Tierärzte haben entweder weggeschaut, die Zustände geduldet oder vertuscht, glauben die Experten zum Tierquälerei-Skandal in Werne.

© Soko Tierschutz e.V.

Der Mecke-Skandal und die Rolle der Tierärzte

rnTierquälerei-Skandal in Werne

Tierärzte haben weggeschaut, Vorfälle geduldet, vertuscht oder waren gar nicht vor Ort: Dabei hätten sie alle Trümpfe in der Hand, um Tierquälerei wie in Werne zu verhindern. Das sagt eine Tierärztin.

von Andrea Wellerdiek

Werne, Kreis Unna

, 24.08.2021, 13:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eigentlich sind sie dafür da, dass sie Leid der Tiere mildern oder es verhindern. Wer sich um sein Haustier sorgt, der sucht Hilfe beim Tierarzt seines Vertrauens. Aber genau dieser Arzt könnte eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um das Vertuschen oder das Aufdecken von Tierquälerei geht. Das verdeutlichten nun Amtsveterinär Dr. Jochen Weins und Tierärztin Dr. Kirsten Tönnies bei dem Bürgergespräch der Soko Tierschutz zu den Tierquälerei-Skandalen in Werne und Selm.

Monatliche Pferdelieferung angekündigt

Einmal im Monat hat Marko Mecke die Lieferung von Pferden in seiner Viehsammelstelle in Werne bei dem zuständigen Veterinäramt angemeldet. Bei den dann durchgeführten Kontrollen hätte man jedes Tier genau begutachtet und nie Beanstandungen feststellen können, erklärte Uwe Hasche, Verbraucherschutz-Dezernent des Kreises Unna, bei der Pressekonferenz in dieser Woche. Man habe auch keine Hinweise darauf bekommen, dass dort auch andere Tiere gehalten wurden. Die Viehsammelstelle ist nur für Pferde zugelassen.

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Auch wenn ein Tierarzt nur zu der angekündigten Pferde-Lieferung an der Viehsammelstelle gewesen sein sollte, hätte er allein aufgrund des Geruches bemerken müssen, dass dort auch Kühe zu finden sind, sagt Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. Zudem habe er auf den verdeckt aufgenommenen Videos gar keinen Veterinär sehen können.

Tierärzte stehen oft unter wirtschaftlichem Druck

Dass man hier sogar etwas vertuscht haben könnte, liegt nahe, wenn sich der böse Verdacht bestätigt, dass die vom Kreisveterinäramt beauftragte amtliche Tierärztin privatwirtschaftlich mit Mecke zu tun hatte. Diesen Verdacht von Mülln wies Dezernent Hasche nicht ab und erklärte, dass es nicht unüblich sei, dass beauftragte Tierärzte auch für andere Auftraggeber tätig sind. Häufig beauftragen Veterinärämter amtliche Tierärzte, um Tierhaltungsbetriebe, Tiertransporte oder Schlachtbetriebe zu kontrollieren.

Laut Friedrich Mülln könnten amtliche Tierärzte, also die Ärzte, die etwa eine Kleintier-Praxis besitzen, somit eine „Soll-Bruch-Stelle im System“ der Fleischindustrie bilden. Denn sie sind in gewisser Weise davon abhängig. „Das sind oft Ärzte, die mit ihrer Praxis nicht etabliert sind und sich Geld dazu verdienen möchten. Deshalb stehen sie unter einem erheblichen Druck. Wenn der Schlachtbetrieb schließen würde, weil sie zu genau hinschauen würden, dann könnten sie ihre Finanzierungsgrundlage verlieren.“

Verbraucherschutz-Dezernent Uwe Hasche erklärte, dass es keine Beanstandungen bei den Kontrollen bei den angemeldeten Pferde-Transporten an der Viehsammelstelle gegeben habe.

