Kurz nach dem Überfall auf die Goldschmiede Engels sichert die Kriminalpolizei Spuren: Zwei junge Männer aus Rotterdam, 17 und 22 Jahre alt, haben das Geschäft überfallen. Kurze Zeit später klicken die Handschellen.

© Stephan Rape

Mathias Engels (62) schildert den Überfall auf seine Goldschmiede

rnRaubüberfall

Zwei Männer überfallen am Mittwochmorgen die Goldschmiede Engels, schlagen auf den Inhaber ein, stehlen Schmuck im Wert von 100.000 Euro. Mathias Engels schildert die schrecklichen Augenblicke.

Ahaus

, 16.02.2022, 17:58 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es ist kurz nach halb drei am Nachmittag, als Mathias Engels die Hintertür zu seiner Goldschmiede in der Ahauser Innenstadt öffnet. Äußerlich völlig gefasst schildert der 62-jährige Goldschmiedemeister, wie am Morgen zwei 17 und 22 Jahre alte Männer sein Geschäft überfallen haben.

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„Ich wollte eine Mitarbeiterin zur Tür hereinlassen“, sagt Mathias Engels und deutet auf die zerschlagene Eingangstür. Als er der Frau die Tür öffnet, kommt von der Straße ein Mann vor die Schaufenster gelaufen. Da ist es gerade 9.20 Uhr, wenige Minuten sind es noch bis zur regulären Öffnungszeit.

Der Mann rutscht aus, fällt hin. Perplex beginnt Mathias Engels einen Sekundenbruchteil zu spät, die Tür wieder zu schließen. Ein zweiter Mann rennt auf die Tür zu, stößt sie auf. Mathias Engels wird in die Ecke neben der Tür gedrängt.

Mathias Engels (62), hier auf einem Archivbild, hat den Überfall relativ unbeschadet überstanden. Dennoch sitzt der Schreck noch tief. Am Donnerstag möchte er sein Geschäft wieder regulär öffnen.

Mathias Engels (62), hier auf einem Archivbild, hat den Überfall relativ unbeschadet überstanden. Dennoch sitzt der Schreck noch tief. Am Donnerstag möchte er sein Geschäft wieder regulär öffnen. © Archiv

„Da ging dann schon die Schlägerei los“, sagt er im Rückblick. Immer wieder habe er Schläge ins Gesicht bekommen. „Es ging mir nur darum, nicht ohnmächtig zu werden“, sagt er. Er habe sich nach Kräften gewehrt. Mit dem Mann gerungen. „Meine letzte Schlägerei hatte ich irgendwann als Schulkind“, räumt er ein.

Täter trug Plastikhandschuhe: Rutschten die Schläge ab?

Dennoch kann er den Mann eine ganze Weile beschäftigen. Der Mann habe Plastikhandschuhe getragen. „Ich hab das Gefühl, dass die Schläge irgendwie abgerutscht sind. Schmerzen hatte ich erstaunlicherweise überhaupt nicht“, erklärt Mathias Engels.

Inzwischen brenne sein Gesicht, auch die Arme täten weh. „Aber ich konnte mich wehren“, sagt er und wirkt einen Augenblick trotz allem zufrieden. Dabei habe er lautstark um Hilfe gerufen.

In der Zwischenzeit rennt der zweite Mann mit einem schweren Vorschlaghammer zu den Trennscheiben, die den Geschäftsraum von den Schaufenstern trennen. Er schlägt eine Scheibe genau vor den wertvollen Niessing-Schmuckstücken ein. „Ich hab das nur aus dem Augenwinkel gesehen“, sagt Mathias Engels. Der zweite Täter habe jedenfalls in aller Seelenruhe das Schaufenster ausgeräumt.

Als der Mann mit dem Hammer kommt, flieht er Richtung Werkstatt

Beide Männer hätten sich etwas zugerufen. Verstanden habe er sie nicht. Auch könne er die Sprache nirgends einsortieren.

Erneut aus dem Augenwinkel habe er dann gesehen, wie der Mann mit dem Vorschlaghammer auf ihn zugekommen sei. „Da bin ich nach hinten in Richtung Werkstatt geflüchtet“, sagt er. Seine vier Mitarbeiterinnen hatten sich dorthin vorher schon in Sicherheit gebracht und den Alarm ausgelöst.

Von innen hat einer der beiden Täter mit einem Vorschlaghammer gegen die Eingangstür geschlagen. Zeugen hatten sie zugehalten. Erst als der Mann zuschlug und dann noch mit der Waffe auf sie zielte, ließen sie die Tür los.

Von innen hat einer der beiden Täter mit einem Vorschlaghammer gegen die Eingangstür geschlagen. Zeugen hatten sie zugehalten. Erst als der Mann zuschlug und dann noch mit der Waffe auf sie zielte, ließen sie die Tür los. © Stephan Rape

„Ich sage ihnen immer wieder, dass niemand den Helden spielen soll. Der Schmuck ist versichert. Die Hauptsache ist, dass niemand verletzt wird“, erklärt er. Warum er an diesem Tag selbst anders handelt, kann er nicht richtig erklären. „Das war Adrenalin“, sagt er. Er habe nur reagiert.

