
© Michael Schley
Zahnarztpraxis Dr. Jabs in Stadtlohn schließt vorerst: „Wir sitzen alle im gleichen Boot"
Coronavirus-Pandemie
Früh hatte die Zahnarztpraxis Dr. Jabs Vorkehrungen im Zuge der Corona-Pandemie getroffen. Nach neuer Bewertung schließt man die Türen nun. Behandelt werden weiter Schmerz- und Akutfälle.
Es ist ruhig an diesem Freitagmorgen, deutlich ruhiger als sonst. Das Praxis-Team um Dr. Reiner Jabs hat gute Vorarbeit geleistet. Nachdem man in der Zahnarztpraxis an der Dufkampstraße schon früh nachhaltige Schutzvorkehrungen im Zuge der anlaufenden Coronavirus-Pandemie umgesetzt hatte, zog man nun die Reißleine: Vorübergehend wird die Praxis geschlossen – Schmerz- und Akutfälle werden natürlich weiter versorgt.
„Wir sitzen nun alle im gleichen Boot – auch mit vielen anderen Unternehmern, die mit dieser schwierigen Lage umgehen und Verantwortung übernehmen müssen“, erklärt Reiner Jabs. In einer Teamsitzung am Montag hatte man gemeinsam diese Entscheidung getroffen.
„Wir haben die Lagebesprechung mit den uns bekannten und betreffenden Fakten der Corona-Krise zusammengetragen, diese sorgfältig bewertet und darauf basierend eine Entscheidung getroffen, die uns allen nicht leicht gefallen ist“, erklärt Reiner Jabs. Die besondere Dynamik, die die Entwicklung gerade über das vergangene Wochenende genommen hatte, habe diesen Entschluss vorbereitet. Eine Nacht habe er noch „drüber geschlafen“, dann ging es an die Umsetzung.
Früh auf Corona-Pandemie reagiert
Schon vorab waren die „praxistypisch peniblen Hygienemaßnahmen“ verstärkt worden, dazu seien die Patienten stets sensibilisiert worden. Es wurden im Wartezimmer keine Zeitschriften mehr ausgelegt, Getränke wurden nicht mehr angeboten. Ältere Patienten und Patienten mit Risikoerkrankungen ohne akuten Behandlungsbedarf wurden angerufen, um Termine zu verschieben. Durch organisatorische Maßnahmen sorgte das Team dafür, dass keine räumliche Nähe zwischen den Patienten besteht. „Diese Maßnahmen erschienen uns nach unserer Neubewertung am Montag aber nicht mehr als ausreichend“, erklärt Reiner Jabs.
Für Irritationen hatte der Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW gesorgt, der Zahnarztpraxen nicht explizit erfasst. „Das Ministerium sieht den Betrieb von Zahnarztpraxen offenbar im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Pandemie als keinen entscheidenden Faktor an.“
So steht es im Infobrief der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe, die wie die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe rechtlich nicht über die Befugnis zu zum Beispiel einer Schließungsanordnung verfügt, vom Dienstag. Die ihrerseits appellierten, „planbare zahnärztliche Behandlungen mit Blick auf das infektionsepidemiologische Risiko auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren“. Da hatte Reiner Jabs mit seinem Team die Entscheidung aber schon getroffen: „Die Diskrepanz zwischen offizieller Empfehlung und dem wirklich Erforderlichen hat uns beschäftigt.“
„Maßnahme ist die einzig logische Konsequenz"
„Die für uns einzig logische Konsequenz ist es, uns diesen Maßnahmen, sprich den Schließungen in vielen Bereichen, anzuschließen – denn wir sind als Zahnarztpraxis ein Ort, an dem Übertragungen des Coronavirus durch die extreme räumliche Nähe des Behandlungsteams zu unseren Patienten ein sehr realistisches Szenario sind“, so Reiner Jabs.
Bei zahnärztlichen Behandlungen sei grundsätzlich mit der Bildung einer Spraynebel-Wolke zu rechnen, die die Übertragung des Virus maßgeblich begünstigt. Zudem erinnert er daran, dass auf der anderen Seite die Teammitglieder selbst Mütter sind – und die sich nun auch um die Kinderbetreuung kümmern müssen. „Wir sind bei Kontakt selbst alle akut Weiterträger des Virus“, erklärt der Zahnarzt.
Die wirtschaftliche Konsequenz dieser Entscheidung sei zum jetzigen Zeitpunkt in keiner Weise abzuschätzen, weiß Reiner Jabs – auch mit Blick auf sein über Jahre und Jahrzehnte gewachsenes Team. Selbst die erste Auszubildende aus dem Jahre 1991 ist noch „an Bord“. „Ein funktionierendes Qualitätsmanagement ist mit großer Fluktuation auch gar nicht umsetzbar“, berichtet Jabs. Und das greift nun – alle bringen sich ein.
„Die Mitarbeiterinnen ‚opfern‘ zunächst sogar freiwillig Urlaub.“ Eine Notfallbesetzung steht selbstverständlich weiter zur Verfügung, Reiner Jabs ist selbst täglich am Morgen vor Ort. Die Behandlung von Schmerz- und Akutfällen wird sichergestellt, die Praxis ist weiter täglich von 8 bis 12 Uhr erreichbar: „Wir lassen keinen im Regen stehen“, versichert er.
Neubewertung der Lage nach Ostern
Auf die sonst betont entspannte Atmosphäre müssen die Patienten dabei vorerst verzichten. Aus verständlichem Grund: Das Wartezimmer wird nicht besetzt, der Patient wird direkt ins Behandlungszimmer geführt. In Sachen Schutzkleidung oder auch Desinfektionsmittel sieht sich Reiner Jabs „gut ausgerüstet“: „Da haben wir uns auch ein Bein ausgerissen.“
Bei allen kommenden Einschränkungen betont er eines immer wieder: „Wir haben das gute Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.“ Für ihn stehe die Verantwortung gegenüber seinen Patienten, den Mitarbeitern und allen Mitmenschen, die in Kontakt zur Praxis stehen, über dem wirtschaftlichen Erfolg. „Jeder muss sich im Rahmen seiner Möglichkeiten und in seiner Verantwortung reflektiert nun einbringen.“ Bis Ostern gibt man sich im Team nun vorerst die Zeit, um dann „die Situation neu zu bewerten“.