
© Montage Nina Dittgen
Zitterpartie für Eltern: Es gibt zu wenige Betreuungsplätze für Grundschüler
Verlässliche Halbtagsschule
In Stadtlohn fehlen Betreuungsplätze für Grundschulkinder. Die Warteliste für die Verlässliche Halbtagsschule ist lang. Nicole Kirchhoff weiß: Das ist eine Zitterpartie für viele Mütter und Väter.
Lasse (5) freut sich auf die Schule. Nach den Sommerferien wird aus dem Kindergartenkind ein Erstklässler. Für seine Mutter Nicole Kirchhoff war die Vorfreude nicht ungetrübt. Sie ist berufstätig und auf feste Betreuungszeiten angewiesen, zum Beispiel wenn die Schule mal früher aus ist.
Im Prinz-Botho-Kindergarten waren die Betreuungszeiten kein Problem. Aber im Betreuungsangebot „Verlässliche Halbtagsschule“ sind die Plätze rar. „Ich habe schon im letzten Jahr begonnen, mir Gedanken zu machen. Das war eine echte Zitterpartie“, sagt Nicole Kirchhoff.
Als Elternbeiratsvorsitzende des Prinz-Botho-Kindergartens weiß sie, dass sie nicht die Einzige war. Die Wartelisten sind lang, und viele Eltern sind in Sorge: In Stadtlohn fehlen Betreuungsplätze für Grundschulkinder. Die Offenen Ganztagsschulen (OGS) und die Verlässlichen Halbtagsschulen (VHTS) haben ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Noch ist unklar, wie das Problem bis zum Beginn des neuen Schuljahres gelöst werden kann.
Günter Wewers: „Viele Eltern sind verärgert“
Der Erste Beigeordnete der Stadt Stadtlohn, Günter Wewers, will die Lage nicht beschönigen. „Viele Eltern sind verärgert und sehen ihre berufliche Zukunft in Gefahr, wenn ihre Kinder nicht betreut werden. Sie sehen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert“, erklärte er in der jüngsten Sitzung des Schul- und Bildungsausschusses.
Wie groß das Problem ist, machte Fachbereichsleiter Klaus-Dieter Weßing anhand der Anmeldezahlen deutlich. Bis Anfang März wurden für die 182 OGS-Plätze 194 Kinder angemeldet. Auf die 127 VHTS-Plätze gab es 170 Bewerber. Mit anderen Worten: Für 56 Kinder fehlten Betreuungsplätze – 12 für die Offene Ganztagsschule und 43 für die Verlässliche Halbtagsschule.
Anmeldedruck in der Halbtagsbetreuung größer als in der OGS
Im OGS-Bereich hat sich in den letzten zwei Wochen die Lage nach Überprüfung von Doppelanmeldungen etwas entspannt. Nach Fertigstellung des Containers an der Hordtschule können dort möglicherweise auch sieben Kinder mehr aufgenommen werden. Klaus-Dieter Weßing hat eine gute Nachricht: „Ich gehe davon aus, dass wir unterm Strich ausreichend OGS-Plätze an allen vier Grundschulen haben werden.“
Nicole Kirchhoff möchte Lasse aber nicht in die Ganztagsschule geben. Weil sie nur morgens arbeiten muss, kann sie Lasse und seine große Schwester Svea (8) nachmittags selbst betreuen. Das flexiblere Angebot der Verlässlichen Halbtagsschule kommt der Familie besser entgegen.
36 Betreuungsplätze fehlen noch
Doch in der VHTS sind Betreuungsplätze weiterhin Mangelware. Nur an der Fliednerschule gibt es derzeit ausreichend Plätze. An der Gescher-Dyk-Schule, an der Hordtschule und an der Hilgenbergschule gibt es noch längere Wartelisten. Unterm Strich fehlen nach Streichung der Doppelanmeldungen noch 36 Betreuungsplätze.
Das war in den vergangenen Jahren nicht so. „Die Anmeldezahlen sind jetzt durch die Decke gegangen“, sagt Günter Wewers. 2020 gab es 87 Anmeldungen. Jetzt sind es mit 170 mehr als doppelt so viele. Ein Grund, so Klaus-Dieter Weßing, seien Zuzüge, ein anderer die große Beliebtheit des flexiblen Betreuungsangebotes VHTS.
