Michel Pieper-Weitze (17) aus Graes würde gerne den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie wieder aufbauen. Doch in der momentanen Situation macht ihm das große Sorgen. Josef Büning, Landwirt aus Ahle, kann das nur zu gut verstehen. Gemeinsam haben sie am Montagabend nahe der Autobahn für die Interessen der Landwirte demonstriert.

Michel Pieper-Weitze (17) aus Graes würde gerne den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie wieder aufbauen. Doch in der momentanen Situation macht ihm das große Sorgen. Josef Büning, Landwirt aus Ahle, kann das nur zu gut verstehen. Gemeinsam haben sie am Montagabend nahe der Autobahn für die Interessen der Landwirte demonstriert. © Stephan Rape

Demonstration: Jugendliche aus der Landwirtschaft fürchten um ihre Zukunft

rnTraktordemo

Für ihre Zukunft haben am Montagabend Landwirte demonstriert. Allerdings nur am Rand von Landstraßen. Denn auf den Autobahnbrücken hatte die Polizei ihnen die Aktion verboten.

Ahaus, Heek, Legden

, 19.07.2022, 14:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Michel Pieper-Weitze will Landwirt werden. Der 17-jährige Graeser hat noch ein Jahr Ausbildung vor sich. Dann möchte er zuhause richtig investieren. „Mein Traum war immer, den Hof meiner Familie wieder aufzubauen“, sagt er. Doch die Zukunft sieht für ihn längst nicht so rosig aus, wie er sich das wünscht.

Zusammen mit rund 20 Jugendlichen aus der Landwirtschaft und einer Reihe von Schleppern steht Michel Pieper-Weitzel am Montagabend an der Ahauser Landstraße auf einem Grünstreifen direkt gegenüber der Autobahnabfahrt.

Sie alle sind potentielle Nachfolger auf den Höfen ihrer Eltern, arbeiten in der Landwirtschaft, machen dort ihre Ausbildung. Aus Graes und Alstätte, Ahle, Heek und Nienborg, sogar aus Schöppingen und Stadtlohn sind sie zum Treffpunkt gekommen.

Aufklärung für Menschen weit jenseits der Landwirtschaft

Über ihre Sorgen wollen sie die Menschen, die wenig bis nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, aufklären. Große Transparente an den Traktoren weisen darauf hin. Es sind die Schlagworte, mit denen die Bewegung „Land schafft Verbindung“ (LSV) seit einigen Jahren auf den Bauernprotesten unterwegs ist: „Ideologie macht nicht satt“, „Bauerntod bringt Menschennot“, „Sprecht mit uns, nicht über uns“ haben sie auf Kipper und Frontlader geschrieben.

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Etliche Auto- und LKW-Fahrer hupen, als sie an der Gruppe vorbei fahren. Einige bleiben sogar kurz stehen, loben die Aktion oder sprechen den Jugendlichen Mut zu.

Keine Freigabe für die Autobahnbrücken

„Eigentlich wollten wir uns auf die Autobahnbrücken stellen, damit uns auch Menschen von außerhalb sehen“, sagt Michel Pieper-Weitze. Doch das hatte die Polizei am Mittag untersagt.

Solidarität mit Landwirten, die in den Niederlanden gerade für ihre Zukunft demonstrieren, und Hoffnung auf eine sichere Zukunft: Auch in Legden haben sich am Montagabend Landwirte und Jugendliche an den Protesten beteiligt.

Solidarität mit Landwirten, die in den Niederlanden gerade für ihre Zukunft demonstrieren, und Hoffnung auf eine sichere Zukunft: Auch in Legden haben sich am Montagabend Landwirte und Jugendliche an den Protesten beteiligt. © Stephan Rape

Zu gefährlich, die Autofahrer auf der Autobahn könnten zu stark abgelenkt werden. Außerdem hätten die schmalen Autobahn-Brücken zwischen Heek und Legden komplett gesperrt werden müssen, wenn sie mit Traktoren vollgestellt würden.

Vor einer Woche hatten sie die Brücken schon einmal besetzt. Ohne Anmeldung. Das hätte ihnen die Polizei dieses Mal nicht noch einmal durchgehen lassen. Als Ersatz eben die kleine Demonstration am Rand der Straße. Auch die hat die Polizei im Blick, bleibt aber sehr gelassen.

„Alles friedlich, die nehmen ja nur ihr Demonstrationsrecht wahr. Alles in Ordnung“, sagt einer der Beamten, die das Geschehen von einer Feldzufahrt auf der anderen Straßenseite beobachten.

