
© Tobit.Labs
Aufhaus geschlossen: Mann erbeutet Waren im Wert von 20.000 Euro
Digitales Kaufhaus
Ein Ahauser soll im Aufhaus Waren im Wert von 20.000 Euro gestohlen haben. Dumm: Er hinterlässt seine Personalien. Die Ermittlung zieht sich. Trotzdem soll das Aufhaus bald wieder öffnen.
Seit Mitte Dezember ist das Aufhaus geschlossen. Nicht weil das Konzept nicht funktioniert oder weil niemand dort einkaufen geht.
Schuld soll ein notorischer und extrem dreister Ladendieb sein, der sich auch von einem Hausverbot oder Ermittlungen der Polizei nicht abhalten lässt. Das erklärt Tobias Groten, Gründer und CEO der Tobit.Labs, die das Aufhaus betreiben.
Was er erzählt, ist eine Geschichte von Dreistigkeit – und einem recht sorglosen Umgang eines Ladendiebs mit persönlichen Daten. Aber von Anfang an: Zuerst Ende September und an mehreren Tagen im Oktober, dann wieder im Dezember sucht ein Ahauser das Aufhaus auf. Bezahlen möchte er offenbar nicht.

Im Moment sind die Türen zum Aufhaus noch fest verschlossen – seit Mitte Dezember. Wegen mehrerer Ladendiebstähle. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dazu sind inzwischen abgeschlossen. Das Aufhaus soll in fünf bis zehn Tagen wieder öffnen. © Stephan Rape
Im Aufhaus bieten sowohl die Tobit.Labs als auch private wie gewerbliche Anbieter Artikel an. Die Bezahlung erfolgt digital über die Chayns-App. Zutritt bekommt nur, wer sich mit einem personalisierten Chayns-Account an der Tür anmeldet. Beim Verlassen des Gebäudes werden die persönlichen Daten an einem Drehkreuz erneut erfasst. Verkaufspersonal gibt es nicht. Allerdings ist das ganze Gebäude kameraüberwacht.
Kameras schrecken mutmaßlichen Ladendieb nicht ab
Davon lässt sich der mutmaßliche Ladendieb offenbar nicht irritieren: Auf 20.000 Euro summieren die Tobit.Labs den Wert seiner Beute. Vor allem Smartphones, aber auch ein hochwertiger E-Scooter oder eine Video-Drohne. Dabei habe der Mann auch Vitrinen eingeschlagen.
Alles von Videos und Fotos dokumentiert. An mindestens sechs Tagen sei der Mann im Aufhaus gewesen und habe unterschiedliche Dinge gestohlen.
Mann hinterlässt digital seine kompletten Personalien
Dabei soll es sich um einen 28-jährigen Ahauser handeln. Denn: Die Tobit.Labs können die Polizei mit umfangreichen Daten über den Verdächtigen versorgen. Er habe sich anfangs nämlich nicht nur mit seinem eigenen Chayns-Account Zutritt zum Aufhaus verschafft.

Erst nutzte er seinen eigenen Chayns-Zugang, dann den von Bekannten oder einen gefälschten. Einige Male soll er auch über das Drehkreuz geklettert sein. Auch ein Hausverbot oder Ermittlungen der Polizei hielten den Mann nicht von weiteren Taten ab. © Tobit.Labs
Er habe dort auch sämtliche Daten hinterlegt: Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer. Selbst die Nummer seines Personalausweises habe er dort eingetragen. Weil er mehrfach Schnelltests auf das Coronavirus über die Chayns-App gebucht und abgewickelt habe.
Gleichzeitig hätten ihn die Überwachungskameras bei seinen Taten gefilmt. Die Identifikation sei also eindeutig. Die Tobit.Labs zeigen den Fall an. Die Polizei nimmt Ermittlungen auf. Doch auch das hält den Mann laut Aussagen der Tobit.Labs nicht von weiteren Diebstählen ab.
Nachdem das Unternehmen seinen Zugang sperrt, habe er dann neue Zugänge gefälscht oder die von Bekannten genutzt. Auch ein deutlich ausgesprochenes Hausverbot hält den Mann demnach nicht von weiteren Taten ab.
Tobit.Labs ziehen die Notbremse und schließen das Aufhaus
Die Tobit.Labs ziehen schließlich Mitte Dezember die Notbremse und schließen die Türen. Auf der Internetseite des Aufhauses heißt es zur Begründung: „Zum Schutz der Waren. Vor allem aber zum Schutz unserer Kuratoren und Kunden schließen wir unser Aufhaus nun vorübergehend, bis uns eine – legale – Idee eingefallen ist, wie wir uns alle vor diesem ungebetenen Gast schützen können.“
Denn die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ziehen sich hin. Der Ahauser Anwalt Peter Mensing hat sich im Auftrag der Tobit.Labs mit dem Fall beschäftigt und sich mit der Staatsanwaltschaft ausgetauscht.
Und er ist selbst überrascht, in welchem Tempo der Fall verfolgt wurde. Auch wenn es von außen einen anderen Anschein haben mag.

