Fritz Fischer (80) war viele Jahre Mitarbeiter des Karl-Pollender-Stadtmuseums in Werne. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als das Museum noch gar kein Museum war.

© Felix Püschner

Tauschbörse statt Museum: „Hier hat man alles bekommen – nur keine Exponate“

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Das Karl-Pollender-Stadtmuseum bekommt ein neues Gesicht und soll dadurch zum „Publikumsmagneten“ werden. Dabei war es das früher schon einmal – sogar ganz ohne Exponate.

Werne

, 09.03.2020, 19:51 Uhr / Lesedauer: 2 min

Werne in der Nachkriegszeit. In dem alten Fachwerkhaus am Kirchhof herrscht reger Besucherverkehr. Die Leute begutachten die unterschiedlichsten Gegenstände, unterhalten sich und verhandeln. Ein bisschen wie auf einem Basar eben. Aber keineswegs so wie in einem Museum. Dort herrscht bekanntlich meist eine ruhigere Atmosphäre. Und wer dort hineingeht, der kommt bestenfalls mit neuem Wissen oder einem Souvenirartikel wieder heraus - aber bestimmt nicht mit einem Bügeleisen.

In dem Gebäude aus dem 17. Jahrhundert ist das zu dieser Zeit aber durchaus so. Als sich das Getümmel nach einer Weile allmählich auflöst, verlassen einige Menschen den Raum zufrieden, andere eher zähneknirschend. Dann schließt sich die große grüne Eingangstür wieder. Bis zur nächsten Woche. Selbe Zeit, selber Ort, selbes Spielchen.

Handelsplatz statt Ausstellungsraum

Das heutige Karl-Pollender-Stadtmuseum ist damals noch kein Museum sondern „Altes Amtshaus“. Wobei diese Bezeichnung eigentlich gar nicht so recht zu dem Trubel passt, der sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ein- bis zweimal pro Woche hier abspielt. Es ist vielmehr ein Handelsplatz, eine Tauschbörse.

„Hier hat man alles bekommen – nur keine Exponate“, sagt Fritz Fischer (80) und lacht. Fischer, der später jahrelang im Werner Museum arbeitete, kann sich noch gut an die Zeit in den 1940er-Jahren erinnern: „Die Leute kamen nicht nur aus Werne sondern auch aus den Bauerschaften regelmäßig hierher. Nach dem Krieg hatte man ja nur gebrauchte und kaputte Klamotten – woher sollte man auch etwas Neues bekommen? Also musste man tauschen.“

Bei den Vorbereitungsarbeiten zur Umgestaltung des „Mittelalterraums“ im Karl-Pollender-Stadtmuseum kam ein ganz vergessener Boden zum Vorschein: Fliesen aus längst vergangenen Tagen.

Bei den Vorbereitungsarbeiten zur Umgestaltung des „Mittelalterraums“ im Karl-Pollender-Stadtmuseum kam ein ganz vergessener Boden zum Vorschein: Fliesen aus längst vergangenen Tagen. © Felix Püschner

Das angebotene Warensortiment sei beachtlich gewesen, habe von ausgelatschten Schuhen über Strickwaren und Bürsten bis hin zu Waschbrettern und Waffeleisen gereicht. „Und es hat sogar mal jemand eine Badewanne getauscht“, sagt Fischer.

Der Haupteingang zum Gebäude befand sich damals noch an einer ganz anderen Stelle. Als die Arbeiten für den aktuellen Umbau des Museums im vergangenen Jahr starteten, kam im „Mittelalterraum“ etwas zum Vorschein, das viele gar nicht mehr auf dem Schirm hatten: der alte Fliesenboden. An seinem Verlauf zeigt sich noch, dass hier einst der Eingang mit der großen grünen Tür war. Der Boden soll auch nach der anstehenden Modernisierung noch zu sehen sein.

Das Alte erhalten genügt nicht mehr

Fritz Fischer findet das gut. Aber wenn er heute in dem völlig leeren Raum steht, dann trauert er dem alten Aussehen des Museums keineswegs hinterher. „Als das Haus Ende der 1970er-Jahre zu einem richtigen Stadtmuseum ausgebaut wurde, war das schon eine tolle Sache. Aber irgendwann muss man so etwas auch mal verändern. Man muss mit der Zeit gehen und den Leuten etwas Moderneres bieten, damit ein solches Museum ein Publikumsmagnet bleibt“, erklärt der gebürtige Werner.

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Das klingt ein bisschen anders als das, was der 80-Jährige in seiner Zeit beim Werner Stadtmuseum oder auch dem Dortmunder Industriemuseum immer getan hat: das Alte erhalten - ob als Restaurator oder sachkundiger Ansprechpartner am Empfangsbereich. Wichtig, sagt Fischer, seien aber nun mal nicht nur die Exponate selbst, sondern auch die Art der Präsentation - und natürlich die Geschichten, die hinter all dem stecken.

Genauso wie die Erinnerungen, die die Menschen mit den ausgestellten Objekten verbinden. Und nicht zuletzt das, was sie nach ihrem Besuch aus dem Werner Museum mitnehmen. Auch wenn es mit Sicherheit keine Bügeleisen mehr sein werden.

So soll der Erdgeschoss-Bereich des Stadtmuseums demnächst aussehen.

So soll der Erdgeschoss-Bereich des Stadtmuseums demnächst aussehen. © Grafik Michael Falkenstein

Vergangenheit und Zukunft des Museums
  • Die Anfänge des Werner Stadtmuseums gehen auf das Jahr 1962 zurück. Damals gründete Karl Pollender, ein Werner Realschullehrer und damaliger Vorsitzender des Heimatvereins, gemeinsam mit Freunden das erste Werner Heimatmuseum.
  • In zwei Räumen des „Alten Amtshauses“ wurden Objekte aus der Vor- und Frühgeschichte der Stadt sowie Zeugnisse des bäuerlichen Lebens des 18. und 19. Jahrhunderts präsentiert. Die Sammlung hatte Pollender mit Unterstützung von Schülern und bekannten selbst aufgebaut.
  • Von 1977 bis 1981 wurde dann das gesamte Fachwerkhaus zu einem Stadtmuseum umgestaltet. Im Jahre 2003 folgte ein Anbau mit neugestalteten Eingangsbereich, dem Ausstellungsraum für das Priestergewand aus dem 13./14. Jahrhundert und dem neuen Museumsgarten.
  • Das neue Konzept für das Karl-Pollender-Stadtmuseum ist umfangreich. Unter anderem soll etwa der frühere „Mittelalterraum“ in einen „Bürgerraum“ umgestaltet werden - für Veranstaltungen aber auch wechselnde Ausstellungen. Hier finden Besucher in Zukunft viel moderne Technik, Tablets und digitale Modelle, die es ihnen ermöglichen sollen, zu interagieren statt nur Objekte zu betrachten.
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Im Karl-Pollender-Stadtmuseum tut sich so einiges - auch wenn es gerade nicht wirklich danach aussieht. Der leere „Mittelalterraum“ wurde jetzt zum Drehort für eine besondere Video-Produktion. Von Felix Püschner