eine der Initiatorinnen der Online-Petition für den Erhalt der Weiden, ist am Tag nach der Abstimmung vom Ergebnis nicht besonders überrascht. Allerdings sei sie über die Art der Diskussion geschockt. Auch sei sie persönlich angefeindet worden. Das müsse sie erst einmal verdauen, bevor sie sagen könne, wie es aus ihrer Sicht nun weiter gehe. Sie selbst aber auch Vertreter der Bewegung Fridays for Future hatten sich noch in der Sitzung am Abend für den Erhalt der Bäume eingesetzt.
Nächste Schritte in der Planung
- Der weitere Zeitplan sieht laut Thomas Hammwöhner nun so aus: In ein bis zwei Wochen werde die Offenlage der Unterlagen bekannt gegeben. Nach einer Woche Wartezeit werden sie dann für vier Wochen auslegt. In dieser Zeit können Einwendungen dagegen vorgebracht werden.
- Die werden dann wiederum von der Verwaltung bearbeitet und zusammengefasst. Danach kommt das Thema für den Satzungsbeschluss wieder in den Rat. „Realistischerweise nach den Sommerferien“, sagt er.
- Bis der erste Baum in dem besagten Gebiet fällt, vergehe noch mehr Zeit. „Vorher müssen ja auch noch die Ersatzpflanzungen angelegt werden“, erklärt er.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