Raumnot verhindert Ausweitung des Betreuungsangebots
Kann die Stadt das Angebot nicht ausweiten? Das Jugend- und Familienbildungswerk (JFB) als Träger der OGS könnte nach eigenen Angaben zusätzliches Personal bereitstellen. „Das Problem sind aber fehlende Räume“, sagt Klaus-Dieter Weßing. Die Grundschulleitungen hätten ausgeschlossen, dass weitere Räumlichkeiten für neue Gruppen der VHTS freigeräumt werden können.
Die Stadt will nun eine andere Lösung probieren: VHTS-Plätze würden vor allem für Erst- und Zweitklässler benötigt. Die Stundenpläne der Jahrgänge 3 und 4 umfassen in der Regel fünf Stunden. Bei diesem Stundenumfang müsse eine Betreuung bis 13 Uhr nicht zwingend in Anspruch genommen werden, so Klaus-Dieter Weßing.
Kann „Betreuungsplatz-Sharing“ helfen?
In den nächsten Wochen wird das JFB als Träger die Eltern anrufen, um auszuloten, ob tatsächlich jeweils ein ganzer VHTS-Platz in Anspruch genommen werden muss, oder ob möglicherweise auch Betreuungsplätze an verschiedenen Wochentagen geteilt werden können. Oder ob bei Dritt- oder Viertklässlern ein Verzicht denkbar ist, wenn gleichzeitig eine Notfallbetreuung zum Beispiel bei Unterrichtsausfall garantiert wird.
Sollten am Ende trotz „Betreuungsplatz-Sharing“ VHTS-Plätze fehlen, müsse über eine Aufstellung neuer Container an der Gescher-Dyk-Schule, an der Hordtschule und an der Hilgenbergschule nachgedacht werden, so Günter Wewers. Dann müsse aber auch erwogen werden, ob die Kosten auch auf die Eltern umgelegt werden und die Monatspauschale von 25 auf 40 Euro erhöht werden müsse. Wewers: „Für die VHTS bekommt die Stadt ja keine Förderung vom Land.“
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026
Wie auch immer über diese Frage entschieden werden wird, Klaus-Dieter Weßing sagt: „Ich habe die Hoffnung, dass wir bis zum Beginn des neuen Schuljahres eine Lösung für alle Kinder finden werden.“

„Es gibt dauerhaft einen größeren Platzbedarf“, betonte Andrea Wiggering-Cirkel (FDP). © Archiv
Doch auch danach wird die Betreuung von Grundschulkindern die Stadt Stadtlohn weiter beschäftigen. Weiter wachsender Bedarf ist wahrscheinlich. Und ab dem Jahr 2026 haben die Kinder einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. „Es gibt dauerhaft einen größeren Platzbedarf. Wir müssen Lösungen für berufstätige Eltern finden“, erklärte Andrea Wiggering-Cirkel (FDP) im Schul- und Bildungsausschuss. Die Ausschussvorsitzende Marion Ballenthin (CDU) sagte: „Wir geben heute als Politik das Signal: Das Thema liegt uns am Herzen.“
„Das Land lässt uns im Regen stehen“
Die Verwaltung steht für den OGS-Ausbau in den Startlöchern, sieht aber noch viele offene Fragen. „Das Land lässt uns im Regen stehen“, sagt Klaus-Dieter Weßing. Offen sei noch die Frage, wie der Ausbau der OGS-Betreuungsangebote finanziert werden soll. Weßing: „Es ist noch nicht einmal klar, ob die Stadt oder der Kreis zuständig sein wird. Wir hoffen auf eine schnelle Klärung.“

„Das Thema liegt uns am Herzen“, sagt Marion Ballenthin (CDU). © Thomas Geling
Inzwischen ist auch klar, dass Lasse mit einem Betreuungsplatz in der Verlässlichen Halbtagsschule rechnen kann. „Wir profitieren von der Geschwisterregelung“, sagt Nicole Kirchhoff. Weil seine Schwester Svea bereits in der VHTS betreut wird, hatte Lasse bessere Chancen.
Aber Nicole Kirchhoff fühlt noch mit den anderen Müttern und Vätern, die immer noch auf der Warteliste stehen. Sie sagt: „Eine Freundin, deren Kind im nächsten Jahr eingeschult wird, überlegt jetzt schon, ob sie ihre Arbeitszeiten kürzen muss. Das darf ja im Jahr 2022 nicht mehr sein, dass Frauen nach langer Ausbildung oder Studium nicht arbeiten können, weil Betreuungsplätze fehlen. Außerdem gibt es ja auch viele Familien, die auf ein zweites Einkommen angewiesen sind.“