Viele Unternehmer sind trotz staatlicher Hilfen frustriert. Teils sogar wegen dieser Hilfen.

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Unternehmer in Werne: „Ich hätte schließen können - dann würde es dem Betrieb jetzt besser gehen“

rnWirtschaft in Werne

Staatshilfen sollten die von der Corona-Krise geplagten Unternehmen eigentlich unterstützen. Bei manch einem Werner ist der Frust aber größer als die Erleichterung. Eine Steuerberaterin erklärt die Situation.

Werne

, 03.03.2021, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

An den staatlichen Hilfsprogrammen für Unternehmen im Zuge der Corona-Krise gibt es nach wie vor viel Kritik. Das hat auch unsere Umfrage mit fast 90 Werner Unternehmen bestätigt. Einer der Teilnehmer schreibt nicht nur, dass besagte Hilfen ungerecht verteilt seien, sondern betont zudem: „Ich habe keine Mitarbeiter entlassen, alle mit durchgezogen. Ich hätte besser schließen können, dann würde es dem Betrieb jetzt besser gehen.“

Ein anderer klingt mehr als nur ein bisschen frustriert: „Die Hilfe für mein Unternehmen besteht aus bisher 10 FFP2-Masken... ein Witz.“ Und dann gibt es noch die, die darüber klagen, dass „bei allen genehmigten Hilfen nachträglich Änderungen stattfinden, so dass niemand weiß, was im Endeffekt zurückgefordert wird.“ Und wer zurückzahlen muss - das war bei vielen im Falle der Soforthilfe aus dem Frühjahr 2020 so –, der muss dafür oft das eigene Sparbuch plündern.

Ohne Steuerberater gibt’s in der Regel gar keine Kohle

So viel zur allgemeinen Gemütslage der Unternehmen. Aber wie schätzen die Steuerberater die Situation eigentlich derzeit ein? Die sind schließlich diejenigen, auf die die Unternehmen bei der Beantragung von Staatshilfen angewiesen sind. Ohne Steuerberater keine Kohle - so läuft das in Zeiten der Pandemie in den meisten Fällen.

Birgit Geldmacher von der gleichnamigen Kanzlei in Werne teilt die Einschätzung der Unternehmen in vielen Punkten. Ja, sagt Geldmacher, es habe immer mal wieder Anpassungen im Nachhinein gegeben. Aber das sei nicht das alleinige Problem. Vielmehr wird das ganze Sammelsurium aus Fördertöpfen immer unübersichtlicher - erst recht für Laien. „Es können für die unterschiedlichsten Unternehmen die unterschiedlichsten Hilfen mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen beantragt werden. Es ist immer ein Standard vorgegeben - und wenn sie davon abweichen, wird es oft schwierig“, so die Steuerberaterin.

„Viele Unternehmer haben sich bei der Soforthilfe verschätzt. Es ist aber schwierig, alles im Blick zu haben.“
Birgit Geldmacher
Steuerberaterin

Der Standard oder auch Musterfall mag auf dem Papier plausibel aussehen. Doch von der Realität ist er nicht selten ein ordentliches Stück entfernt. Hinzu kommen Fehleinschätzungen, die bereits für das ein oder andere böse Erwachen gesorgt haben.

So wie im Falle der besagten Soforthilfe aus dem Frühjahr 2020. „Das haben viele Unternehmer falsch eingeschätzt und mussten den Betrag komplett zurückzahlen, weil der Liquiditätsengpass dann doch nicht da war“, sagt Geldmacher. Und dass den ein oder anderen Unternehmer in naher Zukunft noch weitere Hiobsbotschaften ereilen werden, könne man aktuell auch nicht ausschließen.

Dabei klingt das Grundkonstrukt, das hinter den staatlichen Hilfen steckt, doch eigentlich recht einfach: Wer starke Umsatzeinbußen hat, sein Geschäft schließen muss und die Fixkosten nicht mehr zahlen kann, erhält finanzielle Mittel. So viel zur Theorie. In der Praxis sieht es dagegen oftmals anders aus. Das zeigen ebenfalls die Ergebnisse unserer Umfrage.

Hier gaben 63 Prozent der Teilnehmer an, direkt - also im Zuge einer angeordneten Ladenschließung - vom aktuellen Lockdown betroffen zu sein. 21 Prozent hingegen sind indirekt betroffen, haben also weniger Kunden beziehungsweise Aufträge. Mit Blick auf die Auswirkungen während der gesamten Pandemie gaben 71 Prozent an, die Krise habe zu einem Verlust von Kunden beziehungsweise Aufträgen geführt. 42 Prozent erzielten deutlich geringere Umsätze. Fast die Hälfte der Teilnehmer musste bereits auf eigene Rücklagen zugreifen, um durch die Krise zu kommen.

Da könnte man doch meinen, ein Großteil der Unternehmer habe bereits staatliche Hilfen beantragt, oder etwa nicht? Tatsächlich hat fast die Hälfte von ihnen keine Hilfen beantragt. Die Soforthilfe aus dem Frühjahr 2020 ist diejenige, die noch am häufigsten beantragt wurde - nämlich von rund 37 Prozent der Werner Unternehmen. Auf Platz zwei folgt mit 27 Prozent das Kurzarbeitergeld. Die Überbrückungshilfen sowie die November- und Dezemberhilfen haben jeweils nur 10 bis 15 Prozent der Unternehmer beantragt.

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Warum ist das so? Sind die Leute etwa zu bequem oder liegt es einfach daran, dass die Beantragung der Staatshilfen zu kompliziert und aufwändig ist, wie es rund ein Drittel unserer Umfrageteilnehmer bewertet hat? Nein, sagt Geldmacher, es liege vor allem daran, dass die meisten Betriebe trotz der schwierigen Bedingungen keine Ansprüche auf Hilfen hätten. Und zwar deswegen, weil sie trotz Einschränkungen dann irgendwie doch ein bisschen zu viel Umsatz gemacht hätten.

Als Beispiel nennt Geldmacher einen Friseursalon. Der habe zwar im Zuge des zweiten Lockdowns am 16. Dezember schließen müssen und für den Rest des Jahres keine Umsätze mehr verbucht - aber unterm Strich sei der Umsatzrückgang für diesen Monat prozentual dann eben doch nicht so drastisch ausgefallen, dass der Betrieb in den Genuss der Fördertöpfe hätte kommen können.

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Und so gehe es vielen Unternehmen, vor allem Einzelhändlern, die hier und da noch ein paar Umsätze machen, allerdings natürlich enorme Einbußen haben, weil ihr Geschäft geschlossen ist. Aber wäre es dann nicht tatsächlich besser gewesen, den Betrieb vorübergehend komplett dicht zu machen, um womöglich noch größeren Schaden zu verhindern, wie es einer unserer Umfrageteilnehmer formuliert hat? „Es ist bitter, aber teilweise ist es so“, sagt die Werner Steuerberaterin.

Bislang habe noch keiner ihrer Mandanten Insolvenz anmelden müssen. Frust habe es dennoch gegeben. Auch, weil sich der ein oder andere leidgeplagte Unternehmer im Vorfeld vielleicht doch einen etwas größeren Geldsegen erhofft hatte. Geldmacher kann den nicht versprechen. Im Gegenteil. „Ich muss das mit jedem Mandanten realistisch einschätzen. Es hilft ja nichts, wenn er hinterher wieder fast alles zurückzahlen muss.“ Und womöglich einmal mehr sein Sparbuch plündern muss.

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