Durch die Tür in die Ecke gedrängt

Dietmar Brüning von der Pressestelle der Polizei im Kreis Borken schildert es nach der Durchsicht der Überwachungsvideos so: „Ihm blieb gar keine Chance. Der Täter hat ihn direkt in die Ecke gedrängt und auf ihn eingeschlagen“, sagt er.

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Polizei nimmt zwei Männer nach Überfall auf Goldschmiede Engels fest

Ein Überfall auf die Goldschmiede Engels hat am Mittwochmorgen und -vormittag Ahaus in Atem gehalten. Gegen 9.20 Uhr hatten zwei Männer die Goldschmiede an der Marktstraße überfallen. Dabei fielen auch Schüsse. Einen Täter konnte die Polizei schnell festnehmen, weil ein Zeuge ihn verfolgt und festgehalten hatte. Der zweite Mann wurde um 11.15 Uhr am Ahauser Bahnhof festgenommen.
16.02.2022

Mathias Engels jedenfalls habe sich in der Werkstatt in Sicherheit gebracht – um dann dort festzustellen, dass der Schlüssel von außen steckte. Einschließen kann er sich nicht. Auf dem Überwachungsvideo sei zu sehen, wie der Täter mit dem Vorschlaghammer erst auf die Tür zuläuft, dann aber doch kehrtmacht.

Passanten halten Tür zu und können einen Täter stellen

Durch Hilferufe alarmiert halten einige Passanten zunächst die Tür zu dem Geschäft von außen zu. Einer der Täter wird dabei sogar eingeklemmt. Erst als der zweite Täter schließlich mit dem Vorschlaghammer von innen gegen die Scheibe schlägt und dann auch noch mit einer Waffe auf sie zielt, lassen sie die Tür los. Die Täter flüchten zu Fuß.

Das weitere Geschehen kann Mathias Engels nicht mehr wiedergeben. „Als die weg waren, habe ich mich vor der Tür einfach auf den Boden gesetzt“, schildert er. Völlig außer Atem sei er gewesen. Das habe sich bis zum Nachmittag wieder gelegt, erklärt er. Passanten hätten sich um ihn gekümmert.

Was außerhalb der Marktstraße geschieht, erschließt sich aus dem Bericht der Polizei: Zwei Passanten nehmen die Verfolgung eines der Täter auf. Am Parkplatz des Heinrich-Albertz-Hauses an der Hindenburgallee holen sie ihn schließlich ein.

Täter gibt Schuss ab – wie sich herausstellt aus einer Gaspistole

Der Mann zielt wieder auf sie, gibt auch einen Schuss ab. Nach einem kurzen Schockmoment bringen sie den Mann zu Boden und können ihm die Waffe entreißen.

Erst später stellt sich heraus, dass es sich „nur“ um eine Gaspistole handelte. Sie können den Mann schließlich so lange festhalten, bis die Polizei eintrifft.

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Laut Polizei ist dort auch das Fluchtfahrzeug geparkt. Ein schwarzer Peugeot mit niederländischen Kennzeichen. Der Zeuge übergibt den Polizisten die Tüte mit erbeuteten Schmuckstücken. Die hatte der Flüchtige zuvor in einen Mülleimer geworfen. Das Auto, die Waffe sowie der Schmuck werden sichergestellt.

In der Zwischenzeit ist eine Großfahndung eingeleitet. Vom zweiten Täter fehlt zunächst jede Spur. Mit massiven Kräften auch aus Borken und Gronau sowie einem Hubschrauber sucht die Polizei Ahaus ab.

Am Bahnhof werden sie schließlich fündig: Gegen 11.15 Uhr klicken dort zum zweiten Mal die Handschellen. Herkunft und Kleidung des zweiten Mannes passen zur Beschreibung.

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Die Polizei nimmt die beiden Männer, ein 17- und ein 22-jähriger Mann aus Rotterdam, in Gewahrsam.

Mathias Engels will am Donnerstag wieder ganz normal öffnen

Mathias Engels kommt am Nachmittag langsam wieder herunter, sagt er. Das schwere Rollgitter vor der Tür ist hinuntergelassen, das Licht ist gedimmt. Verkauft wird hier heute nichts mehr. Die Scherben vom Morgen sind jedoch schon wieder weggeräumt.

Etliche Passanten bleiben vor der Tür stehen. Blicken staunend auf die zerstörte Tür und die ausgeräumte Auslage. Mathias Engels beobachtet sie von innen. „Hauptsache ist, dass niemand verletzt wurde“, sagt er mehr zu sich selbst.

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Vor 25 Jahren habe er schon einmal mit Verbrechern zu tun gehabt. Damals seien die Täter nachts in das Geschäft eingebrochen. Er habe sie in die Flucht geschlagen. Und doch sei das etwas völlig anderes gewesen.

Am Donnerstag will er sein Geschäft wieder öffnen. Parallel beginne er mit der Inventur, um genau zu erfassen, was gestohlen wurde. Auf rund 100.000 Euro schätzt er den Wert der Beute.