
© Victoria Garwer
Ausgangssperre Nacht eins: Richtig leer sind die Straßen in Ahaus nicht
Bundesnotbremse
Seit Samstagabend 22 Uhr gilt im Kreis Borken eine nächtliche Ausgangssperre. Redakteurin Victoria Garwer war spät abends in Ahaus unterwegs und hat mit Passanten gesprochen.
Samstagabend, 21.44 Uhr. Ich verlasse das Haus und setze mich ins Auto. Noch 16 Minuten, dann tritt die Ausgangssperre in Kraft. Für mich gilt eine Ausnahme, denn als Journalistin darf ich auch nachts meinen Beruf ausüben und für diesen Artikel recherchieren.
Ich wundere mich, wie voll die Straßen um diese Uhrzeit noch sind. Schnell höre ich auf, die Autos und Fahrradfahrer zu zählen. Es sind einfach zu viele. Gefühlt kommen mir sogar mehr Fahrzeuge entgegen als tagsüber. Ich frage mich, wo all diese Menschen waren und ob sie nun im Auto sitzen, um rechtzeitig vor Beginn der Ausgangssperre zu Hause zu sein.
Drei Zugreisende am Ahauser Bahnhof
22 Uhr. Ich bin am Bahnhof in Ahaus angekommen. Eine Infotafel weist auf die Maskenpflicht hin. Kein Wort zur Ausgangssperre. Züge dürfen schließlich auch weiterhin fahren. Um 22.19 Uhr fährt der letzte Zug des Tages ein. Die Türen öffnen sich, zwei Männer und eine Frau steigen aus. Im Zug sehe ich noch drei Personen, die weiter Richtung Enschede fahren.

In Ahaus wartet am Samstagabend niemand auf den letzten Zug, der trotz Ausgangssperre gefahren ist. © Victoria Garwer
Ich spreche einen Mann mittleren Alters an und frage ihn, wieso er so spät abends unterwegs ist. „Ich war beruflich in Süddeutschland“, sagt er. Er darf also noch draußen sein. Aber wie würde er das bei einer Kontrolle nachweisen? „Ich habe ja das Zugticket, da sehe ich überhaupt kein Problem.“
Danach unterhalte ich mich mit Hamid, der ebenfalls in dem Zug saß. Er nennt mir auch seinen Nachnamen, doch den veröffentliche ich an dieser Stelle nicht, damit er keine Probleme bekommt. Denn er verstößt in diesem Moment gegen die Ausgangssperre und das weiß er.
„Das tut mir so Leid, das war alles anders geplant“, sagt er auf Englisch. Er war zu Besuch bei Freunden in Bochum und wollte eigentlich schon um kurz nach neun wieder zu Hause sein. „Aber ich war zwei Minuten zu spät am Bahnhof und habe den Zug verpasst“, erzählt er.
Schnellrestaurant früher geschlossen als sonst
Ich setze mich wieder in mein Auto, es ist kalt geworden. Der Bordcomputer zeigt eine Temperatur von 8 Grad. Zu kalt für eine Gartenparty, denke ich. Trotzdem öffne ich das Autofenster, als ich durch ein Wohngebiet fahre. Es ist ruhig. Keine Musik, kein Stimmengewirr. Die meisten Fenster sind dunkel, nur ab und zu ist das Flackern eines Fernsehers zu sehen.
Auch beim McDonalds an der Heeker Straße ist das Licht der Außenreklame inzwischen aus. In der Küche sind noch zwei Mitarbeiter zu sehen, doch bei meiner Fahrt durch den Drive-In bekomme ich die Information, dass ich in dieser Nacht hier kein Essen mehr bekommen werde. Normalerweise ist die Filiale samstagsnachts bis 5 Uhr morgens geöffnet, wegen der Ausgangssperre ist heute früher zu. Offenbar gäbe es aber trotzdem Kunden, denn hinter mir warten zu diesem Zeitpunkt noch zwei weitere Fahrzeuge.
Gassigehen, Fahrradfahren und Joggen ist erlaubt
Es ist 22.48 Uhr, die Straßen sind jetzt deutlich leerer als noch vor einer Stunde. In der Ahauser Innenstadt treffe ich eine junge Frau. Sie ist mit ihrem Hund unterwegs – wie immer um diese Uhrzeit. „Wenn ich morgens ausschlafen will, muss er spätabends nochmal raus“, sagt sie. Sie ist sich zwar nicht ganz sicher, aber sie geht davon, dass das trotz Ausgangssperre erlaubt ist. Damit hat sie Recht. Die Versorgung von Tieren ist ein sogenannter triftiger Grund.

In der Innenstadt war es relativ leer. Nur vor dem Kaufhaus Berken haben sich einige junge Männer getroffen. © Victoria Garwer
Ein anderer Passant in der Innenstadt hingegen scheint die Regeln ganz genau zu kennen. „Ich bin joggen“, sagt er grinsend auf die Frage, warum er noch unterwegs ist. Sportkleidung trägt er jedoch nicht. „Naja, aber falls jemand nachfragt, jogge ich gerne ein paar Meter zum Beweis“, meint er und lacht. Die Regelung des Bundes erlaubt sportliche Betätigung alleine zwischen 22 und 24 Uhr. Auch Spazierengehen wäre übrigens erlaubt.
Eine andere Passantin erzählt mir, dass sie heute extra mit dem Fahrrad zu ihrer Freundin gefahren sei. „Dann ist es ja bis Mitternacht erlaubt. Mit dem Auto dürfte ich aber nicht mehr fahren“, erklärt sie. „Völliger Schwachsinn“, lautet ihr Fazit.
Nach 23 Uhr deutlich weniger Autos auf den Straßen
Plötzlich höre ich mehrere Stimmen und das Klirren von Glas. Vor dem Kaufhaus Berken sitzen fünf junge Männer. Sie unterhalten sich laut miteinander. Keiner von ihnen trägt eine Maske. Ich spreche sie nicht an, denn die Männer wirken betrunken und ich bin alleine unterwegs.
An der Tankstelle an der Wüllener Straße bin ich um kurz nach elf die einzige Kundin. Ich tanke und gehe rein zum Bezahlen. Der Kassierer erzählt mir, dass schon jetzt zu merken sei, dass deutlich weniger los ist auf den Straßen. Dennoch wird die Tankstelle wie gewohnt rund um die Uhr geöffnet sein.

Auf der Bahnhofstraße begegnen unserer Redakteurin immer wieder Autos. Es werden jedoch weniger, je später es wird. © Victoria Garwer
Gegen 23.15 Uhr mache ich mich auf den Weg nach Hause. Jetzt begegnen mir deutlich weniger Autos als noch vor eineinhalb Stunden. Nur drei Fahrzeuge zähle ich auf den 17 Kilometern zwischen Ahaus und Vreden. Ob das an der Ausgangssperre liegt oder ob der Verkehr um diese Zeit immer so aussieht, kann ich nicht beurteilen. So spät abends war ich schon lange nicht mehr unterwegs.
Mitarbeiter von Polizei oder Ordnungsamt habe ich an diesem Abend übrigens nicht gesehen, nicht einmal einen einzigen Streifenwagen.
Als gebürtige Vredenerin habe ich mich aus Liebe zur Region ganz bewusst für den Job als Lokaljournalistin in meiner Heimat entschieden. Mein Herz schlägt für die Geschichten der Menschen vor Ort. Ich möchte informieren, unterhalten und überraschen.
