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Geburten unter Corona-Auflagen: Mit Maske im Kreißsaal entbinden
Geburt in Corona-Krise
Die Corona-Krise ist nicht nur für Ärzte, Krankenhausmitarbeiter und Pflegepersonal eine Herausforderung, sondern auch für werdende Eltern. Oft müssen Mütter beim Entbinden Masken tragen.
Mütter, die in diesen Wochen ein Kind auf die Welt bringen, tun dies unter erschwerten Bedingungen. Vielerorts ist, wenn überhaupt, nur noch der Vater als Begleitung in den Kreißsaal erlaubt. Und als am 27. April die Maskenpflicht bundesweit in Kraft getreten ist, ist sie es vielerorts, wie etwa in Krankenhäusern in Hamm, Soest oder Arnsberg, auch für werdende Mütter im Marien-Hospital in Lünen. Im Verbund mit dem Christophorus-Krankenhaus Werne entbinden dort viele Frauen aus Werne.
Mit der Quasi-Pflicht, ein Kind mit einer Maske auf die Welt zu bringen, sind nicht alle Hebammen und Verbände einverstanden. Der Verein Motherhood e.V., eine Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während Schwangerschaft, Geburt und erstem Lebensjahr, weist Familien auf ihre Rechte während, vor und nach der Geburt hin.
Und in diesen Tagen auch darauf, dass niemand sie dazu zwingen kann, beim Entbinden eine Maske zu tragen. Für eine Maskenpflicht gebe es weder von gynäkologischen Fachgesellschaften noch von der Weltgesundheitsorganisation eine entsprechende Empfehlung.
Balanceakt zwischen Mitarbeiterschutz und Mutterwohl
Es ist ein Balance-Akt zwischen den Rechten der Schwangeren und dem Schutz der Menschen, die beim Entbinden helfen. „Letztendlich ist die Maske ein Schutz für die Mitarbeiter, um die Ausatemluft der Mutter, die keimtragend sein kann, etwas zu reduzieren“, sagt Dr. Donat Romann, Chefarzt der Frauenarztklinik am Krankenhaus in Lünen. Das sei nötig, um das Klinikum als Entbindungsstätte am Laufen zu halten.
Die Belastung für Frauen, während der Entbindung eine Maske zu tragen, sei tolerabel, so der Mediziner. Egal mit welchem Anliegen ein Patient derzeit ins Krankenhaus komme, irgendwo müsse für alle die Linie gezogen werden ob Maske ja oder nein. „Wir müssen da jetzt eine Zielvorgabe umsetzen“, so Romann.
Allerdings werde das Krankenhaus die Entbindenden, sollten diese keine Luft bekommen, nicht zum Aufsetzen einer Maske zwingen. So viel Individualität sei der einzelnen Geburt trotz Corona-Krise noch zuzusprechen. Bisher habe es mit der Regelung keine Schwierigkeiten gegeben. Und auch noch keine Entbindung in einem Corona-Verdachtsfall.
Auch im Werner Geburtshaus sehen die Hebammen die Notwendigkeit der Masken im Krankenhaus, trotzdem sei die Geburt mit Maske für die Frauen unzumutbar, so Edina Lippe-Borrmann, Leiterin des Geburtshauses. „Es kann nicht sein, das Gebärende bei der Geburt ihre verbrauchte Luft wieder einatmen“, sagt Lippe-Borrmann.
10 bis 12 Stunden eine Maske zu tragen, während man ein Kind auf die Welt bringt, sei unmöglich. „Eine Gebärende muss intensiv atmen, sie hat einen erhöhten Bedarf an Sauerstoff“, so Lippe-Borrmann. Deshalb sind bei den Geburten der Hebammen des Geburtshauses - egal ob zu Hause oder im Geburtshaus - keine Masken vorgeschrieben.
Schwangere sind für Krankenhäuser fremdes Klientel
Lippe-Borrmann sieht aber die Zwickmühle, in der sich die Krankenhäuser derzeit befinden. Denn für ein Krankenhaus seien schwangere Frauen ein ganz anderes Klientel. „Die kennen die Frauen nicht“, so die Hebamme. Für Hebammen sei die Lage anders, da diese die Frauen die Schwangerschaft über begleiten und wissen, ob sie zu Hause bleiben und wie es ihnen geht.
Das Land NRW überlässt die Umsetzung der Schutzvorschriften weitestgehend den Einrichtungen selbst. Diese hält das Land an, Ausnahmen von den Vorschriften vor „medizinischen oder ethisch-sozialen“ Gründen zu erörtern.
In Sachen Besuchsrecht ist es dem werdenden Vater im Lüner Krankenhaus erlaubt, seine Frau während der Entbindung zu begleiten.
Die Kreißsäle, in denen die natürlichen Geburten durchgeführt werden, sind abgeschirmte Bereiche. Ein Kaiserschnitt wiederum muss im Zentral-OP mit mehr Mitarbeitern durchgeführt werden - ein Szenario, in dem sich mehr Menschen mit dem Virus anstecken könnten. Hier sind bei der Geburt nur Väter erlaubt, die einen negativen Coronatest, der nicht älter als fünf Tage sein darf, vorweisen können.
Bei geplanten Geburten werden die werdenden Eltern zuvor in einer Sprechstunde auf den Ablauf der Geburt eingestellt. Anhand eines Fragebogens und einer Fiebermessung wird dann ermittelt, ob es sich bei einem der beiden um einen Corona-Verdachtsfall handeln könnte. Zur Geburt müssen beide Elternteile dann einen negativen Corona-Test vorlegen. Auf die Wochenbettstation dürfen Väter in Lünen Mutter und Kind dann aber nicht mehr begleiten.
Spontane Geburten sind Herausforderung in Corona-Krise
Wer ungeplant zum Entbinden ins Lüner Krankenhaus kommt, wird ebenfalls anhand eines entsprechenden Fragebogens als verdächtig oder unverdächtig eingestuft. Bei unverdächtigen Fällen werden die Mütter mit einer Mund-Nase-Bedeckung in den Kreißsaal gebracht, in Verdachtsfällen muss das Klinikpersonal die Geburt mit entsprechender Schutzkleidung durchführen.
In solchen Fällen bleibt aber ein Risiko: „Wenn Sie so kommen, können wir nicht einschätzen, ob eine frische Infektion vorliegt“, sagt Romann. Mütter, die dann stationär im Krankenhaus bleiben, werden zusätzlich durch das Krankenhaus auf SARS-CoV-2 getestet.
Weil die Situation in den Krankenhäusern für viele Frauen in puncto Maskenpflicht und Besuchsrecht ungewiss ist, hätten sich schon einige Frauen zu einer Hausgeburt oder der Geburt im Geburtshaus umentschieden, sagt Edina-Lippe-Borrmann. Eine Geburt hier sei möglich, solange der Vorab-Fragebogen keine Auffälligkeiten aufweise. In einem Verdachtsfall würde das Geburtshaus die Frau dann ans Krankenhaus verweisen.
Gebürtige Münsterländerin, seit April 2018 Redakteurin bei den Ruhr Nachrichten, von 2016 bis 2018 Volontärin bei Lensing Media. Studierte Sprachwissenschaften, Politik und Journalistik an der TU Dortmund und Entwicklungspolitik an der Philipps-Universität Marburg. Zuletzt arbeitete sie beim Online-Magazin Digital Development Debates.
