In der Krise konstruktiv nach vorne schauen: Das wollen Bernd Bredeck, Matin Ellerkamp und Guido Brüggemann (v.l.) vom Wirteverein Alstätte. Ob das rote Glücksschwein dabei hilft, oder das Sparschwein geschlachtet wird, hängt dabei von vielen Faktoren ab.

© Bernd Schlusemann

Auch ohne Corona: Alstätter Wirte fürchten um gastronomische Strukturen

rnWirteverein Alstätte

Dass jede Schirmschoppe, jede Rasthütte und jedes Vereinsheim für die Gastronomie schädlich sind, verdeutlicht der Wirteverein Alstätte. Der blickt in der Krise nach vorn und hat viele Anregungen.

Alstätte

, 27.05.2020, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das Foto hat schon fast Symbolkraft. Bernd Bredeck, Vorsitzender des Wirtevereins Alstätte, sein Stellvertreter Guido Brüggemann und Getränkegroßhändler Martin Ellerkamp, beratendes Mitglied in dem Verein, knien vor einem roten Deko-Schwein. Als Glücksschwein bezeichnet es Martin Ellerkamp. Für die elf Wirte in dem Alstätter Verein reicht das Glück in der Corona-Krise allerdings allein nicht aus und das rote Schwein könnte auch das Sparschwein sein, das geschlachtet werden muss.

Vor zwei Jahren hat sich der Wirteverein Alstätte wieder etwas Leben eingehaucht, den Neustart vollzogen. „Wir wollen die Gastronomie konstruktiv nach vorne bringen“, sagt Guido Brüggemann und betont, dass die Wirte in dem Ahauser Ortsteil durch die Krise „noch enger zusammenrücken“. Sie wollen mit einer Stimme sprechen und auch mitsprechen, wenn es um die Entwicklung ihres Dorfes geht.

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„Gutes Gastronomieangebot mit „Kneipenmeile“, reizvoll für Besucher und Einheimische“ heißt es im Dorfentwicklungskonzept aus dem Jahr 2017. Damit das so bleibt, setzen die Wirte darauf, bei künftigen Entwicklungen in Alstätte stärker gehört zu werden. „Wir müssen aufpassen, dass gastronomische Strukturen nicht durch falsche Entwicklungen zerschlagen werden“, nennt Martin Ellerkamp eine Gefahr für die Gastronomie in Alstätte.

Wirte beim Thema Dorfgestaltung fragen

Als konkretes Beispiel in dem 5000-Seelen-Dorf nennen die Vertreter des Wirtevereins die von der Stadt erworbene alte Eisdiele an der Kirche. „Warum werden die Wirte nicht gefragt, was dort passieren soll?“, fragt sich Martin Ellerkamp. „Wir holen das Leben ins Dorf und andere werden gefragt“, klingt dabei auch etwas ein Vorwurf an die örtliche Politik mit.

In diesem Bereich des Orstkerns von Alstätte sehen die Wirte Entwicklungspotenzial über das sie mitreden wollen.

In diesem Bereich des Orstkerns von Alstätte sehen die Wirte Entwicklungspotenzial über das sie mitregen wollen. © Markus Gehring

„Wir brauchen dort keine Schirmschoppe“, nimmt Bernd Bredeck solchen Überlegungen aus Sicht der Wirte sofort den Wind aus den Segeln. Die Wirte wünschten sich eher „eine Freifläche, die gut aussieht und für die verschiedensten Zwecke nutzbar ist“. Denkbar müsse auch sein, dort einmal ein Zelt aufzustellen.

Schirmschoppe nimmt den Wirten Umsatz

Die Schirmschoppen, die überall in den Nachbarorten teilweise sogar mit finanzieller Unterstützung der Stadt und damit mit Steuergeldern entstanden sind, und auch an dieser Stelle denkbar, sind den Wirten ein Dorn im Auge. Das wird in dem Gespräch sehr deutlich.

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„Jede Schirmschoppe, jede Schutzhütte, jedes Vereinsheim nimmt uns Wirten Umsatz“, verdeutlicht Guido Brüggemann, warum die elf Wirte aus Alstätte so eine Entwicklung nicht begrüßen würden. „Da wird uns immer wieder etwas genommen“, ergänzt der Wirt der Haarmühle. Das bedeute irgendwann letztlich auch so ein Kneipensterben, wie es sich in anderen Ahauser Ortsteilen bereits vollzogen habe. „Da hast Du als Wirt keine Chance“, ergänzt Bernd Bredeck.

