Barbara Menge hat Generationen von Kindern verzaubert
Unvergessen
Fassungslos denken noch immer viele an den Tod von Barbara Menge zurück: Ein Hirnaneurysma ließ sie in ein Koma fallen, aus dem sie nicht mehr erwachte. Was bleibt, ist die Erinnerung.
Wenn durch den Tod eines Menschen aus der Wirklichkeit der Begegnung nur noch Erinnerung wird, erwächst neben der Trauer eine Erkenntnis: Mit dem Alter kommt die Zeit, dass man zunehmend an Gräbern steht – bis alle am eigenen stehen. Unabdingbar. Das „Nie mehr“ einer Begegnung, der Liebe, der Freundschaft kann einen überfordern. Und es ist die Erinnerung, die sich diesem „Nie mehr“ entgegenstemmt.
Ihr viel zu früher Tod macht fassungslos
Als am 24. November 2021 mit 58 Jahren die Leiterin der Fröndenberger Kita Herz Jesu, Barbara Menge, starb, gesellte sich zu diesem Verlust die Fassungslosigkeit über ihren frühen Tod. Plötzlich und unerwartet das Ereignis, das dazu führte: Ein Hirnaneurysma im September ließ sie in ein Koma fallen, aus dem sie nicht mehr erwachte. „Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet“, erinnert sich ihr Bruder Friedrich Wilhelm Menge. Sechs Wochen zuvor war beider Vater im Alter von 90 Jahren gestorben, das Schicksal meinte es im vergangenen Jahr nicht gut mit den Menges.
Bis dahin hatte das Schicksal es allerdings gut gemeint mit den Kindern, die die katholische Kita Herz Jesu besucht haben. Seit 1988 leitete Barbara Menge die Einrichtung, und aus diesem Jahr rühren auch die Erinnerungen von Annika Sparbrod. „Ich hab‘ 1988 als Vierjährige auf ihrem Schoß gesessen, und ich muss mich heute noch zusammenreißen, wenn ich an ihren Tod denke. Sie hat mich damals verzaubert. Liebevoll und herzlich hat sie jedes Kind angenommen, wie es war. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich sie gefragt habe: ,Wenn meine Mama tot wäre, würdest du meine neue Mama werden?‘“ Fast drei Jahrzehnte später, als es darum ging, in welche Kita die Sparbrods nun ihre Kinder schicken sollten, fiel eine einmütige Entscheidung: „Heute geht es ja viel um Konzepte und so. Aber für uns kam nur Herz Jesu mit Frau Menge in Frage.“ Barbara Menges Konzept war dann doch kein Exposé, keine geplante Vorgehensweise – es kam von tiefer innen und ist umschrieben mit Warmherzigkeit.

Ein Foto, das an die Kindergartenzeit von Annika Sparbrod erinnert. Über Barbara Menge sagt sie: „Sie hat mich damals verzaubert.“ © privat
„Sie hat keinen Unterschied zwischen privat und Beruf gemacht“, sagt Heiner Redecker, Gemeindereferent der St. Marien-Gemeinde in Föndenberg, „sie hat nie auf die Uhr geschaut. Fast 30 Jahre haben wir uns gekannt, und sie fehlt mir sehr.“ Die Kita sei ihr Ein und Alles gewesen - was aber nicht heißt, dass sich ihre Arbeitslust darauf beschränkt hätte. Hilfe bei der Kommunion, der Wallfahrtsvorbereitung, bei der Frühschicht und dem Abendlob, beim Krippenbau in der Vorweihnachtszeit gehörten zu ihren saisonalen Arbeitsabläufen. „Sie war sehr tief im Glauben und hat viel Kraft daraus geschöpft. Sie konnte unschöne Dinge gut ertragen, blieb dabei aber immer freundlich und kommunikativ.“ Eine Gabe, wenn es Schwieriges zu regeln gab. Wenn Kinder beispielsweise in der Kita Auffälligkeiten zeigten, weil es zuhause nicht stimmte. Barbara Menge habe „einen guten Blick für Probleme gehabt“.
Belesene Frau mit viel Sinn für Humor
Sie malte gut, und sie konnte wunderbar Gebete schreiben. „Nach ihrem Tod hat es manchmal geheißen: ,Wenn Barbara jetzt hier wäre, die wüsste, wie man das formulieren könnte…‘“, erinnert sich Redecker. Ist sie aber nicht mehr, weil aus Wirklichkeit Ewigkeit geworden ist. Beim nächsten Krippenbau wird ihm ein Spielchen fehlen, dass sie alljährlich mit ihm veranstaltete. „Sie hat immer einen kleinen Fehler eingebaut, den ich finden musste.“ Mal lugte aus dem Stroh der Krippe ein Schnapsflaschenverschluss hervor, mal war es ein Bonbonpapier in der Tasche eines Hirten.
Noch weiter aber reichen die Erinnerungen von Friedrich Wilhelm Menge zurück an eine Schwester, von der er sagt: „Sie hat eindeutig zu wenig Sport gemacht und eindeutig zu viel gelesen!“ Nicht ganz ernst gemeint, aber so wird deutlich, wie sehr sie die Literatur liebte. „Sie hatte bestimmt 100 Meter Bücher in ihren Regalen.“ Ein ausgeglichenes Leben habe sie gehabt. „Das Abenteuer hat sie nicht gesucht. Sie war gerne da, wo sie war“, sagt er. Fröndenberg, St. Marien, Herz Jesu – drei Begriffe für einen festen Stand im Leben. Für alles andere gab es noch Wangerooge, wo sie im Urlaub den Strand rauf und runter gelaufen sei. Apropos Kindergarten: „Da hatte sie als Kind überhaupt nicht reingewollt, sie ist einfach nicht hingegangen.“ Sie brauchte es auch nicht, Mama war ohnehin zuhause, es ging dann ohne. War ja nicht schlimm, Barbara Menge hatte später genügend Zeit es nachzuholen.
Was bleibt, ist die Erinnerung
Nachzuholen gibt es heute nichts mehr. Es gibt kein „hätte“, es gibt nur ein „nie mehr“, so schwer es auch fällt, weil ihr Tod das Leben vieler in Fröndenberg durchkreuzt hat. Aber es gibt die Erinnerung. An Barbara Menge ist sie verbunden mit einer warmen Melancholie.