
© Stephan Teine
Coronavirus: Taxiunternehmen Terhörne steht fast komplett still
80 Prozent Umsatzrückgang
Die Autos abgemeldet, die Fahrer in Kurzarbeit, die Umsätze weggebrochen: Beim Taxiunternehmen Terhörne hat das Coronavirus voll eingeschlagen – und zwar gleich doppelt.
Sauber aufgereiht stehen die Kleinbusse von Taxi Terhörne auf dem Hof am Weseker Weg. Der Personenverkehr ist für das Unternehmen fast komplett zusammengebrochen.
„Wir machen nur noch die Krankenfahrten“, erklärt Helmut Terhörne. Vielleicht noch 20 Prozent des normalen Umsatzes kämen dadurch herein. Der Rest ist ersatzlos weggebrochen: Schulverkehr, Clubfahrten, Flughafentransfers, Fahrten am Wochenende zu den Discos in der Umgebung und zurück – nichts geht mehr. „Dass die Krankenfahrten einmal unsere Haupteinnahmequelle werden, hätte ich auch nie gedacht“, sagt er und muss lachen.
Fahrzeuge abgemeldet, um Kosten zu sparen
„Wir haben die meisten Autos abgemeldet, um zumindest die Fixkosten etwas zu drücken“, sagt Helmut Terhörne. Für die Kleinbusse, die normalerweise Clubs, Mannschaften oder Vereine im Pendelverkehr zu Ausflugszielen oder zum Flughafen bringen, sieht es düster aus. „Die werden wir wohl dieses Jahr nicht mehr brauchen“, sagt er. Nur sechs Autos sind im Moment noch unterwegs. Die meisten der 28 Taxifahrer des Unternehmens haben im Moment nichts zu tun.
„Wir haben versucht, für jeden eine gute Lösung zu finden“, erklärt Helmut Terhörne. Sei es Kurzarbeit oder sei es ein ruhendes Arbeitsverhältnis. „Der richtige Umgang damit war extrem schwer“, erklärt er. Welchen Fahrer schicke man in die Kurzarbeit, welchen Fahrer beschäftige man weiter? „Da stecken ja immer auch Schicksale und Existenzen hinter“, sagt er.
Alltag der Fahrer hat sich völlig verändert
Aber auch im verbliebenen Alltag der Fahrer hat sich viel verändert. Oliver Stüllenberg ist einer von ihnen. Er kommt gerade von einer Krankenfahrt zurück zum Firmengebäude am Weseker Weg. „Selbst die Krankenfahrten sind schwierig geworden“, schildert er.

Nur noch mit Maske am Steuer: Taxifahrer Oliver Stüllenberg hat keine Angst vor einer Ansteckung, macht sich aber Sorgen um seine meist älteren Fahrgäste. © Stephan Teine
So seien beispielsweise die Altenheime mittlerweile völlig abgeriegelt. „Man kommt nicht mehr hinein“, erklärt er. Jede Einrichtung hat dabei ihre eigenen Regeln. „Bei der einen muss man klingeln, die nächste möchte eine telefonische Anmeldung oder man muss zu einem Nebeneingang fahren, um die Menschen dort abzuholen“, erklärt er.
So viel Abstand wie möglich im Taxi
Auch in den Taxen gelten besondere Regeln: Fahrgäste sollen nur noch auf dem Rücksitz transportiert werden. So soll der größtmögliche Abstand zwischen Fahrer und Fahrgast gewahrt bleiben. Gleichzeitig trägt Oliver Stüllenberg ständig eine Atemmaske. „Am Anfang wurde ich dafür noch belächelt“, sagt er. Inzwischen habe sich aber auch da die Stimmung geändert.
