Die Alstätter Band Brigade Fozzy hat in den 80er-Jahren polarisiert. In Alstätte stieß ihre Punkmusik auf wenig Verständnis. Heute jedoch sind ihre Platten teilweise viel Geld wert.

von Martin Brock

Ahaus

, 30.05.2020, 19:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

In ihrem Heimatdorf Alstätte waren sie pfui – in der europäischen Punk­Szene dagegen hui, und zwar nachhaltig. Die über 30 Jahre alten Tonaufnahmen von „Brigade Fozzy“ sind in der Fanszene gefragt und werden teils zu hohen Preisen im Internet gehandelt.

„120, ja sogar 150 Euro für eine Kassette,“ sagt Hermann Wessendorf. Dabei ging es den Mitgliedern nie um Geld. „Wer Geld machen wollte damals, galt in der Szene als verdächtig.“

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Damals, das waren die 1980er-Jahre. Eine Zeit, die für viele junge Leute wenig Zukunftsperspektive zu bieten schien. Punk, dieser schmutzige, laute, aggressive, direkte, energiegeladene, provokante, einfache Musikstil passte zu dieser Stimmung.

In den 70er-Jahren war er in England und den USA entstanden – als musikalische Antwort auf seichte Discomusik und verkopften Jazzrock. Aber er war eben auch ein gesellschaftliches Phänomen, was sich auch im Äußeren niederschlug, das alles andere als konventionell war.

Brigade Fozzy hatte von Anfang an vier Mitglieder

Hermann Wessendorf hatte im holländischen Fernsehen („Die waren ja immer einen Schritt voraus“) erstmals Iggy Pop mit „Lust for Life“ gehört. Eine Initialzündung.

Anfang der 80er-Jahre wurden auch im Münsterland zahllose Bands gegründet. Brigade Fozzy entstand aus den Vorläufern Plastic Porno Band und Calling Dr. Pink im Januar 1983. Die Besetzung: Hermann Wessendorf (Bass), Mani Beckmann (Gitarre), Heini Beckmann (Schlagzeug) und Börned Wigger (Stimme). Die Stücke wurden oft innerhalb weniger Minuten geschrieben – bei sogenannten Sessions – kreativen musikalischen und textlichen Brainstormings. Das Direkte, auch Wut, prägt die Songs und verfehlt auch nach über 30 Jahren ihre Wirkung nicht.

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In Alstätte stießen die jungen Leute nicht gerade auf Wohlwollen – was auf Gegenseitigkeit beruhte. „Diese Angst, was denn die Nachbarn von einem denken könnten, hat genervt“, sagt auch Werner Klose . Er war Fahrer, Rowdy und „gute Seele“ der Band, sang später auch Background. „Das war eine Auflehnung gegen die Enge.“

Pfarrer warf die Punkband aus dem Pfarrheim

Aus dem Pfarrheim, wo sie zeitweise probten und Discos veranstalteten, warf Pfarrer Beike sie heraus – nachdem er mitkriegte, dass dort Nina Hagens „Gott ist tot“gespielt wurde. „Später, als gegen die Mülldeponie in Alstätte demonstriert wurde, da hat man auf unsere Erfahrungen gerne zurückgegriffen“, schmunzelt Wessendorf. Denn zur Punkszene gehörten Demos.

Wessendorf erinnert an die Proteste zum Beispiel gegen die Schließung eines Jugendzentrums in Hengelo. Punk war nicht nur Musik – Punk war auch politisch. „Bei alldem hatte ich aber nie das Gefühl, dass ich besser war als andere – nur eben anders“, sagt der gebürtige Alstätter, der derzeit in Epe lebt.

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„Das Wichtigste war, dass wir Spaß hatten, dass wir unser eigenes Ding gemacht haben“, sagt er. Die Bandmitglieder merkten, dass Kreativität in ihnen steckte. Und Hermann Wessendorf lernte, Konzerte zu organisierten – Erfahrungen, von denen er später unter anderem bei den „Mamma Mia“-Festivals in Ahaus profitierte.

Konzerte oft in Holland oder Belgien

Doch zurück zu den aktiven Zeiten. Anfang 1984 hatte Brigade Fozzy ihr erstes öffentliches Konzert in Hengelo gegeben. Die meisten Auftritt hatte die Band in Holland und Belgien. Die Szene dort war gut vernetzt. Nach Hengelo folgten schnell Gigs in Arnheim und vielen anderen Städten. In Deutschland blieb es bei einem Konzert in Nordhorn.

Bei den Konzerten wurden Aufnahmen gemacht, die Jungs gingen aber auch ins Studio. Erste Singles und Minialben (EPs) erschienen, Kassetten wurden aufgenommen und mit denen anderer Bands getauscht. Europaweit. „In Italien gab es immer eine große Nachfrage“, sagt Werner Klose.

Für Alstätter Verhältnisse waren sie also ziemlich berühmt beziehungsweise berüchtigt. Und auch wenn sie damals im Ort als „Ausgestoßene“ galten – „Heute sagen uns einige Leute, dass sie es schon gut fanden, was wir damals gemacht haben,“ grinst Wessendorf.

Aus den Punkrockern wurden anständige Erwachsene

Und es ist ja aus allen was „Anständiges“ geworden. Vom Orthopädieschuhmacher über Rhythmustherapeut bis hin zum Autor historischer Romane und Krimis. Keiner von Brigade Fozzy ist abgestürzt – auch wenn es in der Punkszene durchaus etliche, auch prominente Drogenschicksale gegeben hat. „Ich selbst habe seit ich 19 bin keinen Alkohol mehr getrunken“, sagt Hermann Wessendorf. „Das glauben viele nicht.“

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Brigade Fozzy löste sich vor 30 Jahren auf. Es kam später zu einigen Reunion-Konzerten. „Die Chemie zwischen uns Musikern stimmte auch da noch.“ Wie überhaupt die Freundschaft der Bandmitglieder geblieben ist.

Die Punkszene lebt weiter. „Einmal jährlich ist ein riesiges Treffen in Blackpool. „Dahin kommen alte Bekannte aus aller Welt. Grandios!“, schwärmen Hermann Wessendorf und Werner Klose. Die beiden denken, dass die Band durchaus Einfluss gehabt hat in der Region. „Brigade Fozzy war eine Urkeimzelle der Subkultur und hat die hiesige Szene beflügelt.“