Alle fünf Stunden füttert Josef Schroer Rehkitz Oskar. Er bekommt angerührte Ziegenmilch aus einer Tasse.

© Victoria Garwer

Süße Videos und Fotos: Lüntener rettet kleines Rehkitz und zieht es auf

rnRehkitz Oskar

Zwei Tage lang hat ein kleines Rehkitz am Haus von Familie Schroer in Lünten nach seiner Mutter gerufen. Die Familie rettete das Tier vor dem Verhungern und zieht es seitdem auf.

Vreden

, 28.12.2020, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Lesen Sie in unserem Archiv!
Mit einer Tasse voller Milch macht sich Josef Schroer auf den Weg Richtung Waldrand. Die Besucher bleiben am Haus, ruhig und leise sollen sie sich verhalten. Gespannt beobachten sie, wie der Lüntener an einer Stelle mit hohem Gras stehen bleibt. Wird es klappen? Wird er tatsächlich kommen?

Tatsächlich. Ein mutiger Sprung und da steht er: Oskar. Lange schlanke Beine, den Kopf stolz in die Luft gereckt, die dunklen Kulleraugen fest auf die Tasse Milch gerichtet. Oskar ist ein kleines Rehkitz, gerade einmal sechs Wochen alt. Familie Schroer aus Lünten hat ihn vermutlich vor dem Verhungern gerettet.

Rehkitz Oskar rief zwei Tage lang nach seiner Mutter

Das war Mitte Mai. „Aus der Gerste waren ganz bitterliche Rufe zu hören. Wir haben nachgeschaut und da lag ein kleines Rehkitz im Feld, das war höchstens ein paar Tage alt“, erzählt Josef Schroer. Die Familie weiß, dass sie so ein kleines Tier besser in Ruhe lassen. Schließlich könnte die Mutter es abstoßen, wenn es nach Mensch riecht.

Video
Lüntener Familie zieht Rehkitz auf

Das bestätigt auch Johannes Hüls, Jagdpächter des Gebietes und Nachbar der Familie. „Josef hat mir direkt Bescheid gesagt. Ich hab ihm geraten, es liegen zu lassen. Die Mutter würde schon kommen, habe ich gedacht.“

Den ganzen Nachmittag schallten die Rufe des kleinen Kitzes über die Felder. Auch in der Nacht ging es weiter. „Das ist ganz komischer Ruf, den man nur selten hört. Und es war wirklich laut“, erinnert sich Christel Schroer. Am nächsten Morgen war das Kitz immer noch da. Inzwischen hatte es das Getreidefeld verlassen und lief Richtung Straße.

Abgemagertes Tier bekommt Ziegenmilchpulver

„Das war für mich ein Hinweis, das etwas nicht stimmt“, sagt Jäger Johannes Hüls. „Es ist normal, dass Ricken ihre Kitze in Getreidefeldern ablegen. Aber irgendwann, spätestens in der Nacht, kommen sie wieder und holen ihr Kind ab.“ Wenn ein Kitz so lange nach seiner Mutter ruft, müsse irgendwas passiert sein. Ein Autounfall zum Beispiel oder ein tödliches Problem bei der Geburt.

FOTOSTRECKE
Bildergalerie

Familie Schroer zieht Rehkitz auf

Das kleine Rehkitz Oskar war fast verhungert, als Familie Schroer es gefunden hat. Sie haben das Tier aufgenommen und kümmern sich seitdem darum.
24.06.2020

Das kleine Tier war komplett abgemagert. „Es konnte gar nicht richtig laufen. Es war so am Bummeln, richtig schlapp“, berichtet Josef Schroer. Gemeinsam mit dem Jagdpächter beschloss die Familie, dass sie helfen müssen. Sie besorgen Ziegenmilchpulver. Das richtige Futter für ein Kitz, wie eine Recherche im Internet ergab.

Familie Schroer lässt Rehkitz aus einer Tasse trinken

Genau dieses Pulver hat Josef Schroer auch an diesem Nachmittag sechs Wochen später angerührt. Gierig stürzt sich das Rehkitz, das die Familie nach einer Abstimmung Oskar genannt hat, auf die Milch. Es schlabbert, das Fell rund um den Mund ist milchverschmiert.

Das Rehkitz trinkt aus einer Tasse. „Wir haben es mit Spritzen und allen möglichen verschiedenen Flaschen probiert, aber mit der Tasse klappt es am besten“, erzählt Josef Schroer. Am Anfang hat er Oskar alle drei Stunden gefüttert, inzwischen nur noch alle fünf Stunden. Darüber führt der Lüntener penibel Buch. Jeden Tag schreibt er auf, wann das kleine Rehkitz wie viel Milch getrunken hat.

Jetzt lesen

Als Nachtisch gibt es Löwenzahn, Gänseblümchen oder Rosenblätter. An diesem Tag macht sich Oskar nach dem Essen auf den Weg Richtung Gerstenfeld. Auf dem Grünstreifen davor findet er ein paar Leckereien. Dann stakst er ins Maisfeld. „Jeden Tag wagt er sich ein bisschen weiter weg vom Haus. Er erkundet alles“, sagt Josef Schroer. Nun ist der Vorgarten dran.

Rehkitz Oskar kann sich auf Feldern und Wiesen frei bewegen

Von Anfang an konnte sich das kleine Rehkitz frei bewegen. „Nur nachts zäunen wir ihn ein. Zum Schutz vor dem Fuchs“, erzählt Christel Schroer. „Gegen so einen Fuchs hätte ein kleines Kitz keine Chance“, sagt auch Jäger Johannes Hüls.

Theoretisch könnte Oskar sich also jeden Tag aus dem Staub und auf in die große weite Welt machen. Doch er bleibt, bewegt sich nie weit vom Haus weg. Wenn Josef Schroer ihn ruft, kommt er direkt aus dem Wald angelaufen. Er folgt ihm auf Schritt und Tritt.

Für Oskar ist Josef Schroer die Bezugsperson. „Sein Papa quasi“, sagt Christel Schroer lächelnd. Vor den anderen Familienmitgliedern und Besuchern schreckt er zwar nicht unbedingt zurück, füttern, streicheln oder gar auf den Arm nehmen lässt er sich aber nur von dem Familienvater.

Freundschaft zwischen Rehkitz und Katze

Angefreundet hat sich das Rehkitz aber auch mit der Katze der Familie. Sie toben gemeinsam auf dem Rasen, streifen durchs hohe Gras und machen es sich in der Sonne gemütlich. „Die Katze hat schnell gemerkt, dass sie die restliche Milch bekommt, wenn Oskar satt ist“, meint Josef Schroer lachend.

Jetzt lesen

Wenn der kleine Rehbock sich satt gegessen hat und müde ist vom rumtoben im Wald, macht er es sich im Sommergarten am Haus gemütlich. Dort hat er eine Art Körbchen nur für sich und ist vor Raubtieren geschützt. Morgens stupst er dann mit seiner Schnauze gegen die Scheibe, um Josef Schroer mitzuteilen, dass er Hunger hat.

Wie lange das noch so laufen soll, kann und wird, weiß keiner. Die Situation ist für alle neu. Familie Schroer wird sich auf jeden Fall weiter um Oskar kümmern, solange er es will.