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Jahresrückblick in Werne: Gammelnde Immobilien und Corona-Hochhaus
Das Jahr 2021
Gammelnde Denkmäler, ein Hochhaus unter Quarantäne und ein explodierendes Chemielabor - 2021 gab es in Werne reichlich Trubel rund um Immobilien. Das zeigt Teil 1 unseres Jahresrückblicks.
Als wäre die Lage auf dem Immobilienmarkt nicht schon angespannt genug, beginnt das Jahr 2021 in Werne quasi mit einer Altlast aus dem Vorjahr. Im Prinzip ist besagte Last sogar schon Jahrzehnte alt. Doch sie gerät nun wieder in den Fokus: Es handelt sich um das verfallene Haus an der Südmauer 27. Nachdem einigen Politikern bereits Ende 2020 mit Blick auf das vor sich hingammelnde Gebäude der Kragen geplatzt ist, will die Werner SPD im Januar 2021 Nägel mit Köpfen machen.
In einem Antrag fordern die Sozialdemokraten die Verwaltung auf, „geeignete rechtliche Schritte gegen den Eigentümer der Immobilie Südmauer 27 vorzubereiten, um das Objekt nachhaltig zu sichern sowie für eine Instandsetzung zu sorgen“. Auch eine Enteignung soll geprüft werden. Die Stadt hat letzteres aus Sorge vor einer unbequemen Gegenreaktion bislang gescheut. Zu groß ist die Angst, dass plötzlich die Abrissbagger anrollen könnten. Zumal das Gebäude nicht als Ganzes, sondern nur seine Fassade unter Denkmalschutz steht.

Theo Elberfeld in dem alten Haus an der Burgstraße 15. Er würde es gerne verkaufen. Darf er aber nicht. © Felix Püschner
Eigentümer dreht den Spieß um und reicht selbst Klage ein
Nach dem Auftrag der Politik muss die Verwaltung in den folgenden Monaten aber in die Offensive gehen - und vor Gericht ziehen. Das hängt allerdings auch mit einer kuriosen Wendung zusammen. Denn der Eigentümer des Gammelhauses kommt der Stadt zuvor und reicht selbst Klage ein.
Damit will er die Streichung aus der Denkmalliste und einen anschließenden Abbruch des Gebäudes erreichen. Auf Seiten der Stadt schätzt man die Erfolgsaussichten dieser Klage gering ein. Das gilt jedoch auch für eine Enteignung. Die Stadt will dem Eigentümer darum noch einmal ein Kaufangebot unterbreiten - ebenfalls mit geringen Erfolgsaussichten.
Wenig Optimismus gibt es auch bei einigen anderen historischen und teils denkmalgeschützten Problem-Immobilien der Lippestadt. Zum Beispiel an der Burgstraße. Dort „kümmert“ sich Theo Elberfeld um das Haus mit der Nummer 15, das schon lange in Familienbesitz ist. Sein Opa kaufte das mehrere Jahrhunderte alte Gebäude einst mitsamt der Stuhlmacherwerkstatt an der Westmauer. Nun gammeln beide Gebäude vor sich hin. Und Theo sind die Hände gebunden.

Karl-Heinz Schwarze und die "Freunde des historischen Stadtkerns Werne" hatten das Haus an der Burgstraße ebenfalls im Blick - beziehungsweise die Stuhlmacherwerkstatt dahinter. © Felix Püschner
Familienstammbaum verhindert neues Museum für Werne
Am liebsten würde er Haus und Werkstatt verkaufen. Darf er aber nicht. Der Grund sind ungeklärte Erbschaftsangelegenheiten. Bis 2012 lebte Theos Cousin Heinz in dem Haus. Nach seinem Tod hinterließ Heinz jedoch weder ein Testament noch einen Erbvertrag. Der Familienstammbaum der Elberfelds ist ziemlich verzweigt, es gibt mehr als ein Dutzend Erbberechtigte.
Und die sind nicht alle sonderlich kooperativ. Einige haben das Erbe bereits ausgeschlagen - andere haben entweder noch nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht oder sich überhaupt nicht zurückgemeldet, nachdem sie angeschrieben wurden.
Die Situation bereitet aber nicht nur Theo Elberfeld Kummer, sondern auch dem Verein „Freunde des historischen Stadtkerns Werne“. Der wollte aus der Stuhlmacherwerkstatt eigentlich ein Museum machen, putzte in den vergangenen Jahren ordentlich Klinken und sicherte sich dadurch rund 300.000 Euro an Fördergeldern und Spenden, um die Pläne in die Tat umsetzen zu können. Im August 2021 gibt der Verein schließlich schweren Herzens auf. Man wolle sich jetzt lieber auf andere Themen fokussieren statt weiter „auf das Wunder zu hoffen“, heißt es.

Nach einem Corona-Ausbruch wurde im Holtkamp ein Hochhaus mit 52 Personen unter Quarantäne gestellt. © Jörg Heckenkamp
Quarantäne-Hochhaus im Holtkamp - Explosion im „Labor“
Deutlich mehr Betrieb als in besagten Problem-Immobilien herrscht im Februar 2021 in einem Hochhaus im Holtkamp. Das ist zwar nicht ganz so alt, wird aber trotzdem zum großen Gesprächsthema. Denn aufgrund eines Corona-Ausbruchs stellt der Kreis Unna kurzerhand das komplette Gebäude unter Quarantäne - beziehungsweise die 52 Personen, die darin leben.
Bei den Bewohnern handelt es sich um Arbeiter aus Rumänien, die bei einem Sub-Unternehmen einer Logistikfirma, einer Baufirma und einem Schlachtbetrieb angestellt sind. Keiner von ihnen darf das Gebäude mehr verlassen. Ein Sicherheitsdienst ist ab sofort für die Überwachung zuständig.
Nach 14 Tagen wird die Isolation für einige Bewohner sogar auf vier Wochen verlängert. Bei insgesamt 18 wird in diesem Zeitraum die britische Virus-Variante B.1.1.7 nachgewiesen. Das schlägt den Bewohnern scheinbar so sehr aufs Gemüt, dass es zu einem Polizeieinsatz mit Spezialeinsatzkräften kommt, nachdem ein Mann mehrere Personen mit einem Messer bedroht. Später heißt es, es habe sich um familiäre Streitigkeiten gehandelt, die nicht im Zusammenhang mit der Quarantäne stünden.
Spezielle Einsatzkräfte - nämlich Sprengstoffexperten - muss die Polizei auch im April nach Werne schicken. Der Grund ist eine Explosion in einem Mehrfamilienhaus in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße. Bei dem Verursacher handelt es sich um einen 31-jährigen Mann. Der polizeibekannte Werner hat anscheinend versucht, in Eigenregie Böller herzustellen. Bei der Explosion zieht er sich schwere Verbrennungen zu. In seinem kleinen „Labor“ finden die Einsatzkräfte anschließend mehrere Chemikalien, die sie sicherheitshalber kontrolliert sprengen.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
