Manchmal, wenn Stadtbrandinspektor Thomas Temmann zu einem Einsatzort gerufen wird, bleibt er - natürlich nur, wenn nicht große Gefahr im Verzug ist - noch einen Moment im Fahrzeug sitzen. Denn oft ist er der Erste am Einsatzort. Dann wartet er lieber, bis auch die Polizei eingetroffen ist.
„Insgesamt genießen wir schon immer noch einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung und einen guten Ruf, vor allem nach dem Hochwasser 2021“, sagt er. „Aber in letzter Zeit hat man schon gemerkt, dass das Verständnis gegenüber den Einsatzkräften zurückgegangen und der Ton rauer geworden ist.“ Manche Passanten hielten sich zum Beispiel nicht an Absperrungen, führen einfach durch. „Manchmal habe ich schon ein brenzliges Gefühl“, bekennt er. Einer seiner Kameraden wurde in der Silvesternacht verbal hart angegriffen.
Und noch einen weiteren Trend beobachtet Temmann, der seit inzwischen 38 Jahren Feuerwehrmann und seit 15 Jahren Einsatzleiter ist: einen deutlichen Anstieg der Einsätze. Zwar sind sie mit 556 Einsätzen auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr, im Vergleich zu 2021 haben sie aber um gut 100 Stück zugenommen. Und 2014 waren es noch weniger als die Hälfte.

Als Ursache dafür sieht Temmann vor allem drei Faktoren. Zum einen vermutet er eine zunehmende „Hilflosigkeit der Menschen“. Viele riefen die Rettungskräfte, weil sie sich selbst nicht zu helfen wüssten. Als Gegenbeispiel dafür nennt er einen Heckenbrand erst vor wenigen Tagen, den mehrere Nachbarn gemeinsam beherzt gelöscht hätten.
Eine weitere Ursache für den Anstieg der Einsätze sind die Brandmeldeanlagen. „Negativ ist leider, dass allein 21 der 52 Brandmeldeanlagen-Alarme auf nur drei Objekte in Werne zurückzuführen sind“, heißt es in der Pressemitteilung zum Jahresrückblick. Temmann erklärt: „Wir haben in Werne 52 Betriebe mit Brandmeldeanlagen, aber es waren nur drei, die insgesamt 21-mal auslösten. Grund dafür sind technische Probleme. Da müsste mal Geld in die Hand genommen werden, um die Anlagen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen.“ Es sei eine Herausforderung für die Kammeraden, trotzdem jeden der Alarme ernst zu nehmen. Es könnte ja doch mal wirklich brennen.

Als dritten Grund für den Anstieg nennt er die Einsätze mit der Bezeichnung „Technische Hilfe (TH) Tür“, also diejenigen, bei denen verschlossene Türen geöffnet werden müssen. „Die haben in ganz erschreckendem Maße zugenommen“, sagt Temmann. 2022 waren es 56. Er vermutet dahinter eine Vereinsamung der Menschen. Dass es immer weniger gibt, die sich um ihre Nachbarn, ihre Eltern, ihre Bekannten kümmern und die einen Schlüssel haben, um im Notfall die Tür zu öffnen. „Manchmal öffnen wir eine Tür und dahinter liegt eine Person, die schon seit einer Woche tot ist“, erzählt er.
Viele sturmbedingte Einsätze

Neben diesen kleineren Einsätzen, dem Tagesgeschäft quasi, gab es auch einige spektakuläre Ereignisse für die Ehrenamtlichen. Vom 17. bis zum 19. Februar zogen die beiden Sturmtiefs Ylenia und Zeynep über Werne hinweg und hinterließen eine Schneise der Verwüstung. Rund 70 Einsatzkräfte der gesamten Feuerwehr Werne waren an diesen drei Tagen 40-mal im Einsatz. Nur drei Tage später rief ein Brand im RWE-Kraftwerk, verursacht durch ein Ölleck, alle verfügbaren Einsatzkräfte auf den Plan.
Im April retteten die Feuerwehrleute eine verletzte Person aus einer brennenden Wohnung an der Lüner Straße. Sie mussten auch zu einem Brand in einer Lüftungsanlage im Christophorus Krankenhaus auszurücken. „Im Nachhinein war das relativ harmlos“, erinnert sich Stadtbrandinspektor Thomas Temmann, „aber während des Einsatzes standen wir sehr unter Druck. Die Einsatzzentrale fragte ständig, ob das Krankenhaus evakuiert werden müsste. Da schrillen bei jedem die Alarmglocken.“
Im Juni brannte ein Carport, und Temmann erinnert sich stolz daran, dass es den 50 Kräften unter großen Anstrengungen gelungen war, das Feuer daran zu hindern, auf das Wohnhaus überzugreifen. „Das war eine Sache von Minuten“, sagt er, auch Monate später noch sichtlich erleichtert.

Im Juli und August hielten mehrere Feld- und Vegetationsbrände die Feuerwehrleute auf Trab. Im September gab es einen Einsatz, der bei einem Kaminbrand in der Jahnstraße 22 Einsatzkräfte in fünf Fahrzeugen erforderte.
Der Einsatz, zu dem die Ehrenamtlichen im Oktober gerufen wurden, ist einer der ersten, an den Stadtbrandinspektor Temmann im Rückblick auf 2022 denkt. „Zu einem Gebäudebrand wurden die Löschzüge Stadtmitte und Stockum in die Straße Heitkamp gerufen“, beschreibt er den Vorfall. „Beim Eintreffen der ersten Kräfte schlugen bereits die Flammen aus einem Fenster im Erdgeschoss. Vier Bewohner hatten zuvor das Gebäude verlassen, eine gehbehinderte Person wurde noch in der Brandwohnung vermisst. Nach wenigen Minuten konnte der schwer verletzte Mann von einem Trupp unter Atemschutz gerettet und an den Rettungsdienst übergeben werden. Das war wirklich Rettung in letzter Sekunde“, erinnert er sich. „Da geht einem auch nach 38 Jahren noch wirklich der Puls hoch.“

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Und auch noch im Dezember wurden die Einsatzkräfte bei eisigen Temperaturen zu einem weiteren Wohnungsbrand in der Innenstadt gerufen. 40 Kammeraden waren vier Stunden im Einsatz. Verletzt wurde niemand.
„Bei einer so hohen Zahl an Einsätzen kann man nur stolz darauf sein, dass die Kameraden mit einer so hohen Motivation mehrmals pro Woche ehrenamtlich aus dem Bett springen“, resümiert Thomas Temmann.