Verbraucherschutz-Dezernent Uwe Hasche erklärte, dass es keine Beanstandungen bei den Kontrollen bei den angemeldeten Pferde-Transporten an der Viehsammelstelle gegeben habe. © Jörg Heckenkamp

Deshalb sieht Dr. Kirsten Tönnies, selbst Tierärztin mit eigener Praxis, ein Problem in der Tierärzteschaft. „Ich habe in den letzten Jahren gelernt, was der Spruch bedeutet: ‚Der Fisch stinkt vom Kopf her‘. Mit unserem Studium haben wir angefangen, weil wir Tieren helfen wollen. Ich kann es erst Jahre später sagen, aber: Das Studium ist ein Teil einer bewussten Desensibilisierung von Tierärzten gegen Tierleid.“

Dabei könnte man mit seiner Expertise eigentlich gezielt reagieren, um Tierquälerei zu verhindern. „Wir Tierärzte haben alle Schlüssel in der Hand. Wir könnten auf einen Schlag alle Tierquälereien lahm legen - wenn wir es denn wollten“, sagt Tönnies mit lauter Stimme. Auch in der Viehsammelstelle von Mecke hätte jeder Tierarzt innerhalb von einer halben Stunde alle Tiere aufspüren und damit retten können.

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Einige Tierärzte allerdings würden sich wie ein „Doppel-Agent“ fügen. Auch weil die Mediziner mit der Landwirtschaft verbandelt sind. „Es führt zu einer Relativierung von Tierleid. Ärzte kommen ihrer Verantwortung dem Tierwohl gegenüber nicht nach. Wir sind nicht dafür ausgebildet, Tieren zu helfen, sondern dafür, Tiernutzern zu helfen“, sagt Tönnies.

Sie verweist später auch auf Gerichtsurteile in Tierschutz-Verfahren, die zugunsten von Landwirten entschieden wurden. Da seien die Tierärzte dafür zuständig, die entsprechenden Gutachten zu verfassen. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft erhitzt nicht nur die Gemüter der Zuschauer. „Es muss ein Ruck durch die Gesellschaft gehen. Die Tierärzteschaft muss sich da verbrüdern“, fordert eine Bürgerin.

Nur verpflichtende Kontrollen an Deutschlands Grenzen

Dafür muss sich aber offensichtlich auch gesetzlich etwas ändern. So ist es nur bei grenzüberschreitenden Tiertransporten verpflichtend, dass ein Veterinäramt die Tiere begutachtet. Innerhalb einer Stadt wie es jetzt in Werne passiert ist oder aber innerhalb Deutschlands muss es diese Kontrollen nicht zwingend geben.

Amtsveterinär Dr. Jochen Weins erklärt zudem: „Außerhalb nicht angemeldeter Transporter haben Veterinäre überhaupt keine Veranlassung, irgendwo hin zu fahren in einen leeren Händler-Stall.“ Auch bei den landwirtschaftlichen Betrieben gibt es nur vereinzelte Kontrollen. „Man kann nicht bei jedem Rind, das einen Hof verlässt, einen Amtstierarzt daneben stellen. Wie soll das gehen?“, fragt Weins.

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Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz kritisiert: Bei der vor der Schlachtung stattfindenden Lebendschau der Tiere aus der Viehsammelstelle in Werne habe man auf dem Videomaterial nie einen Veterinär gesehen, ebenso nicht bei dem Schlachtbetrieb Prott, in dem illegales Schächten von Rindern und Schafen im Frühjahr aufgedeckt wurde. „Zum zweiten Mal hat ein amtlicher Veterinär des Kreises Unna einen unfassbaren Skandal zu verantworten. Wir sprechen bei Mecke von einer Dame, wo im Moment noch nicht klar ist, ob sie in einer geschäftlichen Beziehung zu Mecke steht.“ Er moniert, dass die Ämter die Kontrollen auf Tierärzte abwälzen, die wirtschaftlich schlecht dastehen.

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