
© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild (Symbolbild)
Vredener nimmt sexuelle Handlungen an Kind vor und sieht es als Erziehungsmethode
Missbrauch
Neun Mal soll ein Vredener sexuelle Handlungen an seiner Enkelin vorgenommen haben. Deshalb steht er nun vor Gericht – und hat eine kuriose Erklärung parat.
Die Vorwürfe gegen einen 73-jährigen Vredener wiegen schwer. Ihm wird vorgeworfen, in neun Fällen sexuelle Handlungen an einem unter 18-jährigen Kind vorgenommen zu haben. In der Anklage ist von Beischlaf-ähnlichen Handlungen und körperlichen Misshandlungen die Rede. Deshalb stand der Vredener am Dienstag vor dem Landgericht in Münster.
Die sexuellen Handlungen sollen zwischen Juni 2020 und November 2021 vorgenommen worden sein. Wobei der Angeklagte mit seinem eigenen Zeitstrahl auf etwas andere Daten kommt. Vorab machte die Richterin deutlich, dass eine Einlassung des Vredeners positiv gewertet werden könnte. Vor allem dann, wenn das betroffene Kind vielleicht sogar nicht mehr aussagen müsste.
Der Vredener streitet (außer in zwei Fällen) nicht ab, dass es die sexuellen Handlungen gegeben hat, hat allerdings seine ganz eigenen Erklärungen dafür.
Erste Zwischenfälle in Vreden
Der Vredener lebte zusammen mit seiner Lebensgefährtin und zwei Stiefenkelinnen in Vreden. Kurz nachdem sie dort hingezogen waren, sei es zu einem ersten Zwischenfall gekommen, so der Angeklagte. Als er und die damals etwa 10-Jährige sich im Haus begegnet seien, habe sie ihn im Intimbereich berührt. „Ich wusste nicht, war es ein Witz oder ein Versehen.“
Zwei Wochen später habe es eine ähnliche Situation gegeben, diesmal habe das Kind aber richtig zugepackt. „Es war dumm von mir, in diesem Moment hätte ich noch etwas sagen können“, so der Angeklagte. An dieser Stelle brach seine Stimme zum ersten Mal. Immer wieder rang er während der Verhandlung um Fassung.
Was aus seiner Sicht dann folgte, habe als Spiel angefangen, als er die Kinder ins Bett gebracht habe. Die 10-Jährige hätte sich nackt gezeigt. Sie sei aufdringlich geworden. Auch eine Erklärung für das Verhalten seiner Enkelin hatte der Vredener parat. Sie habe ihm erzählt, wie sie dabei zuschauen musste, wie sich ihre Mutter mit verschiedenen Männern vergnügt habe, hätte später dabei helfen und auch selbst Männer befriedigen müssen.
Kind sollte Spaß am Sex verlieren
Der Vredener gab an, auch mit der Großmutter über diese Vorwürfe gesprochen zu haben, ein Psychologe sei hinzugezogen worden, der aber keine Auffälligkeiten bei dem Kind festgestellt habe. Das Kind habe Sex „offenbar sehr schön“ empfunden, so der Angeklagte. Also entschied er nach eigenen Angaben, dass er dafür sorgen wollte, dass das Kind den Spaß am Sex verliert, dass es verstehe, das diese Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern nicht in Ordnung seien.
Es folgten Schilderungen von sexuellen Handlungen im Bett, die nach Angaben des Angeklagten immer von dem Kind ausgingen. Er selbst habe dabei nie eine Erregung empfunden. Dann folgte eine Situation, in der er etwas getan habe und das Kind habe gesagt, es möchte das nicht. Das sei das Ziel gewesen: Das Kind dazu zu bringen, „Nein“ zu sagen.
Klärendes Gespräch fand nicht mehr statt
Nach den sehr detailreichen Schilderungen des Angeklagten blieb für die Richterin vor allem eine Frage offen: „Sie hatten den Eindruck, sie hatte Vergnügen an Sex und wollten sie davon abbringen. Das ist aber eine recht ungewöhnliche Methode. Sahen sie da keine andere Möglichkeit, zum Beispiel mit ihr darüber zu sprechen?“ Er habe noch mit ihr sprechen wollen, doch dazu sei es nicht mehr gekommen, so der Vredener. Im November 2021 stand die Polizei vor der Tür.
Ob er meint, dass seine Erziehung erfolgreich gewesen sei, fragte die Richterin. Ja zum Teil, was fehlte, sei das abschließende Gespräch gewesen. „Ich habe erreicht, was ich erreichen wollte, Sie sagte nein und hat sich weggedreht.“ Ob er nicht daran gedacht habe, dass diese Handlungen auch anders interpretiert werden könnten. „Ich habe mir kaum Gedanken gemacht über die Konsequenzen“, so der Vredener. Er sei überzeugt gewesen, dass jeder, der ihn kennt, es genau so sehen würde wie er.
Mutter soll „Aufträge“ erteilt haben
Die Zeitpunkte der sexuellen Handlungen bringt der Angeklagte in zeitlichen Zusammenhang mit den Besuchen der Mutter, die immer noch ein Besuchsrecht hatte. Dabei habe die Mutter der Enkelin neue „Aufträge“ gegeben, ist sich der Vredener sicher. „Sie hasst mich. Sie hat versucht, mich zu schädigen.“
Aber es habe doch auch eine Handlung auf seine Initiative hin gegeben. Ob das etwa auch von der Mutter gesteuert worden sei, fragte die Richterin. Nein, das sei seine Initiative gewesen, räumte er ein. Die Enkelin, die bereits bei der Polizei vernommen wurde, schildert die Situationen anders. Aus ihrer Sicht sei die Initiative von dem Angeklagten ausgegangen, hielt die Richterin dem Vredener vor.
Das Mädchen ist für den übernächsten Verhandlungstermin als Zeugin geladen. Die nächste Verhandlung findet am 24. Mai um 9 Uhr im Landgericht Münster statt.
Geboren und aufgewachsen an der Grenze zwischen Ruhrpott und Münsterland, hat Kommunikationswissenschaft studiert. Interessiert sich für Tiere, Kultur und vor allem für das, was die Menschen vor Ort bewegt.