Doch auch die Maske bringt Probleme mit sich: Vor allem demente Fahrgäste hätten Angst vor der Maske oder würden nicht verstehen, warum sie das Gesicht ihres Fahrers nicht mehr erkennen können. „Andere sagen, dass sie selbst gesund seien und dass ich deswegen keine Maske tragen bräuchte“, fügt er hinzu. Ihnen zu erklären, dass er die Maske vor allem trage, um seine Fahrgäste nicht anzustecken, sei auch oft schwierig.
Ältere Fahrgäste haben Angst und Redebedarf
Was ihm dabei besonders nahe geht: „Gerade die alten Menschen sind in den vergangenen Wochen unendlich traurig geworden“, sagt Oliver Stüllenberg. Klar: Sie haben durch die Kontaktsperre kaum noch die Möglichkeit, mit anderen Menschen zu reden.

"Die Leute haben Angst vor der Maske und enormen Redebedarf", sagt Taxifahrer Oliver Stüllenberg. Auch wenn er noch fahren kann, hat sich sein Arbeitsalltag enorm verändert. © Stephan Teine
Besuche dürfen sie auch nicht empfangen. „Man merkt das sie einen unendlichen Redebedarf haben“, fügt er hinzu. Eine Frau sei vor kurzem in Tränen ausgebrochen, als er von ihr nach der Fahrt noch eine Unterschrift auf dem Taxischein brauchte.
Coronavirus trifft Familie Terhörne gleich doppelt
Familie Terhörne wird von der Corona-Krise derweil gleich doppelt getroffen: „Wir sind ja ein Mischbetrieb“, erklärt Nicole Terhörne. Zum Familienunternehmen gehört ja auch die Gastronomie und die große Festhalle.
Wann dort jedoch wieder gefeiert wird, steht völlig in den Sternen. „Dieses Jahr wird die Festhalle wohl nicht mehr gebucht“, sagt Helmut Terhörne und zieht die Stirn in Falten. Auch die übrige Gastronomie liege mehr oder weniger brach. „Wir haben ja eigentlich kaum A-la-Carte-Geschäft“, erklärt seine Frau. Meistens buchen Gesellschaften die Räumlichkeiten am Weseker Weg. Doch wann man für die wieder öffnen könne, die Terhörnes zucken mit den Schultern.
Außer-Haus-Verkauf hat gut funktioniert
Über die Osterfeiertage hatten sie erstmals einen Abholservice für Speisen eingerichtet. „Das hat erstaunlich gut funktioniert“, sagt Nicole Terhörne. Sowohl was die Reaktionen der Kunden als auch den Ablauf im Betrieb angehe. Auf Dauer sei aber auch das nur ein Behelf. „Wir können ja nicht davon ausgehen, dass die Leute jetzt alle zwei Tage vorbei kommen, um sich Essen abzuholen“, sagt sie. Dennoch soll dieses Angebot ausgeweitet werden.
Über Langeweile können beide trotz allem nicht klagen. „Man hat jede Menge zu tun. Nur effektiv ist es nicht unbedingt“, sagt Helmut Terhörne mit einer Portion Galgenhumor. Allein die Lohnabrechnung sei im Moment ein Riesenaufwand.
Viel Unterstützung aber noch mehr offene Fragen
Mit den Soforthilfen der Regierung und der Unterstützung durch Gastronomie- und Taxiverband ist er sehr zufrieden. „Das hat binnen kürzester Zeit enorm gut funktioniert“, sagt er. Trotzdem macht er sich Sorgen, wie es weiter gehen soll. Beispiel: „Selbst wenn die Schule wieder losgeht und wir den Schülerverkehr wieder aufnehmen können, weiß noch keiner, wie das dann abgewickelt werden soll.“
So müssten ja auch die Schüler in den Bussen mehr Abstand einhalten als bisher. Doch die meisten Fahrzeuge – auch die größeren von anderen Anbietern – seien schon im Alltag ohne Coronavirus brechend voll.
Eine Prognose mag er nicht abgeben. „Dafür ist es einfach noch zu früh“, sagt er und macht sich wieder an die Arbeit.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
