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Mit Video: Neuland-Fleisch ist nichts Neues in Werne, wird aber immer beliebter
Tierwohl
Wenn es um Tierwohl geht, ist Clemens Overmann aus Werne ein Vorreiter. Denn er vertreibt schon seit mehr als 30 Jahren Neuland-Fleisch in seinem Geschäft. Die Nachfrage ist gestiegen - eigentlich mit jedem neuen Skandal.
Neuland ist kein Neuland mehr in Werne: Es musste sich etwas ändern. Die Zustände in der Massentierhaltung konnte Clemens Overmann nicht mehr ertragen. Deshalb gehörte der Werner zu den Gründungsvätern des Neuland-Vereins. Dieser Verein, dem von Anfang an neben Tierschutzverbänden und -organisationen auch Fleischer und Geschäftsleute angehörten, setzt sich seitdem für das Tierwohl ein.
Innerhalb dieser Fleischvertriebsgesellschaft fördern die Mitglieder die Produktion und den Verkauf von Fleischwaren aus tiergerechter und umweltschonender Tierhaltung. Seit mehr als 30 Jahren gibt es qualitativ hochwertiges Fleisch und Wurstwaren auch im Lebensmittelgeschäft von Clemens Overmann in der Steinstraße in Werne.
Jeder Skandal hatte Wirkung - zumindest kurzfristig
„Anfangs wurden wir belächelt. Jetzt stehen andere mit dem Rücken zur Wand“, sagt der 64-Jährige nach dem jüngsten Skandal um Tierquälerei in einer Viehsammelstelle von Mecke in Werne. Mit jedem Skandal - ob damals etwa die Rinderseuche BSE oder die Geflügelpest - habe er Effekte bei den Verbrauchern gespürt, erzählt Overmann.
Viele würden auch dabei bleiben, weniger oder gar kein Fleisch mehr zu essen. Auch in seinem Lebensmittelgeschäft ist das erkennbar. Habe man anfangs noch viel zu viele Neuland-Produkte gehabt, kann er heute die Nachfrage nach dem qualitativ hochwertigen Fleisch gar nicht immer bedienen.
Das Problem: Es gibt in Werne nur einen einzigen Neuland-Bauern. „Am besten schreiben Sie seinen Namen nicht, ansonsten rennen die Leute ihm womöglich die Bude ein“, sagt Overmann zur Reporterin. Vor allem Neuland-Hähnchenfleisch ist rar. Deshalb ist dies im Vergleich zu industriellen Produkten deutlich teurer - es macht bei Hähnchenfleisch einen Unterschied von etwa 30 Prozent aus.
Seine Fleisch- und Wurstwaren bekommt Clemens Overmann direkt aus einem Zerlegebetrieb an der Ökologiestation in Bergkamen-Heil, erzählt er. Von etwa 50 Landwirten aus dem Ruhrgebiet und Münsterland werden die Tiere zunächst in einen Schlachtbetrieb nach Unna gebracht, ehe es weiter zum Zerlegebetrieb nach Bergkamen geht. Von dort aus werden die Waren dann an Verkaufsstellen wie die von Overmann geliefert. „Wir reden nicht von tausenden Kilometern, sondern nur von kurzen Transportwegen.“

