
© Till Goerke
So erlebte Kerstin Haag die Temposchätzungen im verkehrsberuhigten Bereich Lohstraße
Straßenverkehr
Die Polizei darf das Tempo in verkehrsberuhigten Bereichen schätzen. Doch dabei gibt es einiges zu beachten - auch für die Verkehrsteilnehmer. Das erfuhr auch die Wernerin Kerstin Haag.
Als die Wernerin Kerstin Haag am Donnerstagabend vergangener Woche (2. Mai) nach der Arbeit den Heimweg antrat, führte sie der Weg mit dem Auto auch durch die Lohstraße. Exakt durch jenen Bereich, in dem zwei Polizeibeamten an diesem Abend zwischen 18 und 18.45 Uhr eine Geschwindigkeitskontrolle mittels Schätzung durchführten.
Und Kerstin Haag gehörte zu den fünf Verkehrsteilnehmern, die in dieser 45-minütigen Kontrolle von der Polizei herangewunken und zur Kasse gebeten wurden. Dabei ist die Wernerin alles andere als gerast. „Ich wusste, dass ich hier unter 30 km/h fahren muss“, berichtet sie unserer Redaktion.
Wie viel km/h sind denn Schrittgeschwindigkeit?
Schließlich gilt der Bereich, in dem die Beamten die Kontrolle durchführten, als verkehrsberuhigter Bereich. Doch welches Tempo gilt dort? Schrittgeschwindigkeit – genau definiert ist diese in der Straßenverkehrsordnung jedoch nicht. Auf Basis unterschiedlicher Gerichtsurteile variiert diese zwischen 5 und 10 km/h. Einheitlichkeit ist etwas anderes.
„Dass man dort so langsam fahren muss, wusste ich nicht“, so Kerstin Haag. Dabei sei ihr sehr wohl klar, dass diese Vorgabe dem Vorbeugen möglicher Unfälle diene. „Die Sicherheit hat höchste Priorität, das ist doch klar, gerade für Kinder und ältere Menschen.“
Nicht jeder Verkehrsteilnehmer kennt die Regel
Doch in diesem Nichtwissen liegt die eigentliche Problematik. „Viele Verkehrsteilnehmer kennen diese Regel in der verkehrsberuhigten Straße nicht oder sind erstaunt, dass sie zu schnell gewesen sein sollen“, sagt Kriminalhauptkommissar Michael Jahn vom Verkehrsdienst der Polizeikreisbehörde Unna.
Wie dem auch sei – Kerstin Haag ist nach Auffassung der Beamten zu schnell gefahren. Bei einer Tempokontrolle mittels Schätzung spricht man von einer „deutlichen“ Überschreitung. Und diese ist letztlich eine subjektive Einschätzung des jeweiligen Beamten. Aber es gibt einen Richtwert. Michael Jahn sagt: „Ich wähle nur eindeutige Fälle aus.“ Eindeutig sei für ihn alles ab 20 km/h.
Kommunikation zwischen Polizei und Temposünder sind das A und O
Kerstin Jahn soll laut der kontrollierenden Beamten zwischen 15 und 20 km/h gefahren sein. Zu viel für einen verkehrsberuhigten Bereich. „Aber die Beamten waren sehr freundlich und haben mir alles genau erklärt“, so die Wernerin. Etwas, das auch Michael Jahn befürwortet: „Kommunikation ist sehr wichtig. Nur so verstehen die Leute doch auch das Problem.“
Zahlen musste Kerstin Haag 15 Euro Bußgeld mittels EC-Karte. Das ist der niedrigste Verwarnsatz. Mehr ist bei einer Temposchätzung nicht zulässig. „Ich hatte keine Lust, mich herumzuärgern und war ja einsichtig, also habe ich bezahlt.“ Im Falle einer Zahlungsverweigerung hätten die Beamten eine Anzeige gefertigt.
Gerichtliche Verwertbarkeit von Temposchätzungen sind schwierig
Darauf ankommen lassen wollte es die Wernerin nicht. Auch, wenn der juristische Weg vor Gericht durchaus vielversprechend gewesen wäre. Denn laut eines Fachanwaltes für Verkehrsrecht sind Tempomessung mittels Schätzung in der gerichtlichen Verwertbarkeit schwierig, auch wenn sie zulässig sind.
„Es ging ja aber letztlich auch nur um 15 Euro und ich war ja zu schnell. Allerdings finde ich, das ohne Beweise eine Verwarnung ausgereicht hätte“, so Haag.
Bleibt noch die Frage, wie man es überhaupt schafft, Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Kriminalhauptkommissar Jahn erklärt: „Erster Gang, Kupplung kommen lassen und nur ganz wenig Gas geben.“ Oder man hat ein Automatikwagen, da reicht es, leicht den Fuß von der Bremse zu nehmen.
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