Tobias Groten, Gründer und CEO der Tobit.Labs, bei der Präsentation des Aufhaus im April 2021. Bei dem digitalen Kaufhaus handele es sich auch um ein Experiment, wie Menschen mit der Digitalisierung umgehen. Das soll in fünf bis zehn Tagen fortgeführt werden. Dann sollen sich die Türen wieder öffnen. © Stephan Rape (A)
„Natürlich wünscht man sich, dass so ein Verfahren schneller geht“, erklärt Peter Mensing. Doch das sei kaum möglich. Mehr noch: In diesem Fall sei es sogar vergleichsweise schnell gegangen.
Staatsanwaltschaft schließt Ermittlung ab
Denn: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Münster zu dem Fall sind inzwischen abgeschlossen. Das erklärt Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt auf Nachfrage unserer Redaktion. Zum weiteren Verlauf des Verfahrens macht er in dieser Woche aber keine Angaben.
Auch Benedikt Vieth, Direktor des zuständigen Amtsgerichts Ahaus, könne aktuell zum Stand des Verfahrens nichts sagen. Das erklärt er am Donnerstag gegenüber unserer Redaktion.
Wäre denn nicht bei einer derartigen Zahl von Taten, der hohen Wiederholungsrate und den so eindeutigen Hinweisen auf die Identität des Täters auch Untersuchungshaft, also ein Haftbefehl infrage gekommen?
„Dafür gibt es keinen Grund. Da hat der Staatsanwalt recht“, sagt selbst Peter Mensing. Die Anordnung einer Untersuchungshaft sei gesetzlich ganz klar geregelt.
Sie berücksichtigt neben anderen Punkten auch die zu erwartende Strafe: „Erst wenn pro Delikt eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu erwarten ist, kommt ein Haftbefehl in Frage“, sagt er. Und das auch nur, wenn weitere Bedingungen erfüllt sind. Wenn also etwa Verdunklungsgefahr bestehe, weil ein Täter fliehen könnte.
Aufhaus soll bald wieder öffnen – ohne Sicherheitsdienst
Ein mögliches Gerichtsverfahren wollen Tobias Groten und die Tobit.Labs nicht abwarten. Sie beschäftigen sich jetzt mit der Wiedereröffnung des Aufhauses.
In fünf bis zehn Tagen könne es so weit sein. Gleichzeitig könne sich auch inhaltlich und bei den Ausstellern noch etwas tun. Denn das Aufhaus sei ja vor allem ein Experiment.
Ein Experiment, um zu erfahren, wie Menschen mit digitaler Transformation umgehen und beispielsweise auf ein Kaufhaus ohne Verkäufer reagieren.
Dieser Fall habe viele Erkenntnisse gebracht, die auch helfen, die Systeme und Software zu verändern und zu verbessern. Und er amüsiert Tobias Groten tatsächlich: „Man muss sich da wirklich fragen: Wie dumm muss man sein, dass man denkt, man sei auch in einer digitalen Welt anonym, indem man sich eine Mütze aufsetzt und eine Maske vor den Mund macht?!“
Eins ist für ihn klar: „Unser Ansatz ist es nicht, dass wir nun einen Sicherheitsdienst einsetzen.“
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
