„Die Gesellschaft lebt von unterschiedlichen Menschen“, sagt Edith-Margarete Gewers. Als Quartiersmanagerin im DRK-Generationenbüro Vreden ist es unter anderem ihre Aufgabe, zu schauen, welche Angebote es im Bereich der Gesundheitsförderung bereits gibt – und wo noch Handlungsbedarf besteht. „Ich bin aus Wuppertal zugezogen und mir ist aufgefallen, dass es hier im ländlichen Raum keine Angebote für ältere lesbische und schwule Menschen gibt, die ihr Altern diskriminierungsfrei und aktiv gestalten wollen. Daher leben sie oftmals sehr isoliert“, berichtet sie.
So wurde der Kontakt zum Verein Rubicon e.V. hergestellt. Das Team aus Köln bietet unter anderem Beratung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, inter- und queer lebende Menschen. „Mit dieser Unterstützung wurden im Jahr 2020 Gespräche geführt und die ersten Schritte unternommen. Auch die damalige Bürgermeisterkandidatin Gertrud Welper haben wir unter anderem mit ins Boot geholt“, erinnert sich Edith-Margarete Gewers.
Und weiter: „Wir fragten uns, ob und wie ein derartiger Austausch im katholischen Münsterland funktionieren kann. So entstand zunächst die Idee, online eine Lesung abzuhalten, an der anonym teilgenommen werden konnte.“ In dem von Autorin Vera Ruhrus geschriebenen Buch „Das ist alles unsere Lebenszeit“ erzählen neun ältere offen lesbisch oder schwul lebende Menschen über ihre Erfahrungen in der Corona-Krise.
Edith-Margarete Gewers: „So fing es an! An der Lesung gab es ein reges Interesse. Daraus ergab sich ein Treffen mit Interessierten, von denen wir wissen wollten, was sich die Menschen zum Thema wünschen.“ Das Fazit: Es bestand der Wunsch nach Austausch, Begegnung, Beratung, Vernetzung und Information. Aber: „Warum denn nur für Ältere? Wir wollten junge und alte Menschen zusammenbringen und eine Gruppe, altersübergreifend, egal ob Homo-, Bi-, inter- oder transidente Menschen, zusammenführen. Gerade im ländlichen Raum benötigt man keine Spezialgruppen. Wir sind doch alle Menschen und haben Bedürfnisse“, sagt Michael Plesker, heute einer von insgesamt drei Leitern des Stammtisches, der sich dann 2021 offiziell gründete.
Mittlerweile trifft sich die Gruppe im 21-tägigen Rhythmus jeweils dienstags von 18 bis 19.30 Uhr im Twickler-Treff in Vreden unter anderem unter der Leitung von Michael Plesker. 20 bis 25 Personen im Alter von Anfang 20 bis über 60 umfasst die komplette Gruppe, die sich selber den Namen „Grenzenlos Queer“ ausgesucht hat. „Grenzenlos, weil Menschen jeden Alters willkommen sind. Und, weil sie nicht aus Vreden stammen müssen, um teilzunehmen. Derartige Angebote sind hier in der Region rar. Daher kommen auch Menschen von weiter weg zu uns“, bringt es Plesker noch einmal auf den Punkt.
Der Begriff ‚Queer‘ ist dabei in der Szene schon seit den 90er-Jahren bekannt und wird häufig als Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen verwendet. „Bitte nicht zu verwechseln mit den so genannten ‚Querdenkern‘. Damit hat es nichts zu tun. Gelegentlich, wenn sich die Gruppe irgendwo vorstellt, muss man das noch klarstellen“, sagt Edith-Margarete Gewers.
Bei den offenen, geselligen Treffen können die Teilnehmer über das reden, was ihnen auf der Seele brennt, sich austauschen. „Es handelt sich nämlich nicht um einen Stammtisch nach klassischer, münsterländischer Art. Wir verstehen das Ganze als Begegnungsangebot“, erklärt der Leiter. Manchmal werden sogar Gäste eingeladen, die zu bestimmten Themen sprechen und Fragen beantworten. Außerdem sind Menschen willkommen, die Interesse daran haben, die Akzeptanz für diese Themen zu fördern. „Unser Ziel ist es, Verständnis füreinander zu entwickeln. Wir wollen Berührungsängste abbauen“, sagt Gewers.

Mittlerweile sind sogar schon gute Freundschaften unter den Mitgliedern entstanden, sie helfen sich gegenseitig und unternehmen auch ab und zu etwas gemeinsam, wie Michael Plesker sagt: „Es ist eine gewisse Eigendynamik entstanden und man verbringt auch außerhalb der Stammtisch-Treffen eine nette Zeit miteinander. Das ist wirklich schön. Denn innerhalb der Gruppe muss man sich nicht verstecken oder verstellen. Hier kann ‚Ich‘ einfach nur ‚Ich‘ sein.“
Und wie wurde der Stammtisch bisher in Vreden aufgenommen? „Es gab nur positive Resonanz und keine Anfeindungen“, so die Quartiersmanagerin. Gelegentlich komme es allerdings vor, dass man gefragt werde, ob so eine Gruppe denn wirklich gebraucht werde. Da hat Edith-Margarete Gewers eine deutliche Antwort parat: „Ja! Und wenn man einfach mal zuhört, was die Mitglieder des Stammtisches erleben, weiß man auch, warum. Es gibt tausend kleine erlebte Geschichten, die bei den Treffen erzählt werden: So trauen sich zum Beispiel viele homosexuelle Paare nicht einmal, Hand in Hand durch die Stadt zu laufen. Dabei sollte das ganz normal sein. Und dass es normal wird, ist unser Anliegen!“
Info
- Der Stammtisch trifft sich dienstags im 21-tägien Rhythmus von 18 bis 19.30 Uhr im Twickler-Treff, Twickler Straße 6 in 48691 Vreden.
- Gerne können Sie telefonisch unter Tel. (02564) 8864-818 oder per E-Mail an generationenbuero-vreden@drkborken.de das nächste Treffen bei Edith-Margarete Gewers erfragen.
- Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Deutschen Rotes Kreuzes im Kreis Borken. (https://www.drkborken.de/angebote/alltagshilfen/drk-generationenbueros/generationenbuero-in-vreden/queer-stammtisch.html)
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