
© Mediabeam
Homeoffice: Entscheidend ist, dass das Wir-Gefühl nicht verloren geht
Arbeiten im Homeoffice
Auch in Ahaus arbeiten derzeit viele Menschen statt vom gewohnten Arbeitsplatz aus den heimischen vier Wänden. Wir haben bei einem IT-Unternehmen in Ahaus nachgefragt, worauf es dabei ankommt.
Jochen Meyer ist Geschäftsführer des Ahauser Unternehmens Mediabeam. Die Firma ist unter anderem E-Mail-Anbieter, entwickelt Kommunikationslösungen und betreibt ein Rechenzentrum. Der Firmenchef setzt schon seit Jahren – nicht erst in der Corona-Krise – auf Homeoffice. Wir haben ihn gefragt, worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei achten müssen.
Herr Meyer, beginnen wir mit der unvermeidlichen Frage, wie sehr Mediabeam von der Corona-Krise getroffen wird.
Zunächst einmal bin ich begeistert darüber zu sehen, wie Menschen in diesen Zeiten füreinander einstehen. Den vielen Menschen, die „den Laden am Laufen halten“ gebührt genauso unser Dank wie denen, die sich so besonnen und ruhig verhalten.
In dieser Situation ist es mir ehrlich gesagt unangenehm zuzugeben, dass wir – wie die meisten IT-Unternehmen – aktuell sehr ausgelastet sind. Wir ermöglichen ja vielen Hunderttausend Endkunden unserer Lizenznehmer – so zum Beispiel den Vodafone-Kunden – per E-Mail zu kommunizieren.
Darüber hinaus haben wir eigene Produkte im Angebot, mit denen kleine bis mittelgroße Firmen die Zusammenarbeit an Dokumenten digitalisiert haben. Wir halten also ein Stück weit die digitale Infrastruktur in Deutschland am Laufen.
Mussten Sie ihre Arbeitsabläufe grundlegend ändern oder hat sich in Sachen Homeoffice bei Mediabeam so gut wie nichts verändert?
Da wir im Team bereits seit vielen Jahren ausschließlich mit Cloud-Lösungen arbeiten und alle Mitarbeiter über ein Firmen-Notebook verfügen, konnten wir vor zwei Wochen glücklicherweise sehr einfach auf Homeoffice umstellen.
Seitdem ist unser Büro quasi leer – nur vier Leute arbeiten noch vor Ort, da diese Kollegen aus verschiedenen Gründen zu Hause nicht so gut arbeiten können wie im Büro – sei es ein fehlendes Arbeitszimmer oder eine unzureichende Internetverbindung.
Generell gilt bei uns: Ob man zu Hause oder im Büro arbeiten möchte, bestimmen die Mitarbeiter in Absprache mit ihrem Team selbst. Dass aber wie aktuell fast alle gleichzeitig zu Hause sind, ist auch für uns neu. Da ist es dann sehr wichtig, dass das Team zusammenhält, auch wenn sich die Leute viele Wochen lang nicht sehen werden.
Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Dinge, die der Chef beim Homeoffice beachten sollte?
Erstens: Vorgesetzte sollten nicht glauben, dass Homeoffice von allein funktioniert. Natürlich benötigen die Mitarbeiter gute Software, aber vor allem auch Routinen wie regelmäßige Online-Meetings, damit die Truppe auch weiterhin zusammenhält – übrigens: am Besten per Videokonferenz.
Zweitens: Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter an die Hand nehmen und die Vorteile des Homeoffice vorleben, also vor allem auch die neuen, digitalen Werkzeuge nutzen. Die Mitarbeiter werden es mitbekommen, wenn der Chef Dokumente heimlich ausdruckt, drin rumkritzelt und dann per Whatsapp der Assistenz zum Abtippen schickt.

Homeoffice im Strandkorb im heimischen Garten: Jochen Meyer kommuniziert über Teams mit seinen Kollegen. © Mediabeam
Drittens: Entscheidungsträger sollten darauf achten, dass das Homeoffice nicht bierernst wird. Die Unternehmenskultur lebt vom Schnack an der Kaffeemaschine oder dem lockeren Austausch während der Mittagspause.
Wir haben deshalb beispielsweise ganz bewusst unser Teamfrühstück digitalisiert. So sehen wir alle uns wenigstens einmal am Tag per Videokonferenz, tauschen uns aus und lachen miteinander. Das ist in diesen Zeiten wichtiger denn je.
Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Dinge, die der Mitarbeiter beim Homeoffice beachten sollte?
Entscheidend ist, dass das Wir-Gefühl in einer langen Abwesenheitsphase nicht verloren geht. Daher sollten Mitarbeiter öfter miteinander telefonieren, am besten sogar per Video, und nicht nur Mails schreiben. In einem Gespräch hört man die Zwischentöne oder Gefühle des Gegenübers viel besser heraus, als wenn man sich eine E-Mail schreibt oder per Chat miteinander „spricht“.
Mitarbeiter sollten offen für Veränderung sein und den digitalen Werkzeugen eine Chance geben – auch wenn es bedeutet, das sich Abläufe ändern. Es könnte ja sein, dass die neuen Abläufe deutlich einfacher sind – Fragen Sie mal einen Lehrer aus Ihrem Bekanntenkreis nach seinen jüngsten Erfahrungen mit E-Learning. Meine These: Fast alle sind begeistert.
Und nicht zuletzt: Man sollte gnädig zu seinem Chef sein – auch für ihn ist es oftmals das erste Mal.
Gerade in Sachen IT führen die betrieblichen Einschränkungen in Deutschland zu einem Umdenken in Sachen Digitalisierung und Homeoffice. Wird das zu einem „Quantensprung“ führen?
Diese Krise ist furchtbar für alle Betroffenen. Gleichzeitig besteht aber auch die Chance, dass wir einen enormen Digitalisierungsschub machen. Wenn ich mir anschaue, wie erfinderisch und digital Lehrer geworden sind, ist das fantastisch.
Und auch, dass man nun in viel mehr Läden digital bezahlen kann, ist ein echter Fortschritt. Gerade hier in Ahaus haben wir die Nase weit vorne. Man kann sich Getränke und andere Produkte liefern lassen. Und es gibt abends unser „Quizzen macht A!“. Ich bin immer begeistert, wenn sich täglich um 20.40 Uhr mehr als 500 Leute hier aus Ahaus virtuell treffen, um den Quizmeister des Tages zu ermitteln.
Mein Fazit: Wir sind mitten drin in einem fundamentalen Veränderungsprozess. Und ja, jede Änderung lieb gewonnener Gewohnheiten kostet Kraft. Aber die Anstrengung lohnt sich und macht letzten Endes oftmals sogar viel Spaß.
Christian Bödding, Jahrgang 1966, ist bekennender Westfale, aber kein Sturkopf. Er schreibt gerne tiefgründig und am liebsten über lokale Themen, über die sich andere nach der Lektüre seiner Texte aufregen.
