Heike Isselmann war 44 Jahre bei Rössel in Werne Freude auf den Ruhestand ist überschattet

Der letzter Arbeitstag: Heike Isselmann (64) war 44 Jahre bei Rössel angestellt
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1980 hat Heike Isselmann bei Rössel Messtechnik Werne angefangen. Ihr Berufsleben startete im August 1974 mit der Lehre. Wenn sie am Freitag, 23. August 2024, ihren letzten Arbeitstag hat, stand sie also genau 50 Jahre im Berufsleben. „Ich habe immer gerne gearbeitet“, sagt sie, „aber jetzt freue ich mich auf den Ruhestand“. Der wird leider durch einen Schicksalsschlag überschattet.

Heike Isselmann, hier mit ihrem Kollegen Christian Behrens, lobt das gute Betriebsklima und die familiäre Atmosphäre.
Heike Isselmann, hier mit ihrem Kollegen Christian Behrens, lobt das gute Betriebsklima und die familiäre Atmosphäre. © Jörg Heckenkamp

Später im Gespräch sagt die 64-Jährige: „Ich bin ein Mensch, der auf andere zugeht.“ Genau das merkt der Reporter schon, als er zum Termin bei Rössel Messtechnik am Fürstenhof/Lohstraße in Werne eintrifft. Bevor er die Eingangstür auch nur berühren kann, kommt ihm eine Frau in pinkfarbener Bluse entgegen: „Ah, Sie sind der Mann von der Presse?“ „Richtig. Und Sie sind Frau Isselmann, die jetzt in Rente geht?“ „Richtig. Dann kommense mal rein.“ Frau Isselmann, denke ich, ist keine, der man jedes Wort aus der Nase ziehen muss.

Diese Einschätzung ist richtig. Sie erzählt voller Elan und so flüssig, dass der Reporter sie manchmal ausbremsen muss, um alles mitschreiben zu können. Ihre Geschichte geht so: Jahrgang 1960, hat sie Mitte 1974 ihren Hauptschulabschluss gemacht und ist mit 14 Jahren in die Lehre zur Hauswirtschafterin gegangen. Doch der Beruf war nicht so das Richtige für sie.

Seniorchefin war begeistert

„Die nächsten Jahre bin ich beruflich viel getingelt“, sagt sie, war auch schon mal einige Wochen arbeitslos, „aber ohne mich anzumelden“ und ist schließlich in der Produktion einer Firma in Altena gelandet. Doch die eintönige Fließband-Arbeit war nichts für sie. 1980 standen für die damals 20-Jährige zwei neue Jobs zur Auswahl: einer in Hamm, bis heute ihre Heimatstadt, und eben bei Rössel. „Ich habe mir beides angeschaut, aber hier war die Arbeit abwechslungsreicher.“

Außerdem war die Seniorchefin „von meinem Zeugnis begeistert. Sie wollte mich auf der Stelle einstellen und fragte, wann ich anfangen könne“. Da Heike Isselmann ein spontaner, offener Mensch ist, sagte sie: „Sofort.“ Am nächsten Tag war sie Mitglied im Team von Rössel. Daher auch das ungewöhnliche Einstellungsdatum: 14. Juli 1980.

Heike Isselmann an ihrem Arbeitsplatz. Sie sei immer gerne zur Arbeit gegangen, sagt sie.
Heike Isselmann an ihrem Arbeitsplatz. Sie sei immer gerne zur Arbeit gegangen, sagt sie. © Jörg Heckenkamp

„Wie eine Familie“

„Ich habe es nie bereut, hier angefangen zu haben“, sagt die angehende Rentnerin. Die Aufgaben in der Produktion seien abwechslungsreich gewesen. „Klar, es gab auch mal Arbeit, die nicht so doll war, aber das war nur zeitweise.“ Was sie besonders lobt, ist das gute Betriebsklima. „Wir 40 Leute hier in der Produktion sind ein tolles Team. Das fühlt sich manchmal wie eine Familie an. Alle, auch im Büro, sind nett und freundlich.“

Wahrscheinlich hat sie selbst einen gehörigen Anteil daran. Denn durch ihre offene Art geht sie insbesondere auf neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu. „Die sind manchmal unsicher, dann rede ich mit ihnen, mache ihnen den Einstieg leichter.“ Das gelte auch für Ferien-Jobber und studentische Hilfskräfte, „die haben sich hier alle wohlgefühlt und sind gerne wiedergekommen“. Als der Reporter fragt, ob sie so etwas wie die „Mutter der Kompanie“ sei, lächelt sie, nickt und sagt: „Kann man so sagen.“

Ihr Chef Henry Hall sagt, dass solch eine langjährige Treue längst nicht selbstverständlich sei: „Sie hat sich immer mit dem Unternehmen identifiziert und engagiert. Solche treuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen wesentlich zum Erhalt einer positiven Unternehmenskultur bei.“ Heike Isselmann habe mit ihrer offenen Art gut zur Integration neuer Beschäftigter beigetragen. Zudem habe sie sich in den vielen Jahrzehnten „ein tiefes Wissen aufgebaut, das schwer zu ersetzen ist.“

Frühstück für die Belegschaft

Zusammen mit Kollegin Monika Blechinger (r.) bereitet Heike Isselmann an ihrem letzten Arbeitstag ein Frühstück für die Belegschaft vor.
Zusammen mit Kollegin Monika Blechinger (r.) bereitet Heike Isselmann an ihrem letzten Arbeitstag ein Frühstück für die Belegschaft vor. © Jörg Heckenkamp

50 Jahre Berufstätigkeit, 44 Jahre davon bei Rössel, gehen nun zu Ende. Am Freitag gibt sie für das Team ein Frühstück aus. Nachmittags feiert sie noch mit beim Firmen-Sommerfest, dann ist Schluss. Was kommt? „Reisen“, sagt sie spontan, „ich will reisen“. Nicht mit dem Flugzeug, da fürchtet sie sich, sondern mit dem Zug und - vor allem - einmal mit einem Kreuzfahrtschiff.

Finanziell, macht sie deutlich, gehe es ihr gut. Also alles in bester Ordnung? Nicht ganz. Denn ein Schicksalsschlag überschattet den ersehnten Ruhestand. „Mein Mann und ich hatten uns gemeinsam so viel für die Rente vorgenommen. Aber er ist leider vergangenes Jahr gestorben.“ Kurz stockt sie, dann strafft sie sich und sagt: „Aber das Leben muss ja weitergehen.“ Heike Isselmann wird das schaffen.

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