Dienstags und freitags gibt es frischen Fisch, Obst und Blumen auf dem Markt - daran hat sich nicht viel geändert. Die Kunden jedoch seien komplizierter geworden, erzählt Heinrich Kraienhemke.

Werne

, 01.04.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Erdbeeren, frische Erdbeeren!“, schallt es über den Marktplatz. Doch auf viel Resonanz stoßen die Rufe nicht. Die Kunden, die sich der Corona-Krise zum Trotz auf den Markt begeben, sind weniger geworden - und anspruchsvoller, berichtet ein Händler.

„10 Prozent unserer Kunden sind Problemfälle“, erzählt Obst-und Gemüsehändler Heinrich Kraienhemke (56). In der letzten Zeit sei es, trotz gesunkener Kundenzahl, hektischer auf dem Markt geworden. Einige Kunden seien besorgt und hätten Erklärungsbedarf. Dabei ginge es beispielsweise um die Frage, ob man sich über Münzgeld Coronaviren einfangen kann. Die Wahrscheinlichkeit sei eher gering.

Bodenmarkierungen zum Abstandhalten auf dem Markt

Das Einkaufen auf dem Markt indes sei in jedem Fall sicherer als im Discounter, denn an der frischen Luft habe man viel mehr Platz, um einander aus dem Weg zu gehen. Um das Abstandhalten zu vereinfachen, hat die Stadt Bodenmarkierungen auf dem Marktplatz angebracht. Gelbe Kreuze markieren den Abstand, den man nebeneinander an der Theke halten sollte und ein zwei Meter von der Theke entfernter pinker Streifen dient als Wartelinie.

Auf dem Wochenmarkt gibt es inzwischen Bodenmarkierungen, die das Abstandhalten erleichtern.

Auf dem Wochenmarkt gibt es inzwischen Bodenmarkierungen, die das Abstandhalten erleichtern. © Sylva Witzig

Kraienhemke freut sich über die Disziplin der Werner Kunden. Hier halte man den Abstand ein und ginge höflich miteinander um - da habe er auf anderen Märkten schon ganz andere Situationen erlebt. Dennoch kann der Obsthändler auch kuriose Geschichten aus Werne erzählen. Ein Mundschutz reiche manchen Leuten nicht aus: „Heute kam eine Frau, die einen Helm mit Visier auf hatte, so wie die Feuerwehrleute. Manche Kunden sind schon sehr vorsichtig“, erzählt er.

Der Mundschutz wird zum Sprechen abgelegt

In Hamm habe er auch schon mehrere Kunden in Ganzkörperanzügen bedient. Paradox werde es immer dann, wenn die Leute zum Sprechen ihren Mundschutz abnehmen, weil sonst beim Sprechen die Brille beschlägt oder man sie durch den Mundschutz gar nicht versteht. Menschen, die zum Rauchen ihren Mundschutz abnehmen, seien auch häufiger zu sehen.

Besonders beliebt seien am Obst- und Gemüsestand aktuell die vitaminreichen Südfrüchte. Außerdem neigen die Kunden dazu, für zwei, drei Tage mehr einzukaufen und haltbarere Produkte wie Kartoffeln und Winterkohlsorten zu kaufen. Hamsterkauf könne man dieses Kaufverhalten aber keineswegs nennen - und das Hamstern sei auch gar nicht nötig.

Optimismus trotz Umsatzeinbrüchen

„Die Natur macht nicht Halt. Der erste Spargel ist da und in zwei Wochen gibt es vermutlich die ersten deutschen Erdbeeren. Wir sind fleißig am Pflanzen, die Hühner legen weiter Eier, die Kühe geben weiter Milch und es gibt im Moment nichts, was wir nicht zukaufen können“, so Kraienhemke. Manches Gemüse sei jedoch im Einkauf teurer geworden, weil die Transporter teilweise stundenlang an der Grenze festsäßen.

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Kraienhemke ist optimistisch, was die Zukunft anbelangt: „Ich bin immer optimistisch. Irgendwie geht es schon weiter.“ Er versucht, finanzielle Hilfe zu beantragen. Denn auf dem Markt sei es deutlich ruhiger geworden und eine weitere Einnahmequelle breche komplett weg: „Eigentlich beliefern wir zehn Kindergärten und drei Firmen, die jetzt Kurzarbeit angemeldet haben, wöchentlich mit frischem Obst.“

Mehr Hygiene, mehr Verantwortung

Marktkundin Simone Friedemann (48) gönnt sich an diesem sonnigen Markttag ein Fischbrötchen - das macht sie gerne, wenn sie gerade nicht arbeiten muss. Die Wartelinie an den Ständen sei für Sie ganz normal. „Ich arbeite im Krankenhaus. Wir haben unsere Hygienemaßnahmen verdreifacht“, erzählt sie. Noch gebe es keinen stationären Corona-Fall, aber man sei vorbereitet.

Am Stand von Blumen Gerlinde-Berndt aus Dortmund wird laut Verkäufer Detlev Nolte (53) die Hygiene ebenfalls groß geschrieben: „Man hat mehr Verantwortung vor allem den älteren Kunden gegenüber. Ich muss die Hygienebedingungen genau beachten und die Kunden auf das Abstandhalten hinweisen. Das strengt unterbewusst ganz schön an“, sagt er. Abends sei er manchmal genau so geschafft wie in der Hochsaison.

Stammkunden kommen immer zur selben Uhrzeit

Ansonsten sei alles beim Alten. „Unsere Stammkunden kommen auch jetzt noch zur selben Uhrzeit“, erzählt er. „Ich bin richtig gerne in Werne. Die Kunden sind sehr freundlich. Das ist in so mancher Ruhrgebietsstadt ganz anders“, fügt er hinzu. Frühjahrsblumen seien aktuell sehr beliebt, denn die Menschen wollen ihre Quarantänezeit in einem schönen Garten verbringen.

So sieht das auch Kundin Christel Klein (78) aus Rünthe: „Ich sitze bei dem schönen Wetter jeden Tag im Garten.“ Sie gehört zu den Stammkunden, die regelmäßig zur gleichen Uhrzeit vorbeikommen. „Ich gehe eigentlich schon immer auf den Wochenmarkt. Das ist eine schöne Beschäftigung. Hier kriegt man alles, was man braucht“, sagt die Rüntherin.

Christel Klein (78) aus Rünthe geht „schon gefühlt immer“ zweimal die Woche zum Wochenmarkt. Dort bekommt sie alles, was sie benötigt.

Christel Klein (78) aus Rünthe geht „schon gefühlt immer“ zweimal die Woche zum Wochenmarkt. Dort bekommt sie alles, was sie benötigt. © Sylva Witzig

Seine Stammkunden sieht der Käsehändler Oliver Wulf aktuell eher seltener - dafür kämen jetzt ganz neue Kunden auf den Markt, die normalerweise zur Marktöffnungszeit arbeiten müssten. „Die Leute, die sonst in der Kantine gegessen hätten, müssen jetzt selber kochen“, erzählt er. Die Nachfrage nach haltbareren Käsesorten sei gestiegen. Haltbar sei vermutlich auch das Virus: „Ich schätze, das Thema wird uns jetzt noch eine ganze Weile begleiten“, so Wulf.

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