Mutterseelenallein in Werne - diese Geschichten aus dem 19. Jahrhundert erzählen Postkarten

© Felix Püschner

Mutterseelenallein in Werne - diese Geschichten aus dem 19. Jahrhundert erzählen Postkarten

rnAlte Postkarten

Im neuen Werner Postkartenbuch stecken viele alte Schätze, teils aus dem 19. Jahrhundert. Zum Glück nicht mehr ganz so blutverschmiert wie ihre Vorgänger.

Werne

, 08.11.2019, 12:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Postkarten haben im Allgemeinen nicht den Ruf, besonders spannend geschrieben zu sein. Das Schema ist ja oftmals auch recht monoton: „Liebe Omi, hier auf Sardinien ist es toll. Die Sonne scheint und wir schauen uns viele Sehenswürdigkeiten an...

Im besten Fall zieht die Vorderseite der Karte mit einem atemberaubenden Motiv den Karren irgendwie noch aus dem Dreck - im übertragenen Sinne. Und ob nun literarisch begabt oder nicht: Letztlich kann der Autor sowieso dem begrenzten Platz auf der Rückseite die Schuld in die Schuhe schieben.

Rückseite von Postkarten durfte früher nicht beschrieben sein

Über eine solche Argumentation hätten Postkartenschreiber vor etwas mehr als 100 Jahren wohl nur müde gelächelt. „Damals durfte man die Rückseite der Karten nämlich überhaupt nicht beschreiben - außer mit der Adresse des Empfängers“, erklärt Heidelore Fertig-Möller, während sie ein paar alte Postkarten aus der Zeit um 1900 auf dem Tisch ausbreitet.

100 Postkarten in einem Buch

Auf der Vorderseite sind Motive aus der Lippestadt zu sehen, etwa der Marktplatz mit dem Rathaus oder die Kirche St. Christophorus. Es sind keine Fotografien, sondern gemalte Farbbilder - umrandet von ganz viel kleingeschriebenem Text, der an dieser Stelle durchaus erlaubt war. So wie man ihn heute auf der Rückseite von Postkarten findet.

Die älteste stammt aus dem Jahr 1898 und ist an Familie Otto Stölting in Essen adressiert. Der Verfasser - es muss sich um die Tochter oder den Sohn gehandelt haben - war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich für einen Kur-Aufenthalt in Werne. Und der scheint überaus ruhig verlaufen zu sein:

„...sende widerum die wohl bekannte Ansichtskarte von Werne. Augenblicklich bin ich mutterseelenallein und langweile mich bei dem Regenwetter sehr. Die Zimmer sind hier geheizt, und freuen wir uns, wenn wir vom Bade kommen, uns gleich hinter den warmen Ofen setzen zu können. Hoffentlich geht es dir liebe Mutter gut und Otto ebenfalls. Ich habe heute im Bad einen Brief geschrieben. Gruß an Mariechen.

Die älteste Postkarte im Postkartenbuch des Fördervereins Stadtmuseum datiert aus dem Jahr 1898.

Die älteste Postkarte im Postkartenbuch des Fördervereins Stadtmuseum datiert aus dem Jahr 1898. © Felix Püschner

Das Exemplar ist nur eine von 100 historischen Postkarten aus Werne und Umgebung, die der Förderverein Stadtmuseum nun in einem Buch herausgibt. Die Idee sei vor etwa einem Jahr entstanden, erklärt die Vorsitzende Heidelore Fertig-Möller: „Und eine Auswahl zu treffen, war gar nicht so einfach. Denn unsere Sammlung umfasst mittlerweile 350 Postkarten. 250 davon sind aus der Zeit vor den 1960er-Jahren.“

Die ersten Sammelobjekte stammen vom ehemaligen Werner Amtsleiter August Veltmann, der sie 1980 dem Förderverein schenkte. Mit den Jahren kamen immer mehr Karten hinzu - sowohl gemalte als auch Fotografien mit Motiven vom Kloster über den Stadtsee bis zur Zeche.

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Teils hat der Förderverein die Karten im Internet ersteigert, teils von Bürgern erhalten. Im Stadtmuseum gab es bereits zwei Sonderausstellungen zu den Postkarten, ab Ende November kann man die alten Schätzchen im Buchformat auch bequem auf dem heimischen Sofa bestaunen.

Der „Siegeszug“ der Postkarte

Und insbesondere die alten Karten aus der Zeit um 1900 sind ein echter Hingucker mit Seltenheitswert. Zumal der erste „Postkarten-Boom“ da schon längst vorbei war: 1870 im damaligen Deutschen Reich eingeführt, erlebte die Karte im Deutsch-Französischen Krieg nämlich zunächst einen echten „Siegeszug“. Mehr als 10 Millionen Karten habe man in den beiden Kriegsjahren 1870/71 befördert, erklärt Fertig-Möller. Der schnelle Gruß als willkommene Brücke zwischen Front und Heimat - das kam bei Soldaten und Angehörigen gut an.

Nach Kriegsende sank die Zahl auf gut 3 Millionen Karten - um dann mit dem technischen Fortschritt wieder zu steigen. Jetzt waren auch Fotos und Zeichnungen auf den Karten möglich. So wie die auf der Werner Karte aus dem Jahr 1898. Vom Kurgast, der sich wahrscheinlich sogar etwas mehr Platz auf der Karte gewünscht hätte.

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Verkaufsstart Ende November
  • Das Postkartenbuch gibt es ab dem 22. November zu kaufen - unter anderem beim Verkehrsverein am Roggenmarkt und im Stadtmuseum.
  • Der Einführungspreis beträgt 8 Euro, später dann 10 Euro. Die erste Auflage umfasst 400 Exemplare.
  • Neben Abbildungen von den Postkarten sind auch ergänzende Texte mit Erläuterungen und weiteren Informationen - etwa zur Geschichte des Postkartenwesens - im Buch enthalten.
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