
© Andrea Wellerdiek
„Ich wünsche mir den Tod deiner Mutter“: Kassiererin (55) wird in der Corona-Krise übel beschimpft
Coronavirus
Heike Glas (55) ist Kassiererin im Supermarkt in Werne. In der Corona-Krise arbeitet sie, um andere zu versorgen. Nicht alle danken ihr. Sie wird gar übel beschimpft. Es bleibt nicht nur bei Beleidigungen.
Vieles hat Heike Glas (55) schon in ihrem langen Berufsleben erlebt. Aber das, was die Kassiererin in diesen schwierigen Zeiten der Corona-Krise erfährt, ist außergewöhnlich. Viele zeigen Dankbarkeit, andere lassen die Wut hingegen an Heike Glas und ihren Kollegen aus.
Während die meisten Bürger sich abschotten, daheim arbeiten und das alltägliche Leben zum Erliegen kommt, ist sie für andere da. Heike Glas arbeitet im Rewe Symalla im Horne-Center. Seit 40 Jahren ist die Bergkamenerin Kassiererin, seit Anfang der 2000er-Jahre im Rewe in Werne beschäftigt.
Kassiererin in Werne: „Ich musste mit den Tränen kämpfen“
Wie ihre Kollegen sorgt sie für den Weiterbetrieb in dem Supermarkt. Eigentlich müsste man Heike Glas danken für ihre tägliche Arbeit. Doch im Gegenteil. Einige Kunden, bei denen die Nerven blank liegen, lassen ihre Wut an den Mitarbeitern aus.
Auch Heike Glas wurde schon beschimpft. „Man muss sich einiges von den Kunden anhören“, erzählt die 55-Jährige. Den traurigen Höhepunkt erlebt sie aber, als es um das besonders begehrte Toilettenpapier geht und sie plötzlich beleidigt wird. „Die Kundin hat sich den Tod meiner Mutter gewünscht“, erzählt Glas.
„Das war schon sehr krass. Ich musste mit den Tränen kämpfen.“ Heike Glas hatte die Kundin gerade darauf aufmerksam gemacht, dass sie keine zwei Verpackungen, sondern nur noch ein Paket Toilettenpapier kaufen kann.
Packung Hefe fliegt an den Kopf
Denn auch im Rewe Symalla werden Artikel wie Toilettenpapier, Nudeln, Hefe und Mehl streng für die Kunden rationiert, um Hamsterkäufe zu verhindern und alle Bürger versorgen zu können. Für alle ist es eine Ausnahmesituation. Dass die Mitarbeiter die Wut der Kunden abgekommen, ist keine Seltenheit.
Neben Beschimpfungen und persönlichen Beleidigungen wie Heike Glas sie erlebt hat, wurde es an einer anderen Kasse noch dramatischer. „Eine Kollegin hat die Tage eine Packung Hefe an den Kopf geworfen bekommen“, erzählt Heike Glas sichtlich berührt. Noch nie habe sie so etwas in ihrem Berufsleben erlebt. Sie arbeitet seit ihrer Ausbildung mit 15 Jahren im Einzelhandel.
Ans Aufhören gedacht wegen der Corona-Krise
Es habe auch Tage gegeben, wo sie ans Aufhören gedacht habe. „Ich habe mich manchmal schon gefragt, wie lange wir das noch durchhalten können“, erzählt Glas. Sie denkt dabei vor allem darüber nach, ob sie genügend geschützt ist, wenn sie kassiert. Mittlerweile ist sie aber beruhigter.

Eine Sicherheitsvorkehrung im Rewe Symalla in Werne: Heike Glas hält mit ihrer linken Hand die Plexiglasscheibe, die nun zwischen Kunden und Mitarbeiterin hängt. © Andrea Wellerdiek
Denn die neuen Sicherheitsvorkehrungen geben ihr nun ein besseres Gefühl. Im Supermarkt zwischen den Regalen und im Warte-Bereich an der Kasse gilt ein Sicherheitsabstand von zwei Metern. Auf großen Schildern werden die Kunden darauf hingewiesen. An der Kasse selbst hängen seit einigen Tagen Plexiglasscheiben auf Augenhöhe der Mitarbeiterinnen.
Sicherheitsvorkehrungen im Rewe in Werne erhöht
Die meisten Kunden halten sich an die Vorkehrungen und halten bewusst einen Sicherheitsabstand. „Für uns alle ist das eine neue Situation. Wir müssen alle damit klar kommen und uns damit abfinden“, sagt Heike Glas. Sie appelliert an Jugendliche, keine „Corona-Fete“ zu machen, wenn sie entsprechende Getränke auf das Band legen.

Auf Hinweisschildern werden die Kunden darauf aufmerksam gemacht, genügend Abstand zu halten während ihres Einkaufs. Auch im Kassenbereich gibt es in der Warteschlange solche Hinweise. © Andrea Wellerdiek
Und sie bleibt in schwierigen Zeiten trotz allem freundlich. „Ich bin froh, wenn ich anderen helfen kann“, sagt Heike Glas. Und die meisten Kunden wissen das auch zu schätzen. „Viele Kunden sagen: ‚Danke, dass Sie da sind‘“, erzählt Glas. Manche hätten sogar kleine Süßigkeiten an die Kassiererinnen verschenkt. Als Geste der Dankbarkeit für die Heldinnen der Corona-Krise. Auch das hat Heike Glas noch nie zuvor so erlebt.