Gehört dieses Bild aus dem Zwillbrocker Venn bald der Vergangenheit an? Um das herauszufinden, hat die Biologische Station ein Gutachten zur Wasserverfügbarkeit in Auftrag gegeben.

Gehört dieses Bild aus dem Zwillbrocker Venn bald der Vergangenheit an? Um das herauszufinden, hat die Biologische Station ein Gutachten zur Wasserverfügbarkeit in Auftrag gegeben. © Hubert Stroetmann (Archiv)

Gutachten zum Zwillbrocker Venn: Wasserstand könnte um 3 Meter absinken

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2018 fiel der Lachmöwensee zum ersten Mal trocken. Seitdem hat sich das Szenario mehrfach wiederholt. Welche Maßnahmen dagegen helfen könnten, das hat jetzt ein Gutachten untersucht.

Vreden, Zwillbrock

, 21.09.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wird das Bild eines ausgetrockneten Lachmöwensees im Zwillbrocker Venn in Zukunft zur Normalität? Was muss getan werden, um das zu verhindern? Besteht überhaupt die Chance, dies zu verhindern? Diesen und anderen Fragen ist ein hydrogeologisches Gutachten auf den Grund gegangen.

Georg Soltau stellte das Gutachten von ProAqua am Montagabend zusammen mit Dr. Dietmar Ikemeyer, Geschäftsführer der Biologischen Station Zwillbrock, dem Bau-, Planungs- und Umweltausschuss vor.

Ausgehend von der Situation im Spätsommer 2018, als der Lachmöwensee trockenfiel und nur noch in einzelnen Tümpeln das Wasser stand, hätten sich die Wasserstände in den Wintermonaten wegen zu geringer Niederschläge nicht normalisiert. „Es hat sich Stück für Stück verschärft“, so Soltau.

Daten von 2006 bis 2022 erfasst

2019 und 2020 fiel der See ebenfalls trocken und in diesem Jahr blieb auch nicht viel Wasser übrig. Deswegen gab die Biologische Station das Gutachten in Auftrag. „Wir wollten verstehen, wo wir wirklich Wasser verlieren, was unterhalb des Seebodens passiert“, so Ikemeyer.

Also sammelte man Daten. Für jeden Tag der Jahre 2006 bis Anfang 2022 erfassten die Experten Informationen über Niederschlag, Verdunstung und Grundwasserstände. Herausgekommen ist ein Wasserbilanzmodell, das zeigt: „Bis 2017 schwankt die Wasserganglinie um 1 Meter bis 1,80 Meter“, so Soltau. Doch 2018 sank der Stand dramatisch ab und erholte sich auch nicht mehr richtig.

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Kombiniert mit den Klimaprognosen für die nächsten Jahre ergibt das ein düsteres Bild. „Aufgrund der unterschiedlichen Prognosen ist die Schwankungsbreite relativ groß. Im besten Fall sinken die Wasserstände um 10 Zentimeter, im schlechtesten Fall um deutlich mehr als einen Meter.“ Das gilt für die „nahe“ Zukunft bis 2060. Für die ferne Zukunft bis ins Jahr 2100 sieht die Prognose laut Experten im schlechtesten Falle ein Absinken um drei Meter vor. „Unter drei Metern existiert kein Lachmöwensee mehr“, machte Soltau deutlich.

Verschiedene Maßnahmen könnten Abhilfe schaffen

Doch was kann dagegen getan werden? Eine Maßnahme wäre, einen Graben im Osten umzuleiten und in den See fließen zu lassen. „Zudem kann das Ablaufbauwerk im Norden erhöht werden.“ Dieser Ablauf ist dafür gedacht, dass das Wasser abfließen kann, wenn sich zu viel im See aufstaut. Kombiniere man diese beiden Maßnahmen, komme es zu einem größeren Rückhaltevolumen, so Soltau.

Ein weiterer Schritt: die Einrichtung von Grundwassersperren. Nach Norden und Süden würde das Wasser zum Grundwasser abfließen, während es aus Westen und Osten einen Zustrom an Grundwasser gebe.

