
Lieferengpässe für Ortsnetzstationen verzögern den Netzausbau in Vreden. Thomas Spieß stand am Montag den Politikern und Bürgern in Vreden Rede und Antwort zum Thema Netzengpässe. © Stefan Grothues/dpa
Netzengpässe und Anfragestau – SVS will auf Alternative bei PV-Anlagen zurückgreifen
Energiewende
Vier Monate Wartezeit bis zur Bearbeitung eines Antrages, abgelehnte PV-Anlagen: Am Montag standen die Verantwortlichen der SVS Bürgern und Politikern in Vreden Rede und Antwort.
Die Gasspeicher sind mittlerweile gut gefüllt, trotzdem wurde spätestens mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine deutlich, dass Deutschland mehr auf erneuerbare Energien setzen muss. Abhängigkeiten, Preisexplosionen und der Klimawandel treiben den Ausbau der alternativen Energien voran.
Doch in Vreden stockt dieser Ausbau derzeit. Der Grund: Das Netz der SVS-Versorgungsbetriebe ist an der Kapazitätsgrenze angelangt. Vor allem die Ortsteile Zwillbrock, Ammeloe und Ellewick sind davon betroffen.
78 Prozent des Eigenbedarfs bereits gedeckt
Ein paar Zahlen: Vreden deckt derzeit zu 78 Prozent den Eigenbedarf an Strom. Nimmt man die Energie aus den Windkraftanlagen aus dem vorgelagerten Netz hinzu, sei man sogar bei weit über 100 Prozent, erklärte SVS-Geschäftsführer Thomas Spieß am Montag im Bau-, Planungs-, und Umweltausschuss der Stadt Vreden.
Das Netz komme durch die zahlreichen Photovoltaikanlagen zu gewissen Uhrzeiten an die Einspeisekapazitätsgrenze, so Stefan Emming, Technischer Leiter Strom/Glasfaser. „Wenn an Ostern und Pfingsten auch im Industriegebiet nicht mehr so viel gearbeitet wird, kommt es vor, dass wir 28 bis 30 Megawatt zurück ins Netz speisen“, so Emming. Doch das Verteilernetz der SVS hat nur eine gewisse Kapazität und kann nur gewisse Leistungen aufnehmen. Ansonsten sei die Netzstabilität gefährdet.
500 neue Anlagen allein in diesem Jahr
Auf der anderen Seite stehen die Bürgerinnen und Bürger, die sich aktiv an der Energiewende beteiligen wollen und für die der Strom vom eigenen Dach in Zeiten von immer weiter steigenden Preisen auch eine Kostenersparnis bedeuten kann.
Auch hier haben die Verantwortlichen beeindruckende Zahlen vorgelegt. Bis Ende 2021 gab es im Gebiet der SVS 4600 Einspeiseanlagen. Bis zum 31. August sind in diesem Jahr nochmal 500 dazu gekommen. Und es sind längst nicht alle Anträge abgearbeitet. „Wir ersticken in der Flut von Anträgen und das sorgt nachvollziehbar für Unmut bei den Bürgern“, betonte Thomas Spieß.
Gab es in Vreden im Jahr 2021 noch knapp 400 Anträge, wurden bis zum 31. August dieses Jahres schon 721 gestellt. Und davon sind noch lange nicht alle abgearbeitet. „Ich kenne Leute, die warten mittlerweile seit vier Monaten“, so Gerd Welper von den Grünen.
Ein Problem, das den Verantwortlichen bekannt ist: „Wir haben Leute aus dem Urlaub zurückgeholt, wir haben Überstunden angeordnet, aber irgendwo muss man auch aufpassen“, so Thomas Spieß. Neues Personal werde durchaus gesucht, doch viele Bewerber gebe es nicht. Um genau zu sein: ein Bewerber auf eine Stelle.
Lieferengpässe verzögern Netzausbau
Der Netzausbau brauche Zeit, das betonten alle Beteiligten gleich mehrfach. Grund dafür sind auch Lieferengpässe. „Bei den Ortsnetztransformatoren, die wir für die Erschließung von Neubaugebieten und die Netzentlastung benötigen, sind wir bei Lieferzeiten von mehr als 55 Kalenderwochen“, so Emming. Und Thomas Spieß ergänzte: „Es wurde uns auch schon gesagt, wir hätten doch noch welche auf dem Hof stehen, warum wir die denn nicht verbauen. Aber es kann auch schonmal etwas kaputt gehen und dann muss eine Reserve da sein.“
Doch was will man nun tun? Zum einen wurde eine Zielnetzplanung angestoßen, um auch das Letzte aus dem vorhandenen Netz herauszuholen. „Gibt es da kurzfristige Kabellösungen, um bestimmte Stellen zu entlasten, oder auch Optimierungsbedarf im Umschaltbereich?“ Diesen und anderen Fragen wolle man nachgehen, so Emming. Ergebnis: voraussichtlich Ende 2022 oder Anfang 2023.
Nulleinspeisung als Übergangslösung
Außerdem habe man ein Pilotprojekt zur sogenannten Nulleinspeisung angestoßen. Das heißt, es wird eine PV-Anlage auf dem Dach installiert, die allerdings nur das produziert, was das Haus benötigt. „Wir haben Pilotanlagen installiert, um Erfahrungen zu sammeln. Wie verhalten sich diese Anlagen, sind sie wirklich so, dass sie nicht einspeisen oder speisen sie bei Energiespitzen doch ein“, erklärte Stefan Emming.
„Wir wollen den Leuten die Möglichkeit geben, etwas für den Eigenbedarf zu machen, bis der Netzausbau so weit ist“, so Thomas Spieß. Auch rechtlich müsse hier allerdings noch das ein oder andere geklärt werden.
Außerdem rüstet man die Ortsnetzstationen digital auf, was ein nicht unerheblicher Kostenpunkt sei. Elektriker sollen zudem in Zukunft die Zähler selber in Betrieb nehmen können, ohne dass ein Termin mit einem Installateur der SVS gemacht werden muss. „Und wir suchen dringend Personal“, betonte Spieß noch einmal. Die Mitarbeiter seien am Kapazitätslimit.
Gerd Welper stimmte den Verantwortlichen durchaus zu, dass die Energiewende ein Marathon sei: „Aber schon längere Zeit sind wir uns nicht über die Geschwindigkeit einig.“ Im Moment habe er eher den Eindruck, man stelle sich an den Rand und schaue auf das zurück, was man schon geleistet hat. Er bezog sich darauf, dass in Vreden schon 100 Prozent des Eigenbedarfs gedeckt seien.
„Ich möchte nach vorne schauen und Gas geben!“ Schließlich finde die Energiewende auf dem Land statt. Die Maßnahmen der SVS befürwortete er, aber: „Wir sollten das Zurückschauen einfach mal lassen.“ Und Kasper Neuendorf (FDP) ergänzte: „Wir müssen das Kraftwerk für das Ruhrgebiet und andere Zentren werden.“
Geboren und aufgewachsen an der Grenze zwischen Ruhrpott und Münsterland, hat Kommunikationswissenschaft studiert. Interessiert sich für Tiere, Kultur und vor allem für das, was die Menschen vor Ort bewegt.