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Diskriminierung: Lehrer (64) erstreitet Geld für entgangene Stelle an Schule
Lehrermangel
Tausende Lehrer können oder wollen in der Corona-Pandemie nicht arbeiten. Deutsch- und Englischlehrer Rainer König kann arbeiten, darf aber nicht. Nun hat er im Streit mit dem Land einen Teilerfolg errungen.
Angesichts des Lehrermangels klingt die Rainer Königs Geschichte kurios. Schwer an Krebs erkrankt verließ der Lehrer 2017 das Kamener Gymnasium und wurde frühpensioniert. Er erholte sich nach einer Operation entgegen seiner Erwartung und bewarb sich im Herbst 2018 an zwei Schulen in Dortmund und Bergkamen. Dabei kam ihm gelegen, dass Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) Pensionäre für befristete Stellen reaktivieren will, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Doch der Dienstherr versagte König trotz erfolgreicher Bewerbungsgespräche die Rückkehr, König sah sich als Schwerbehinderter diskriminiert und reichte Klage beim Arbeitsgericht ein.
Corona-Pandemie verschärft den Lehrermangel
Inzwischen hat die Pandemie den Lehrermangel verschärft. 6355 Lehrer in NRW, das sind 3,1 Prozent, waren Ende August vom Unterricht befreit, weil sie laut Attest im Falle einer Infektion einen schweren Verlauf fürchten müssen. Dazu kommen Lehrer, die vorübergehend nach einen Infektionsfall unter Quarantäne stehen, wie etwa am Gymnasium und an der Gesamtschule in Bergkamen.
Einer wie König, so ist zu vermuten, müsste der Schulministerin in diesen Zeiten willkommen sein. Der 64-Jährige war seit 1993 Gymnasiallehrer, spielt privat in einem Posaunenchor, schraubt als Hobby an einem Oldtimer und war 2019 und 2020 für einen Deutsch-Sommerkurs an einer Uni gebucht. „Ich habe weder fachlich noch pädagogisch Anlass zu Beanstandungen gegeben“, betont der Mann aus Hamm. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

Das Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg in Werne hat eine Vertretungsstelle zu besetzen. Kommt Rainer König zum Zuge? © Helga Felgenträger/Archiv
Klage vor dem Arbeitsgericht erst verloren
König fühlt sich ungeachtet eines Schwerbehindertengrads von 50 Prozent fit. Nun hat er im Streit mit der Bezirksregierung Arnsberg über seine Rückkehr in den Schuldienst einen Teilerfolg errungen.
Zunächst sah es für König ungünstig aus. Im Fall einer Absage für eine Teilzeitstelle für 14 Stunden Deutsch als Fremdsprache an der Freiherr-vom-Stein-Realschule in Bergkamen unterlag er vor dem Arbeitsgericht Dortmund. Die zwölf Englischstunden, die er gern an der Jeanette-Wolf-Hauptschule in Dortmund Mengede gegeben hätten, wurden in dem Verfahren ebenfalls angesprochen.
Ausgleich für entgangenes Gehalt erstritten
Durch die Niederlage ließ sich König nicht beirren und zog vors Landesarbeitsgericht in Hamm. Dabei kam es im Frühjahr 2020 zu einem Vergleich, den König als Teilerfolg wertet. „Die Bezirksregierung musste erkennen, dass ich als Schwerbehinderter diskriminiert worden bin“, sagt er. Das Land muss dem Pädagogen einen vierstelligen Betrag zahlen, anteilig berechnet nach dem entgangenen Gehalt. „Das ist eine Kompensation dafür, dass ich Nachteile erleiden musste in Verbindung mit der Nichteinstellung.“
In Werne hat sich eine Tür geöffnet
Die Tür zurück in den Schuldienst scheint nun einen Spalt offen zu stehen. König hat sich im August um eine befristete Vertretungsstelle am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg in Werne beworben. Nach eigener Aussage war das Bewerbungsgespräch erfolgreich und er erhielt ein Stellenangebot. Das letzte Wort hat jedoch nicht die Schulleitung, sondern die Bezirksregierung. Anfang September bat Arnsberg ihn darum, weitere Unterlagen einzureichen. „Man beabsichtige mich zu beschäftigen, falls der Personalrat zustimmen würde und die Einstellungsvoraussetzungen erfüllt würden“, so König.
Bezirksregierung: Bewerbung offen
Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung, äußert sich unter Verweis auf das „offene Bewerbungsverfahren“ nicht dazu, ob König eine neue Chance bekommt und ob das frühere Argument der „fehlenden Eignung“ noch aufrechterhalten wird. König befürchtet indessen, dass die Bewerbung erneut scheitert. Einen Anruf, den er am 21. September aus der Schwerbehindertenvertretung erhielt, wertet er als schlechtes Zeichen. Sollte er erneut eine Absage bekommen, „muss es sich hier wohl wiederum um die Diskriminierung als Schwerbehinderter handeln“, meint er. Zum Nachteil der Schulen, die dringend qualifizierte Lehrer brauchen.
Jahrgang 1973, aufgewachsen im Sauerland, wohnt in Holzwickede. Als Redakteur seit 2010 rund ums Kamener Kreuz unterwegs, seit 2001 beim Hellweger Anzeiger. Ab 1994 Journalistik- und Politik-Studium in Dortmund mit Auslandsstation in Tours/Frankreich und Volontariat bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund, Lünen, Selm und Witten. Recherchiert gern investigativ, zum Beispiel beim Thema Schrottimmobilien. Lieblingssatz: Der beste Schutz für die liberale Demokratie ist die Pressefreiheit.
