Denkmalschutzgesetz: Interview von Ina Scharrenbach ist eine Selbstoffenbarung
Leserbrief
Thomas Mertz von der Stiftung Denkmalschutz kritisiert die Aussagen von Ministern Ina Scharrenbach zum in Nordrhein-Westfalen geplanten Denkmalschutzgesetz. Ein Leserbrief.

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Die Erklärungen, die NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach auf die heftige Kritik an dem von ihr zu verantwortenden Entwurf für ein neues Denkmalschutzgesetz im Interview abgibt, offenbaren ganz Unerwartetes: Entweder kennt die Politikerin weder den alten noch den neuen Gesetzestext oder sie fremdelt mit der realen Denkmalpraxis oder sie hat die üblichen Vorurteile gegen den Denkmalschutz zutiefst verinnerlicht.
Das würde freilich erklären, warum das vorgelegte Gesetz, das doch die wenigen unter Schutz stehenden Denkmale in NRW schützen soll, diesen für alles Weitere entscheidenden Schutz-Gedanken nicht mehr wie bislang an die allererste Stelle stellt. Stattdessen preist die für Heimat und Denkmalschutz zuständige Ministerin als modern und zukunftsweisend an, was seit Jahrzehnten längst zur alltäglichen Denkmalpraxis gehört: Photovoltaik, Barrierefreiheit und Nutzungsgedanke.
Auf derselben Linie ist die Aussage Scharrenbachs, das beabsichtigte Gesetz greife die aktuelle Rechtsprechung auf, ein Spiel mit hohlen Worten. Die aktuelle Rechtsprechung nämlich ignoriert der Entwurf ebenso geflissentlich wie nationale und internationale Chartas.
Seltsam klingen auch Sätze wie „Die Städte und Gemeinden sind seit 42 Jahren zuständig – sie entscheiden. Der Landschaftsverband entscheidet nicht, er berät. Nach 42 Jahren dürfen die Städte und Gemeinden auch mal selbstständig werden.“ Wenn Städte und Gemeinden bereits seit Langem entscheiden, sind sie doch bereits selbstständig.
Was hat die Ministerin gegen Beratung? Das ist höchstmodern – in allen Bereichen wird Coaching großgeschrieben. Und hier berät eine fachkundig kompetente staatliche Einrichtung unentgeltlich Städte und Gemeinden – wofür diese dankbar sind, wie der Städtetag in der Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich gemacht hat.
Stattdessen unterstellt die Ministerin ihren eigenen Landesinstitutionen niedere Motive. „Der große Streit beim Denkmalschutzgesetz“ drehe sich „insbesondere um diesen einen Punkt“, dass nämlich „die Landschaftsverbände versuchen, ihren Einfluss auf die Städte und Gemeinden zu wahren“. Eine starke Behauptung.
Wahrscheinlich ist Frau Scharrenbach nicht bekannt, dass die staatlichen Einrichtungen der Landesverbände als Anwälte der Denkmäler eingerichtet wurden. Dieser Anwalt ersetzt bei den Kommunen in vielen Fällen die fehlende und teure Fachkompetenz. In strittigen Fragen können sich die Kommunen immer noch an die Ministerin zur Letztentscheidung wenden. Das hat die von der Regierung selbst beauftragte Evaluation des alten Gesetzes bestätigt: Wie dankbar nämlich diese gebührenfreie Beratung angenommen wird.
Es kann hier nun nicht darum gehen, die Aussagen der amtierenden Ministerin Punkt für Punkt zu widerlegen. Erstaunlich ist jedoch, dass sie mit ihrem Vorhaben mitten im Wahlkampf ihrem ureigensten Klientel vor den Kopf stoßen zu können glaubt. Um dem Willen einiger Partikularinteressen? Dann wäre dieses Interview eine nicht zu erwartende Selbstoffenbarung gewesen.