Die Herkunft der Tiere lässt sich anhand der peniblen Buchführung, die auch im Geschäft von Clemens Overmann herrscht, nachverfolgen. © Andrea Wellerdiek
Die Herkunft der Tiere wird penibel dokumentiert, wie jeder Kunde im Lebensmittelgeschäft Overmann in einer Mappe, die auf der Fleischtheke liegt, nachlesen kann. „Wir tragen jedes Stück, was man hier sieht, ein. Und wenn es verkauft wird, wird es wieder ausgetragen“, sagt Mitarbeiterin Maria Wintjes und zeigt über eine Nummer unter einem Barcode für ein Stück Rindfleisch.
Clemens Overmann aus Werne zahlt selbst für Qualitätskontrollen
Neben der Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit bis zum Landwirt gibt es überall dort, wo Neuland-Fleisch verkauft wird, ein hohes Qualitätsmanagement. Regelmäßig gibt es deshalb auch bei Clemens Overmann unangekündigte Kontrollen, die die Mitglieder des Neuland-Vereins selbst mitfinanzieren. Der Werner Geschäftsmann bezahlt demnach für die Kontrollen, die in seinem Laden durchgeführt werden.
„Und wenn dann da etwas nicht passen sollte, fliegt man sofort raus“, erzählt er. Konsequenzen gab es auch 2013 und 2014, als selbst Neuland-Landwirte die Herkunft der Tiere verschleiert oder Verkäufer Fleisch aus konventioneller Herkunft als Neuland-Fleisch angeboten hatten. Danach wurden laut Neuland-Verein die Kontrollen erhöht und unter anderem eine intensivere Prüfung des Warenflusses und eine höhere Transparenz in den Vermarktungsketten angekündigt.

Neuland-Fleisch seit 30 Jahren im Angebot: Fleischwaren mit hohen Qualitätsstandards gibt es im Geschäft von Clemens Overmann und seinem Team. Hier ist der Geschäftsinhaber mit Mitarbeiterin Maria Wintjes zu sehen. © Andrea Wellerdiek
Clemens Overmann möchte sich selbst auch ein Bild von den Lieferketten machen, sodass er und sein Team regelmäßig zur Ökologiestation nach Bergkamen fahren. „Das passiert während der Arbeitszeit. Das ist für mich wie ein Seminar“, erklärt der 64-Jährige. Er weiß, unter welchen Bedingungen die Tiere mit der Marke Neuland gehalten werden.
Eine Prämisse: Die Tiere haben deutlich mehr Platz als in der konventionellen und industriellen Tierhaltung. Bei Hühnern beispielweise sind vier Quadratmeter Auslauf vorgesehen. Pro Tier versteht sich. Die Tiere sollen 24 Stunden die Möglichkeit haben, auf eine Außenfläche zu gehen. Bei Hühnern allerdings, sagt Overmann, sei dies eher nur tagsüber der Fall. „Nachts holen die Landwirte sie wieder rein - aus Angst vor Füchsen“, erklärt der Werner.
Ohne Massentierhaltung geht es nicht
Schweine stehen zudem auf Stroh, nicht auf Spaltenböden. Die Tiere müssen Tageslicht bekommen. Zu den Standards gehört ebenso der Verzicht auf Gentechnik und importiertes Futter. Es sind Voraussetzungen, die ausschließlich in der bäuerlichen Landwirtschaft umsetzbar sind, nicht in der konventionellen Massentierhaltung. Die Landwirte, die fair bezahlt würden, würden laut Clemens Overmann nach dem klassischen Prinzip gehen, dass man nur so viele Tiere hält, für die man auch selbst Futter hat. „Und die Zahl der Tiere muss sich an der Größe der verfügbaren Flächen orientieren - das ist entscheidend“, erklärt Overmann.

Das Neuland-Fleisch kommt aus tiergerechter, umweltschonender und bäuerlicher Landwirtschaft. Der Kunde muss bei Hähnchenfleisch deshalb etwa 30 Prozent mehr Geld ausgeben. © Andrea Wellerdiek
Für ihn ist aber eines klar: Ohne Massentierhaltung wird es auch in Zukunft nicht gehen. Nur 3 Prozent der gesamten Fleischindustrie macht Neuland aus. Aber wenn der Verbraucher sein Essensverhalten ändert, könne nachhaltig der Druck in der Branche sinken. „Eine Konsequenz wäre, dass jeder maximal ein bis zwei Mal in der Woche Fleisch isst. Es ist unfassbar, was wir an Schweinefleisch essen“, sagt Overmann. Die Kitas und Schulen, die er beliefert, bekommen deshalb ein Mal in der Woche Fleisch von ihm. Dann natürlich von der Marke Neuland.