Kein Land in Sicht bei Verteil- und Sortierzentren
Poststreik
Die Briefkästen bleiben leer. Angeblich kommen noch 80 Prozent der Post pünktlich an. Doch die Meldungen über wochenlang verwaiste Briefkästen häufen sich. Eine ganze Flotte von Postautos steht den ganzen Tag auf dem Hof der Post in Ahaus, statt unterwegs zu sein. Diesen Eindruck bestätigen inzwischen - hinter vorgehaltener Hand - auch mehrere Mitarbeiter der Deutschen Post. Die Ahauser werden langsam wütend.

Auch bei der Post in Ahaus sollen sich im Moment die nicht ausgelieferten Pakete türmen.
Lothar Schneider, Rentner aus Wüllen, zum Beispiel: Er habe auch schon in seiner Nachbarschaft - der Dykstegge - gefragt. "Dort hat seit über drei Wochen keiner mehr Post bekommen", sagt er gestern am Telefon. Auch wenn sie die streikenden Post-Mitarbeiter ein Stück weit verstehen können.
"Das Verteilzentrum in Reckenfeld säuft ab", sagte einer im Gespräch mit der Münsterland Zeitung. Dort wird eigentlich die Post für Ahaus sortiert. Eigentlich. Denn im Moment herrsche dort das absolute Chaos. Sogar zusätzliche Hallen habe die Post anmieten müssen. Nur um unsortierte Sendungen zu lagern.
Keine Gangfolge mehr
Natürlich will er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Eigentlich dürfe er überhaupt nichts dazu sagen. Das habe er - wie alle anderen Post-Mitarbeiter auch - unterschrieben. Dennoch schildert er seine Eindrücke: Die Post für einzelne Bezirke werde nicht mehr in Gangfolge sortiert, sondern wenn überhaupt nur noch grob in die Bezirke sortiert. Gangfolge bedeutet, dass die Post so sortiert wird, dass die Zusteller sie entsprechend ihrer Lauf- oder Fahrradroute in der Tasche haben. Große Mengen von Post türmen sich auch noch komplett unsortiert.
"Da arbeiten eben keine Fachleute mehr im Sortierzentrum", sagt er, "die kriegen das nicht hin." Stattdessen greife die Post auf Aushilfskräfte zurück. "Das stimmt", sagt Post-Pressesprecher Rainer Ernzer. "Pakete aufs Band legen oder Maschinen füttern ist auch ohne längere Ausbildung möglich", sagt er. Man versuche eben, die Lücken, die jeden Tag durch den Streik gerissen werden, irgendwie zu schließen.
Blanke Übertreibung
Er bleibt dabei, dass täglich noch rund 80 Prozent der gesamten Post pünktlich komme. Und vor allem die Produktionsstätten - also die großen Verteil- und Sortierzentren - liefen ziemlich gut. Auch das für Ahaus.
Für den Postmitarbeiter ist das eine blanke Übertreibung. Er geht davon aus, dass nur etwa ein Viertel oder gar nur ein Achtel der Post überhaupt bis Ahaus durchkommt. Mittlerweile würden sogar Taxifahrer von der Post beauftragt, Pakete auszuliefern. "Natürlich nur die von den Premiumkunden wie Amazon oder Zalando", sagt er.
Ausschreibungen für Transportfahrten
Das stimme so nicht, hält die Pressestelle dagegen: "Es hat Ausschreibungen für Transportunternehmen gegeben. Aber nicht für die Zustellung", erklärt Ernzer. Bei diesen Ausschreibungen sei es ausschließlich um Transportfahrten zwischen Poststandorten oder etwa die Leerung von Briefkästen gegangen. "Und dafür haben sich unter anderem auch Taxifahrer beworben. Für die Zustellung greife die Post aber nur auf eigenes Personal aus Verwaltung oder Vertrieb zurück.
Wieviele Mitarbeiter aktuell in Ahaus oder einzelnen Bezirken streiken, mochte er gestern nicht abschätzen. "Das ändert sich täglich", so Ernzer. Eine Beobachtung, die der Mitarbeiter so teilt. Selbst wenn der Streik morgen zu Ende wäre, geht der davon aus, dass es noch Monate dauert, bis alles wieder sortiert ist und die Zustellung problemlos läuft. Schließlich stapele sich selbst in Ahaus die Post schon, so ein anderer Postmitarbeiter aus Ahaus.
Herausforderung
Dem wiederum widerspricht Ernzer vehement. Darüber könne niemand eine seriöse Aussage treffen. Natürlich sei es eine Herausforderung, und natürlich ginge das nicht von heute auf morgen, von Monaten könne aber keine Rede sein. "Wir wollen die Folgen des Streiks so schnell es geht beseitigen", sagt Ernzer.
Und dann fügt er hinzu: "Jedem, der auf Post wartet, ist damit natürlich nicht geholfen, dennoch ist es eine Riesenleistung, immer noch jeden Tag rund 80 Prozent pünktlich zuzustellen." Wie die Pressestelle auf 80 Prozent pünktlicher Lieferung komme, bleibt auch den Post-Mitarbeitern in Ahaus ein Rätsel.