„Wir müssen jetzt die Weichen für die Zukunft stellen“, sagt der Vorsitzende des Wirtevereins und meint damit auch die Ahauser Kommunalpolitiker. Viele Planungen seien gut gemeint, für die Gastronomie könnten sie aber auch tödlich sein.

Politik fehlt die Fantasie

„Es fehlt hier in der Politik oft noch an Fantasie“, findet Martin Ellerkamp und spricht die Corona-Gutscheinaktion der Stadt an. Sie wird von den Wirten aus Alstätte sehr kritisch gesehen. „Wo werden die Gutscheine am Ende eingelöst? Es bleibt dann doch bei vielleicht zehn Betrieben“, hätte sich Guido Brüggemann etwas von der Stadt gewünscht, das mehr Breitenwirkung hat.

Die Wirte hätten die 250.000 Euro lieber in Infrastrukturprojekte investiert gesehen, bezeichnen die Gutschein-Aktion als zu kurz gedacht und als „Wahlkampf“.

Bei ihrem Wunsch nach Investitionen in die Infrastruktur haben die Wirte ganz einfache Vorschläge, wie etwa die Ausschilderung des Freibades. Der Friedhof sei besser ausgeschildert, meint Bernd Bredeck.

Kritik an Gutschein-Aktion der Stadt

Gerne hätten die Vertreter des Wirtevereins das Geld beispielsweise in attraktive Wohnmobilstellplätze investiert gesehen. Auf dem Kirmesplatz in Ahaus sei zwar Platz und dort sei es auch immer voll, von Attraktivität könne aber nicht gesprochen werden. „Wir brauchen in Dorfnähe vernünftige Stellplätze“, meint Bernd Bredeck für Alstätte. Guido Brüggemann ergänzt: „Das würde jedem Ortsteil gut zu Gesicht stehen“.

Die Ausschilderung von Fahrradknotenpunkten, wie in den Niederlanden, nennen die Wirte als weiteres Projekt zur Förderung der touristischen Attraktivität für ihre Stadt und ihren Ortsteil. „Da muss nichts neues erfunden werden“, betont Martin Ellerkamp und ergänzt, dass diese Ausschilderung in den Niederlanden bereits vorhanden und sehr erfolgreich ist.

Und: Die Radwege sind den Wirten insgesamt „zu funktionell“ an der Hauptstraße entlang, einfach „um Orte zu verbinden“, sagt Bernd Bredeck. Ein Blick ins Nachbarland zeige, dass die Ausrichtung auf schöne Strecken attraktivere Verbindungen schaffe, ergänzt Guido Brüggemann.

Umdenken gefordert: Den Menschen nicht aus der Natur ausperren

In diesem Zusammenhang fordern die Wirte auch von der Biologischen Station in Zwillbrock mehr Engagement. „Die müssen nicht den Menschen aus der Natur aussperren“, meint Martin Ellerkamp. „Wir alle müssen ganz anders denken nach Corona“, ergänzt Bernd Bredeck. Der Wirteverein wolle mit seinem jetzigen Vorstoß den Blick nach vorn richten und Dinge anstoßen, die bisher nicht oder nur wenig berücksichtigt wurden.

„Das hilft uns allen und bringt der Stadt am Ende auch Gewerbesteuer“, betont der Vorsitzende, dass von den Vorschlägen des Wirtevereins nicht nur die Gastronomie, sondern auch der Einzelhandel und die ganze Stadt profitieren könnte.

Akzeptanz und Wertschätzung für die Arbeit

Die Corona-Pandemie hat für wochenlangen Stillstand in den gastronomischen Betrieben gesorgt. Unter Auflagen läuft dort der Betrieb seit ein paar Tagen wieder an. „Wir sind noch lange nicht bei 100 Prozent - in diesem Jahr wahrscheinlich gar nicht“, schätzt Guido Brüggemann die Situation ein. Dort wo noch vor einem halben Jahr 250 Leute in einen Saal durften, sind es jetzt, bei Einhaltung der Corona-Abstandsvorschriften, 70 Personen. Die Krise habe neben vielen Problemen auch eines gebracht: Wertschätzung für die Arbeit der Menschen in der Pflege, aber auch in der Gastronomie. Das wird natürlich vom Vorsitzenden des Wirtevereins Alstätte, Bernd Bredeck, begrüßt. Gleichzeitig geht er aber auch davon aus, dass diese Berufsgruppen infolgedessen mehr Geld verdienen werden. Das habe dann auch Auswirkungen auf die Preise in der Gastronomie, hofft Bredeck darauf, dass der Gast die Akzeptanz mitbringt, „für ein vernünftiges Produkt auch vernünftig zu bezahlen“.