Jochen Meyer (53), Gründer und Geschäftsführer von Mediabeam hat aus der Not eine Tugend gemacht: Sein knapp 30-köpfiges Team arbeitet mittlerweile komplett aus dem Homeoffice: "Remote-Only", wie er es nennt. Eine neue Organisation, die viele Vorteile aber auch viele neue Aufgaben mit sich bringt.

© Stephan Rape

Beste Entscheidung in 20 Jahren: Jochen Meyer erfindet Unternehmen neu

rnGlücksserie

Homeoffice ist für viele in der Pandemie notwendiges Übel. Für Mediabeam-Gründer Jochen Meyer ist der Schritt raus aus dem festen Büro die beste Entscheidung seit 20 Jahren. Ein Glücksgriff.

Ahaus

, 23.02.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Homeoffice ist einer der Begriffe, die mit der Pandemie in den täglichen Wortschatz herübergewandert sind. Nach fast zwei Jahren Pandemie haben wir unsere Nutzerinnen und Nutzer gefragt: „Mensch, wie glücklich bist Du?“ Und gut ein Drittel der Menschen, die in Ahaus und den Ortsteilen geantwortet haben, arbeiten zumindest zeitweise im Homeoffice. Ihre Erfahrungen, die sie damit gemacht haben, sind breit gestreut.

Jetzt lesen

Ganz weit am positiven Ende der Skala sortiert sich Jochen Meyer ein: „Der Weg ins Homeoffice war eine der besten Entscheidungen, die ich in den vergangenen 20 Jahren getroffen habe“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Wir erreichen ihn per Videokonferenz.

Mit seinem Unternehmen Mediabeam ist er einen noch radikaleren Schritt gegangen, als die Corona-Schutzverordnung es verlangt hat. Das Unternehmen verzichtet inzwischen komplett auf Arbeitsplätze in einem festen Büro. „Wir sind ein Remote-only-Unternehmen“, sagt der Geschäftsführer. Die rund 30 Mitarbeiter arbeiten ausschließlich im Homeoffice.

Eine Entscheidung, die er ohne die Pandemie, ohne Kontaktbeschränkungen und Zwang von außen so wohl nie getroffen hätte. „Manchmal muss man eben ins kalte Wasser geworfen werden“, sagt er lachend. Klar, auch vor Corona konnten seine Mitarbeiter schon flexibel arbeiten. Sie waren mit der notwendigen Technik ausgestattet, die Abläufe waren eingespielt.

Kleinere und größere Ruckler zu Beginn der Homeoffice-Phase

Trotzdem kam es zu Beginn des Lockdowns zu kleineren Rucklern: technisch wie menschlich. Die technischen Probleme wurden schnell aus der Welt geschafft: Mitarbeiter bekamen auch für zuhause höhenverstellbare Tische geschenkt, die Büroeinrichtung wurde komplett geplündert und auf die Mitarbeiter verteilt. „Da dachten wir ja noch, dass das Thema Lockdown und Homeoffice nach ein paar Wochen erledigt ist“, erklärt er.

Doch bei der Arbeit aus der Ferne kamen die Vorteile zum Tragen: Die Produktivität stieg, das Firmenklima veränderte sich. Entscheidungen würden inzwischen basisdemokratisch getroffen. Die Hierarchie – früher klassisch dreigliedrig: Geschäftsführung, leitende Angestellte, Mitarbeiter – wurde aufgelöst. „Je mehr wir losgelassen haben, desto besser organisierte sich das Team“, sagt Jochen Meyer.

Einige menschliche Schwierigkeiten sind geblieben: Für gut zehn Prozent der Mitarbeiter sei „remote only“ nicht optimal. Sie bräuchten intensive Betreuung durch Kollegen. Von einem Mitarbeiter der ersten Stunde habe sich das Unternehmen trennen müssen. „Eigenbrötler sind Gift für Remote-Teams“, sagt Jochen Meyer. Ein herber Rückschlag, dafür sei das Team danach stärker als vorher gewesen.

„Die größte Hürde ist, dass sich das Team nicht aus den Augen verlieren darf“, macht er deutlich. Bei Mediabeam hat er das durch Teamwettbewerbe gelöst. Oder durch gemeinsame Spaziergänge. Oder durch eine täglich Videokonferenz, bei der geschäftliche Themen absolut keine Rolle spielen dürfen.

„Da geht es um betriebsferne Themen. Um Hobbys, den Urlaub, das Tagesgeschehen oder wir lösen ein Rätsel zusammen“, sagt er. Einen Gesprächstermin mit ihm in dieser Zeit zu bekommen sei unmöglich. „Die Zeit halte ich mir frei“, erklärt er.

Der Schritt „remote“ zu arbeiten, also ohne einen festen Firmensitz, ohne feste Büros helfe dem Unternehmen noch an einer anderen Ecke: Bei der Suche nach Fachkräften. „Wir können deutschland-, ja europaweit suchen“, sagt Jochen Meyer.

Jetzt lesen

Ein großer Teil in Ahaus, ein Mitarbeiter allerdings auch aus Duderstadt, einer sogar aus Bulgarien. Auch Jochen Meyer ist hochmobil: „Ich war mit meiner Frau gerade erst sechs Tage lang im Wohnmobil unterwegs“, sagt er. Natürlich nicht im Urlaub, sondern arbeitend. Klar, das sei etwas beengter als im festen Büro, dafür sehe man eben etwas von der Welt.

Ungefähr die Hälfte der Tage arbeitet er von unterwegs

„Ungefähr die Hälfte der Tage sind wir so unterwegs“, erklärt er. Ob das Unternehmen auf lange Sicht weiter in Ahaus angesiedelt ist, kann er noch nicht sagen. „Bis auf weiteres ja“, sagt er. Aber ihn halte nichts an Ort und Zeit. Klar sei nur, dass der Firmensitz in Deutschland bleibe. „Wir verkaufen Sicherheit“, sagt Jochen Meyer.

Jochen Meyer hat Mediabeam 1999 in Ahaus gegründet. Deutschlandweit ist es eigenen Angaben nach inzwischen der drittgrößte E-Mail-Anbieter. Nur 1&1 und die Telekom hosten mehr E-Mail-Konten. Dabei stellt Mediabeam seine Technik anderen Unternehmen zur Verfügung, als sogenannte „White-Label-Lösung“. Wer etwa ein E-Mail-Konto von Vodafone hat, nutzt Technik von Mediabeam.

Wandel ist geglückt, es geht nicht zurück ins Büro

Was auch immer passieren mag: Eins ist für Jochen Meyer zu 100 Prozent sicher: „Wir werden keinesfalls wieder eine Office-Company“, sagt er. Offen ist noch, was mit den aktuell leerstehenden Büros passiert. „Der Mietvertrag läuft noch 2,5 Jahre“, erklärt Jochen Meyer. Für Ideen ist er offen. Auch an der Arbeitszeit soll sich noch etwas tun. „Es geht nicht um reine Arbeitsstunden, sondern um Schaffenszeit“, macht er deutlich.

Jetzt lesen

Er sieht aber auch ein, dass er mit seinem Unternehmen eine Sonderrolle spielt: „Wir arbeiten 100 Prozent des Tages am Computer und müssen den Schreibtisch nicht verlassen.“ Das sei eben auf andere Branchen nicht übertragbar. Und: „Wir hatten Glück, dass der Wandel bei uns geklappt hat. Es hätte

auch nach hinten losgehen können.“