Werner Historikern erklärt Geschichte der Stadtmauer Was geschah nach dem Abriss mit den vielen Steinen?

Von Heidelore Fertig-Möller
Stadtmauer-Abriss begann vor 250 Jahren: Was geschah mit den Steinen?
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Vor 250 Jahren wurde vom Werner Stadtrat beschlossen, dass die Stadtmauer, die Tore und Türme der Stadtbefestigung an den Meistbietenden Stück um Stück verkauft werden sollten, um die Stadtkasse ein wenig aufzubessern, da der militärische Nutzen der Mauer kaum noch vorhanden war.

Das war im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit noch ganz anders. Ohne das Privileg, eine Stadtmauer zu errichten, durfte man sich nicht Stadt nennen. Werne-Werina erhielt im Jahre 1383 vom Landesherren, dem Bischof von Münster, dieses Befestigungsrecht in einer Urkunde überreicht, die sich noch heute im Besitz des Werner Archivs befindet.

Da aber gerade wieder einmal kein Geld in der Stadtkasse war, wurden keine Mauern aus Stein, die sehr viel gekostet hätten, errichtet, sondern, wie es im Bürgerbuch heißt, Werne werde nur „...mit einem tune (Zaun)…“ umgeben. Dies schreckte allerdings die Nachbarn auf der anderen Seite der Lippe, die Grafen von der Marck, die im Jahre 1400 gerade Krieg mit dem Münsteraner Bischof Otto von Hoya führten, keineswegs davon ab, in das Oberstift Münster einzudringen und als erstes die Grenzstadt Werne zu brandschatzen, zu plündern und zu rauben.

2374 Mark für das „Komplettpaket“

Vor allem der Kirchhof, die Kirche und die Spiker wurden arg beschädigt, sodass einige Jahre später auch der Turm der romanischen Kirche einfiel und somit ein neues Gotteshaus in gotischen Stil errichtet wurde.

Bischof Otto ermunterte die Werner Ratsherren anschließend, doch endlich dem Bau einer steinernen Mauer mit Toren und Türmen zu zustimmen. Im Jahre 1415, so steht es im Bürgerbuch geschrieben, begann man mit den ersten Vorbereitungen: „Anno Domini MCCCCXV do vermürden wy XXX Mark und XXII Pfg…“ (1415 da vermauerten wir 30 Mark und 12 Pfennige).

Dann folgt mit wenigen Unterbrechungen bis 1502, was der Bau der Stadtmauern, der Brücken, Pforten und Türme - unter anderem der Deipetorn (tiefe Turm) und der Griesetorn (graue Turm) - gekostet hat. Das waren zusammengerechnet 2374 Mark, eine für damals ungeheure Summe.

So sah die Werner "Skyline" früher einmal aus.
So sah die Werner "Skyline" früher einmal aus. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Zu dieser Zeit galt Werne auch als vollwertige Stadt im Oberstift Münster, die den Bürgermeister, Kämmerer und zehn Ratsherren selbstständig wählen durfte. Als die Stadtmauer mit den vier Toren (Bonentor, Steintor, Burgtor und als letztes das Neutor) und 11 Türmen fertiggestellt war, wurde bald darauf mit dem Bau eines neuen Rathauses begonnen (1512-1514) und auch die gotische Christophorus-Kirche war zu diesem Zeitpunkt zu Ende gebaut.

Für einige Jahrzehnte hatte Werne ein wenig Ruhe vor den räuberischen Grafen von der Marck, bis dann im 17. Jahrhundert der schreckliche 30-jährige Krieg zunächst als Religionskrieg zwischen den katholischen und den protestantischen Staaten ausbrach (1618-48), später spielte das keine Rolle mehr. Durch die neue Waffentechnik - unter anderem Kanonen, Feldschlangen und Steinschlossgewehre - waren die steinernen Mauern, auch mit dem vorgelagerten doppelten Wall- und Grabensystem, kaum mehr von Nutzen.

Mauersteine für die Steinstraße

Im 18. Jahrhundert verfielen sie immer mehr und wurden, da zu teuer und aufwändig, auch nicht mehr repariert. 1773 beschloss der Stadtrat dann offiziell, die Steine, die immer noch wertvoll waren, zu verkaufen, damit die Werner Bürger diese zum Beispiel für den Häuserbau nutzen konnten - bis dahin gab es fast nur Fachwerkbauten. Auch die sogenannte Steinstraße wurde als erstes damit gepflastert.

Als letztes riss man die vier Stadttore ab: 1820 zunächst das Bonentor, wovon die Steine zur Ausbesserung des Straßenpflasters und „zur Bepflasterung der ausgefüllten Mistgruben auf der Münsterstraße verwendet wurden“, wie es im Bürgerbuch steht. Ein Jahr später verschwand auch das Burgtor und wurde durch ein Gittertor mit zwei massiven Säulen ersetzt.

Handwerker setzen lose Steine in die Reste der Stadtmauer.
Reste der alten Stadtmauer gibt es noch am jüdischen Friedhof. Erst vor einigen Jahren wurden sie wieder "saniert". © Mario Bartlewski (A)

Schließlich wurde im Jahre 1843 der allerletzte Rest der Stadtbefestigung, nämlich das Neutor, abgebrochen, nachdem es 430 Jahre gestanden hatte. Die Inschrift darauf besagte: „Do men.scref. MCCCCXIII do lechte men disen toren an“ (im Jahre 1413 legte man dieses Tor an).

So zeugen heute nur noch die Straßennamen Ostmauer, Südmauer, Westmauer, Am Stadtgraben, Deipeturm und Grieseturm und ein kleiner Rest Stadtmauer am jüdischen Friedhof, den die jüdische Gemeinde im Jahre 1698 zusammen mit dem Schüttenwall für ihre Begräbnisstätte kaufen musste, von der einstigen Werner Stadtbefestigung - wenige Abbildungen aus dem 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts veranschaulichen uns diese ebenfalls.

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