Jede Woche faire Woche
Kiosk für Schüler
Christoph Gerwers verkauft an seinem mobilen Kiosk ausschließlich fair gehandelte Produkte. Für den 57-Jährigen ist das eine Lebenseinstellung.

Wenn die Schüler des Berufskollegs Pause haben, beginnt für Christoph Gerwers an seinem Kiosk die Arbeit.
Donnerstagvormittag, 11.14 Uhr. Christoph Gerwers zieht das Garagentor an seinem Haus Ecke Kusenhook/Nachtigallenweg hoch und schaltet das Radio ein. Der 57-Jährige rollt den aus Paletten zusammengehauenen Verkaufsstand aus der Garage in die Einfahrt. Ein Sonnenschirm spendet Schatten. Eine zufällig vorbeikommende Passantin deckt sich mit Kaffee und einem Frikadellenbrötchen ein.
11.15 Uhr, Pause am Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung. Die Schüler strömen aus dem Gebäude auf den Vorplatz. Etliche wechseln die Straßenseite und gehen zum mobilen Kiosk von Christoph Gerwers. Seit zwei Jahren verkauft der Ahauser dort ausschließlich fair gehandelte Produkte.
Raus aus dem System
„Damals sah ich die Schüler und dachte, okay, die trinken doch bestimmt mal gerne Kaffee. Aber wenn, dann nur fair gehandelten.“ Gerwers Denkweise hat einen Grund: „Ich bin Naturtrainer. Dabei geht es auch um Themen wie Nachhaltigkeit.“ Vorher war Christoph Gerwers über 20 Jahre lang als Elektrotechniker für ein Ahauser Unternehmen weltweit tätig. „Irgendwann passte das mit meiner Work-Life-Balance nicht mehr zusammen. Ich bin dann aus dem System rausgegangen und mache jetzt mein eigenes Ding.“
Der Job als Kioskbetreiber ist ein Teil davon, die Tätigkeit als Naturtrainer ein weiterer. Gerwers kam über die Naturerlebnisschule in Raesfeld mit diesem Berufsfeld in Verbindung. Stichwort Verbindungen: um die geht es, wenn Gerwers seine Seminare hält. „Ich verbinde Menschen innerhalb der Natur.“ Das geht mit Teamtrainings, mit Führungen oder Waldspaziergängen.
Soziale Kompetenz, Natur- und Selbstkompetenz
Am heutigen Freitagnachmittag zum Beispiel verbindet Gerwers bei einem Projekt der Caritas Menschen mit Fluchthintergrund und Einheimische miteinander. „Gemeinsam im Wald spielen, Teamaufgaben lösen, Spaß haben, sich bewegen, darum geht es.“ Draußen sein, das ist Gerwers wichtig. „Draußen ist ein anderes Setting, als wenn man in festen Räumen ist. Es geht um soziale Kompetenz, Naturkompetenz und Selbstkompetenz.“ Gerwers bringt es auf den Punkt: „Am Lagerfeuer fühlt es sich einfach besser an, als wenn man abends vor dem Fernseher sitzt.“
Von der Natur ist es nur ein kleiner Schritt zur Nachhaltigkeit. „Wenn, dann musste das hier diese Richtung haben“, sagt Christoph Gerwers, deutet auf seinen Verkaufsstand und meint den Beginn 2015. Gerwers fand damals einen Kaffeehandel für faire Produkte und nahm Kontakt zur Fair Handelsgesellschaft in Münster auf. Der Kontakt zur Steuerungsgruppe „Fairtrade-Stadt Ahaus“ ist sporadisch.
11.18 Uhr, die ersten Frikadellenbrötchen gehen über den Tisch, Gerwers schenkt Kaffee ein und verkauft Müsliriegel, Cookies und Milchmischgetränke. „Natürlich ist es nicht abwegig, dass ich Geld verdienen will“, sagt er. „Es muss ja was übrigbleiben.“ Der Becher Kaffee kostet einen Euro, das Frikadellenbrötchen zwei. „Ich treibe die Marge aber nicht hoch. Fair bezieht sich auch auf einen fairen Preis und einen fairen Umgang miteinander.“
Offen für Themen
Das spüren die Schüler, wenn Christoph Gerwers mit ihnen spricht. „Sie erleben es schon mal, dass ich sauer werde, wenn der Müll nicht in den Mülleimer, sondern auf die Straße geworfen wird.“ Letzens, erzählt er, nahmen einige Schüler freiwillig den Müll der anderen mit. „Die jungen Menschen sind offen für diese Themen, sie hören zu und stellen Fragen.“ Dann geht es an seinem Kiosk zum Beispiel um die Lebensverhältnisse von Kaffeebauern in Südamerika oder um weltweite Warenströme. Doch die Zeit zum Plaudern ist begrenzt. Gerwers öffnet den Kiosk ausschließlich in der Schulzeit morgens von 7.30 bis 8 Uhr und zu den jeweils 15-minütigen Pausen des Berufskollegs: von 9.30 bis 9.45 Uhr, von 11.15 bis 11.30 und von 13 bis 13.15 Uhr. Natürlich hat er einen Gewerbeschein, „die Lebensmittelüberwachung war auch schon da“. Schließlich verkauft er, wenn auch verpackt, besagte Brötchen.
Die Kundschaft, ab 16 Jahre aufwärts, findet den Job von Gerwers „cool“. Dass das Milchmischgetränk aus Biovollmilch und fair gehandelter Schokolade von einem Hamburger Start-Up-Unternehmen kommt, ist eher zweitrangig. „Die Milch schmeckt super“, das ist wichtig. Aktuell wünschen sich die Schüler Tee. Den hat Christoph Gerwers noch nicht im Angebot. „Aber bald. Erst muss es draußen noch ein bisschen kälter werden.“ 11.29 Uhr, der letzte jugendliche Kunde in dieser Pause nimmt einen Müsliriegel und legt wortlos passend Geld auf die Theke. Christoph Gerwers nickt. „Passt.“ So wie das ganze Miteinander. Fair geht nun mal vor.