
Jürgen Hundorf, Ansprechpartner der Nabu im Kreis Unna für Werne, möchte nichts von einer Mückenplage wissen. © Montage Ruhland / dpa
Werner Natur-Experte Jürgen Hundorf: „Sollten froh sein, dass es mehr Mücken gibt“
Natur in Werne
Von einer Mückenplage will Jürgen Hundorf, Nabu-Ansprechpartner für Werne, nichts wissen. Ganz im Gegenteil: Es sei gut, dass es mehr Mücken gebe. Stattdessen beobachtet er ganz andere Probleme.
Mückenplage: Mit diesem Wort kann Jürgen Hundorf vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) im Kreis Unna und zuständig für Werne nichts anfangen. Während viele Experten in diesem Jahr vor einer Mückenplage warnen, vertritt Hundorf eine ganz andere Meinung: „Wir sollten froh sein, dass es mehr Mücken gibt.“
Der Werner Nabu-Ansprechpartner bestätigt zwar, dass es „ein paar mehr Mücken“ als sonst gebe und Mückenpopulationen an Stellen mit flachem Wasser schnell wachsen und sogar „explodieren“ könnten, er sagt aber auch: „Es gibt kein Mückenproblem. Das Problem ist, dass wir immer noch kaum Mücken haben.“
Denn diese Tiere wären wichtig für die Nahrungskette der Natur. Mücken stehen dort nämlich weit unten und dienen zum Beispiel Wespen oder Libellen als Nahrung. „Wenn es mehr Mücken gibt, sollten wir froh und dankbar sein.“
In den vergangenen Jahren habe es nämlich aufgrund von „katastrophalen Trockenphasen“ zu wenige Mücken gegeben. Vor dem Jahr 2021 hab es drei Trockenjahre gegeben. „Wir haben massive Regenprobleme.“
„Es ist fast gar nicht mehr umkehrbar“
Hundorf stört an dem „hochstilisierten“ Thema Mückenplage noch etwas anderes: „Wir haben große Biodiversitätsprobleme. Alles gerät aus den Fugen und wir machen uns über ein paar mehr Mücken Gedanken. Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fast gar nicht mehr umkehrbar.“
Biodiversität definiert die Welthungerhilfe so: „Der Begriff wird oft synonym zu Artenvielfalt verwendet. Dabei ist die Artenvielfalt ein Teilaspekt der biologischen Vielfalt, die man als Biodiversität bezeichnet.“
Der Naturexperte holt mit Blick auf die Tierwelt noch weiter aus: „Viele haben sich von der Natur entfremdet.“ Als Beispiel nennt er, dass manche Kinder nicht einmal mehr ein Kaninchen von einem Hasen unterscheiden könnten, weil sie es nicht beigebracht bekommen hätten. „Es gibt einen weisen Spruch: Was ich nicht kenne, bin ich nicht bereit zu schützen.“

Links ist ein Kaninchen, rechts ein Hase zu sehen. © Montage dpa
Das größte Problem der extremen Biodiversitätskrise sei die Form der Landnutzung weltweit, da ein Großteil des Weizens in Deutschland für die Massentierhaltung und den „Wahnsinns-Fleischkonsum“ genutzt werde. Ein weiterer Teil werde für die Kraftstoff-Produktion genutzt.
Dazu nennt Hundorf den großen Anteil an Essen, der im Müll landet. Laut Bundes-Umweltamt sind das jährlich 1,9 Tonnen Lebensmitteln im Außer-Haus-Verzehr.
Um den Rückgang an Insekten deutlich zu machen, verweist der Werner auf eine Studie des Krefelder Entomologen Dr. Martin Sorg, der mehr als 30 Jahre die Menge an Insekten in Naturschutzgebieten beobachtete. Diese ging in der Zeit um 76 Prozent zurück. „In der normalen Landschaft ist das noch extremer“, so Hundorf. „Es ist also kein Problem, wenn es mehr Mücken gibt.“
Hat im Mai 2020 in der für den Lokal-Journalismus aufregenden Corona-Zeit bei Lensing Media das Volontariat begonnen. Kommt aus Bochum und hatte nach drei Jahren Studium in Paderborn Heimweh nach dem Ruhrgebiet. Möchte seit dem 17. Lebensjahr Journalist werden.
