Ehrendoktor für Ruth Oppenheim (94) 1940 flüchtete sie vor den Nazis aus Werne

Ehrendoktor für Ruth Oppenheim (94): 1940 flüchtete sie aus Werne vor den Nazis
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Die Eltern von Ruth, Albert und Rosa Heimann, lebten mit ihren vier Kinder an der Steinstraße 33 in Werne. Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurde das Leben jüdischer Familien in Deutschland immer eingeschränkter, immer gefährlicher. Der gesamten Familie gelang schließlich 1939/40 die Flucht in die USA. Dort erfuhr kürzlich die mittlerweile 94-jährige Ruth Oppenheim, wie sie nach ihrer Hochzeit heißt, eine ganz besondere Auszeichnung.

Denn die Brown Universität aus Providence, der Hauptstadt von Rhode Island, verlieh Ruth Oppenheim die Ehrendoktorwürde. Sie wird als Holocaust-Überlebende gewürdigt, die sich mit der Auslöschung der Juden durch das Nazi-Regime intensiv befasst und ihr Wissen und ihre Erlebnisse weitergegeben habe.

Die drei Heimann-Mädchen Julie (h.), Hannelore (r.) und Ruth, die jetzt als 94-Jährige die Ehrendoktorwürde zugesprochen bekam.
Das Bild zeigt Ruth Oppenheim, geborene Heimann, auf einer Publikation der Brown Universität zur Verleihung des Ehrentitels. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Familie Heimann seit 1816 in Werne

Seit 1816 gibt es die Familie Heimann und eröffnete Mitte des 19. Jahrhunderts eine koschere, jüdische Fleischerei. In dritter Generation übernahm der 1896 geborene Albert Heimann die Fleischerei und baute sie stark aus. Die Schlachterei verwandelte sich in eine Fleischfabrik mit Filialen in Münster sowie Hamm und war längst nicht mehr nur für jüdische Kunden eine beliebte Anlaufstelle.

1922 heiratete Albert Heimann die 1900 geborene Rosa Fromm. Die reiche und angesehene Familie bestand aus den Eltern, drei Mädchen und einem Jungen (Julie, Hannelore, Ruth und Herbert). Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 sahen sich jüdische Mitbürger in Deutschland mehr und mehr Repressalien ausgesetzt. Das erlebten auch die Heimanns im eher beschaulichen Werne.

Die Eltern Albert und Rosa Heimann mit einem Foto ihrer Fleischerei an der Steinstraße 33 in Werne, heute Sitz der Baguetterie Schmitz.
Die Eltern Albert und Rosa Heimann mit einem Foto ihrer Fleischerei an der Steinstraße 33 in Werne, heute Sitz der Baguetterie Schmitz. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

„Juden“-Vermerk auf Amts-Beleg

Historikerin Heidelore Fertig-Möller, ehemalige Leiterin des Stadtmuseums Werne, zeigt einen kleinen Hinweis auf die zunehmenden Schikanen gegenüber Juden. Auf einer amtlichen Eintragung über die Zahlung von Schulgeld der Heimanns für ihre Kinder aus dem Jahre 1938 sei oben in roter Schrift ‚Juden‘ vermerkt. Die Heimanns verspürten in allen Lebensbereichen Ausgrenzungen und Böswilligkeiten. Nach der Reichspogromnacht im November 1938 bemühte sich Albert Heimann um die Ausreise seiner Familie in die Vereinigten Staaten. Was in zwei Etappen, 1939 und 1940, tatsächlich gelang.

1986 besuchten Hannelore Adler, geb. Heimann (M.) und ihr Mann Werne. Rechts die damalige Museumsleiterin Heidelore Fertig-Möller.
1986 besuchten Hannelore Adler, geb. Heimann (M.) und ihr Mann Werne. Rechts die damalige Museumsleiterin Heidelore Fertig-Möller. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

1986 Besuch in Werne

Familie Heimann etablierte sich in den USA. Zwei der vier Kinder von damals, Herbert und Julie, sind mittlerweile gestorben. 1986 besuchte Hannelore Heimann, verheiratete Adler, mit ihrem Gatten ihre Geburtsstadt Werne. Ausgangspunkt waren die Recherchen der damaligen Museumsleiterin Heidelore Fertig-Möller für die Sonderausstellung „Juden in Werne“. Das Ehepaar Adler trug sich ins Goldene Buch der Stadt Werne ein. „Seitdem schreiben wir uns regelmäßig“, sagt Fertig-Möller. Die Tochter von Hannelore Adler informierte nun Heidelore Fertig-Möller über die Ehrendoktor-Würde, die ihre Tante, Ruth Oppenheim, durch die Brown Universität erfahren habe.

Sogenannte "Stolpersteine" erinnern vor dem Haus an der Steinstraße 33 an das Schicksal der Familie Heimann im Dritten Reich. Alle sechs konnten in die USA fliehen.
Sogenannte "Stolpersteine" erinnern vor dem Haus an der Steinstraße 33 an das Schicksal der Familie Heimann im Dritten Reich. Alle sechs konnten in die USA fliehen. © Jörg Heckenkamp

Thora-Rollen gerettet

Familie Heimann kommt in der Geschichte Wernes und der jüdischen Gemeinde eine besondere Rolle zu. Denn Vater Albert rettete in der Reichspogromnacht die Thora-Rollen aus der brennenden Synagoge und nahm sie schließlich mit nach New York.

Das Thema Drangsalierung, Verfolgung und Flucht hat auch Hannelores Tochter nicht losgelassen. Sie hat in ihrer Bachelor-Arbeit die Verhältnisse beleuchtet, in denen ihre Mutter und ihre Tanten damals in Werne aufwachsen mussten. Zudem gibt es noch eine besondere Erinnerung an die Familie Heimann. Vor dem Haus an der Steinstraße 33 sind sechs Stolpersteine eingelassen. Für Vater Albert, Mutter Rosa und ihre vier Kinder Julie, Hannelore, Ruth und Herbert.

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