Strenge Vorgaben und hohe Kosten treffen auf leere Portemonnaies

Die Sorge der Jugendlichen: Der Landwirtschaft wird die Zukunft genommen. „So ähnlich wie in den Niederlanden“, sagt Michel Pieper-Weitzel. Josef Büning nickt. „Die Verbraucher sind nicht bereit, höhere Preise zu zahlen. Oder sie können es wegen der aktuellen Krise ganz einfach nicht“, sagt er.

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Gleichzeitig würden den Landwirten strenge Vorgaben gemacht, nach denen sie arbeiten müssen. „Und wir bekommen das leere Versprechen, dass wir unsere Produkte ja zu höheren Preisen verkaufen können“, fügt er hinzu. Dabei falle der Markt für Fleisch und Bioprodukte gerade komplett in sich zusammen. „Gerade erst hat ein Discounter wieder für günstiges Schweinefilet geworben“, sagt er. Das werde aus Chile importiert. „Da kriegt man einfach die Wut“, sagt er.

Rund 20 überwiegend Jugendliche aus der Landwirtschaft haben am Montagabend nahe der Autobahnauffahrt an der Ahauser Landstraße demonstriert. Sie wollten Autofahrer über ihre Sorgen aufklären. Eigentlich wollten sie sich auf den Autobahnbrücken postieren. Doch das hatte die Polizei nicht genehmigt.

Rund 20 überwiegend Jugendliche aus der Landwirtschaft haben am Montagabend nahe der Autobahnauffahrt an der Ahauser Landstraße demonstriert. Sie wollten Autofahrer über ihre Sorgen aufklären. Eigentlich wollten sie sich auf den Autobahnbrücken postieren. Doch das hatte die Polizei nicht genehmigt. © Stephan Rape

Die Landwirte aus der Region haben Sorge, dass es ihnen in Zukunft so geht wie ihren niederländischen Kollegen, die seit einigen Wochen auf der Straße demonstrieren. „Die werden ja praktisch enteignet“, sagt Josef Büning. Direkt vergleichbar sei die Situation in Deutschland nicht. Stattdessen werde der Landwirtschaft in Deutschland einfach die Wirtschaftlichkeit entzogen. „Das Ergebnis ist das gleiche. Landwirtschaftliche Betriebe verschwinden“, fügt er hinzu.

Zweite Ausbildung in Industrie oder Handwerk?

Michel Pieper-Weitzel mag sich noch nicht vorstellen, was das für ihn bedeutet. Eine rote Linie, bis zu der er gehen will oder ab der er sich für eine andere Karriere entscheiden will, hat er sich noch nicht gesetzt. „Der Weg wäre ja klar“, sagt er. Eine zweite Ausbildung, ein Job in der Industrie oder im Handwerk. Eine Notlösung, an die er aber eigentlich noch nicht denken möchte. „Ich lasse das auf mich zukommen. Zu verlieren habe ich ja nichts“, erklärt er schulterzuckend.

Die Verbraucher hätten den Bezug zur Realität in der Landwirtschaft verloren. „Die Älteren haben vielleicht eine Landwirtschaft wie im Bilderbuch vor Augen. Die Jüngeren haben komplett keine Ahnung“, sagt einer aus der Gruppe. Michel Pieper-Weitzel nickt wieder. Das habe er letztens erst wieder erlebt, als er beim Tag des offenen Hofes mit Schulkindern gesprochen habe. „Deren einzige Frage war, ob die Kühe ‚Bio‘ sind“, erklärt er.

Solidarität mit niederländischen Landwirten

Ortswechsel: Auch am Ortseingang von Legden haben sich Jugendliche und Erwachsene aus der Landwirtschaft mit Maschinen auf einem Acker aufgestellt. Auch dort haben sie ähnliche Slogans angebracht.

„Schon traurig, dass wir nicht auf den Brücken stehen dürfen“, sagt Maik Brügging (39). Aber das sei jetzt nicht mehr zu ändern. Schon jetzt werde die Landwirtschaft in die Ecke gedrängt: In Naturschutz-, Fauna-Flora-Habitat- oder Vogelschutzgebieten dürfte nicht mehr gegen Unkräuter gespritzt werden. „Da wird dir die Fläche praktisch enteignet“, sagt er. Gleichzeitig wollen die Landwirte Solidarität mit den niederländischen Kollegen zeigen.