Lässt man all das in die Prognosen einfließen, könnte man den Wasserstand nach heutigen klimatischen Bedingungen sogar um 80 bis 90 Zentimeter anheben. Zumindest in naher Zukunft könnte der Status quo gehalten werden. Für die ferne Zukunft sehen die Prognosen für den Wasserstand aber auch mit den Maßnahmen düster aus, so Soltau.

„Das zeigt, dass der Klimawandel nicht abstrakt ist“

Trotzdem: „Wir haben jetzt eine Idee, wie wir Wasser zurückhalten können. Und das ist auch das Mittel der Wahl, einen Plan B gibt es quasi nicht mehr“, so Ikemeyer. „Wir haben das größte Moorregenerat im Westmünsterland gehabt. Das ist komplett trocken. Es ist so zusammengepappt, dass wir gar nicht wissen, ob das wieder anwächst.“

„Das zeigt, dass der Klimawandel nicht abstrakt ist und weit weg stattfindet. Man kann nur begrenzt mit technischen Mitteln dagegen angehen, aber das sollte man machen“, so Gerd Welper (Grüne). Doch ihm und den anderen Politikern fehlte ein wichtiger Punkt in dem Gutachten: die Grundwasserförderung der SGW in Doemern.

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Norbert Vöcker erläuterte, dass trotz der Entfernung zwischen Doemern und Zwillbrock seiner Kenntnis nach eine Verbindung des Grundwasserkörpers bestehe. „Dass das Venn trockenfällt, das ging nicht von heute auf morgen. Da spielt der Faktor Zeit eine Rolle. Meiner Meinung nach ist die SGW mit verantwortlich für das Trockenfallen des Zwillbrocker Venns.“

Für die Biologische Station und die Gutachter habe es dazu jedoch kein Indiz gegeben. „Wenn es ein Indiz gegeben hätte, wären wir dem nachgegangen, weil es extrem relevant wäre“, so Ikemeyer. Und Georg Soltau ergänzte für ProAqua: „Wir haben Anfang des Jahres das erste Mal davon erfahren. Wir sind auf Basis der zur Verfügung gestellten Unterlagen zu der Einschätzung gekommen, dass das eigentlich keine Auswirkungen auf das 20 Kilometer entfernte Venn haben kann.“

Aber: „Wenn es da Indizien gibt, dann muss sich das jemand anschauen und dann muss ein Gutachten in Auftrag gegeben werden“, stellte Ikemeyer klar.

Beregnungsanlagen im Fokus

Einig war man sich dagegen darin, dass die beiden Wasserentnahmestellen im Süden des Venns auf niederländischer Seite nicht der Hauptverursacher der Trockenheit sind. Josef Wißing (Grüne), der einen Landwirt kennt, der dort Wasser entnimmt, berichtete, dass dieser die Beregnungsanlage in diesem Jahr nur an sieben Tagen genutzt habe. „So eine Beregnungsanlage laufen zu lassen, ist teuer.“

Trotzdem: In dem Gutachten von ProAqua wird auch empfohlen, Kontakt mit den niederländischen Behörden aufzunehmen, um die Entnahmen in diesem Bereich nach Möglichkeit zu unterbinden.

Für Elmar Kampshoff (UWG) ergab sich ein ganz anderes Problem: „Ich kann nicht verstehen, dass ein Planungsprozess, der vielleicht nicht Heilung, aber zumindest Verzögerung oder Verbesserung bringen kann, so langwierig gestaltet ist. Wenn wir dann endlich den ersten Spatenstich zur Rettung tun können, ist der Patient tot.“ Doch Dietmar Ikemeyer machte ihm wenig Hoffnung. „Es gibt ein Wort, das ist vollkommen inhaltsleer: Bürokratieabbau. Aber es nützt nichts, wir müssen da durch, es gibt keinen Plan B. Der Plan B wäre Unterlassung, und dann werden wir diese Moore in ein paar Jahren nicht mehr haben.“