
© Claudia Hurek (Symbolbild)
Ausbildung in Werne: Liegen die Bewerber noch im Dornröschenschlaf?
Wirtschaft
Die Corona-Krise hinterlässt in der Wirtschaft deutliche Spuren - auch auf dem Ausbildungsmarkt. Gibt es in Werne überhaupt noch freie Stellen? Und wenn ja - wo sind dann die Bewerber?
Die Wirtschaft leidet nach wie vor unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Zunächst die wochenlange Schließung der Geschäfte und nun der Betrieb mit Einschränkungen haben den Wirtschaftsmotor gehörig ins Stottern gebracht - Finanzspritzen von Bund und Ländern hin oder her. Es herrscht nach wie vor in vielen Betrieben Kurzarbeit statt klingelnder Kassen. Manch einem Geschäftsmann steht das Wasser bis zum Hals. Und nun soll er auch noch die folgende Generation ausbilden. Keine Chance - oder doch?
Wenn im August 2020 das neue Ausbildungsjahr startet, dann ist das für viele Werner Jugendliche gleichbedeutend mit dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Aber wie gut stehen die Chancen eigentlich, in Corona-Zeiten einen Ausbildungsplatz zu bekommen?
Weniger Ausbildungsstellen und weniger Bewerber
Vergleicht man die Zahl der Ausbildungsstellen und Bewerber mit den Werten aus den Vorjahren, dann ist ein negativer Trend unverkennbar. Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober vergangenen Jahres meldeten sich laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit 2.227 Bewerber für Berufsausbildungsstellen - und damit 15,5 Prozent weniger als noch im Vorjahreszeitraum. Zugleich gab es 1.887 Meldungen für Berufsausbildungsstellen, was einem Minus von 11,2 Prozent entspricht. Entscheidend aber ist: Ende Juni 2020 waren 909 Bewerber noch unversorgt - und 730 Ausbildungsstellen noch unbesetzt.

Auch deswegen haben die Arbeitsagentur, das Jobcenter und die Handelskammern inzwischen eine gemeinsame Kampagne unter dem Slogan: „Ausbildung- Jetzt erst recht!“ gestartet. Martina Leyer, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Hamm sagt auf Anfrage unserer Redaktion: „Wir haben diese Kampagne gestartet, um insbesondere Schüler, die keinen Sinn mehr in der Suche sehen, darauf aufmerksam zu machen, dass es noch nicht zu spät ist und im Grunde genommen jeder, der sich für eine Ausbildungsstelle interessiert, mehr als nur eine gute Chance hat.“
Das Angebot sei in keinem Fall eine „Resterampe“. Alle Interessen könnten noch berücksichtigt werden. Aber auch Unternehmen sollen durch die Kampagne ermutigt werden, weiterhin Ausbildungsstellen auszuschreiben. Durch die Corona-Pandemie ist es laut Leyer für beide Seiten zuletzt deutlich schwieriger gewesen, den nötigen Kontakt herzustellen, um Ausbildungsstellen zu besetzen.
Die Schulen hatten nur bedingt geöffnet, Berufsberatungen sind ausgefallen und einige Unternehmen waren geschlossen und mussten Kurzarbeit anmelden. Mithilfe der Kampagne soll der noch vorherrschenden Zurückhaltung durch Corona nun verstärkt entgegengewirkt werden.
Unsicherheit wegen Corona - auf beiden Seiten
Auch Uta Leisentritt, Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) im Kreis Unna motiviert Ausbildungssuchende: „Ausbildungsplätze gibt es noch satt. Vor allem in der Handwerksbranche und im Büro.“ Dieses Jahr seien sogar noch außergewöhnlich viele Ausbildungsplätze frei: „Ich würde jedem jungen Menschen raten, sich noch zu bewerben.“
Für die Vorsitzende und einige Unternehmen ergab sich durch die Corona-Pandemie eine ungewöhnliche Situation: „Wir konnten tatsächlich feststellen, dass sich Viele am Anfang gar nicht beworben haben - wahrscheinlich aufgrund von Corona und der daraus resultierenden Unsicherheit.“
Als hätten die Bewerber „in einem Dornröschenschlaf gelegen“, beschreibt Leisentritt ihre Eindrücke der vergangenen Monate. Doch allmählich würde es wieder besser. In den vergangenen zwei Wochen seien deutlich mehr Bewerbungen eingegangen.
Und was ist mit der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen? Auch die ist schließlich gesunken - und nicht zuletzt für die Attraktivität einer Stadt ein wichtiger Faktor, wie Daniela Gousetis von der Werner Wirtschaftsförderung betont.
Schließlich wolle man den Nachwuchs - und damit möglicherweise die Unternehmer von morgen - unbedingt in der eigenen Stadt halten: „Deswegen stellt sich auch bei jeder Firma, die sich hier ansiedelt, immer gleich die Frage, wie viele Ausbildungsplätze sie bietet.“ Das sei zuletzt etwa bei Amazon so gewesen.
Einige Firmen suchen noch händeringend
Gousetis sagt, dass man die Situation auf dem Ausbildungsmarkt nicht branchenübergreifend pauschalisieren könne. Nicht jeder Betrieb leidet nun mal gleichermaßen unter den Corona-Folgen. Im Gegenteil: Manche Branche blüht sogar auf - und das sind nicht nur die Hersteller von Klopapier oder Swimmingpools für den heimischen Garten.
Während etwa Gastronomen gefühlt jeden Cent zweimal umdrehen müssen, klingeln bei anderen Geschäftsleuten die Kassen. Und das wirkt sich natürlich auch auf die Ausbildungsplätze aus: „Es gibt Firmen, die händeringend suchen - zum Beispiel die IT-Branche. Die haben teilweise Aufträge ohne Ende“, so die Werner Wirtschaftsförderin.
Infos rund um die Ausbildung
- Gesonderte Zahlen für den Ausbildungsmarkt in Werne konnte die Bundesagentur für Arbeit in Hamm auf Anfrage unserer Redaktion nicht nennen. Allerdings gibt es die Zahlen für Werne, Kamen und Bergkamen zusammengerechnet: Von Oktober 2019 bis Juni 2020 wurden hier 570 Stellen und 854 Bewerber gemeldet. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 621 Stellen und 994 Bewerber.
- Wer sich beraten lassen möchte, kann das montags bis donnerstags von 8 bis 15.30 Uhr und freitags von 8 bis 14 Uhr bei der regionalen Hotline der Agentur für Arbeit in Hamm tun, unter Tel. 02303 2807 111.
- Auch auf der Homepage der Stadt Werne finden Interessierte Stellenangebote und weitere nützliche Informationen.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
